Einsatz einer Eingreiftruppe der EU in Mazedonien?

Falsche Zeit, falscher Ort

Die EU will in Mazedonien ihre militärische Macht erproben. Gut möglich, dass die EU-Truppe in einen heißen Konflikt gerät.

Außenminister Joseph Fischer findet die Idee einfach »sympathisch«. Die EU soll mit einer Eingreiftruppe die derzeit in Mazedonien stationierte Nato-Mission »Amber Fox« beerben. Auch Spaniens Ministerpräsident José Maria Aznar sympathisiert mit dem Vorschlag. Die EU-Truppe sei zu einer Übernahme des Mandats in Mazedonien schon in der Lage. Als erster ausgesprochen hatte die »sympathische Idee« der EU-Außenkoordinator Javier Solana während des Außenministertreffens im spanischen Caceres Anfang dieses Monats. Der Einsatz in Mazedonien solle unter die »politische Kontrolle und die strategische Führung der Nato gestellt werden«. Ende März läuft »Amber Fox« aus, soll aber bis Anfang Juni verlängert werden. Danach könnte die EU ihre Premiere als militärische Macht erleben.

Etwa 700 Nato-Soldaten befinden sich derzeit in Mazedonien und unterstützen die OSZE und andere internationale Organisationen bei der Rückführung jener 100 000 Menschen, die wegen des Bürgerkrieges im vergangenen Jahr ihre Häuser verlassen mussten. Obwohl die Rückkehr recht zügig vorangeht und auch die Gesetze zur Stärkung der Autonomierechte der albanischen Minderheit schlecht und recht befolgt werden, kann von einer nachhaltigen Entspannung keine Rede sein.

Schon zeichnet sich eine ethnisierte Auseinandersetzung bei den für Ende April avisierten Parlamentswahlen ab. Die drei im Parlament vertretenen albanischen Parteien haben erst kürzlich - auf Zuruf des ehemaligen albanischen Guerillaführers Ali Ahmeti - die so genannte Demokratische Allianz gebildet; unter diesem Namen wollen sie gemeinsam antreten. Angesichts dieser ethnischen Klientelpolitik werden die mazedonisch-slawischen Parteien kaum umhin kommen, ebenfalls die ethnische Karte auszuspielen.

Premier Ljubco Georgievski von der Mazedonisch-Revolutionären Organisation - Demokratische Partei der Mazedonischen Einigkeit (VMRO-DPMNE) hat sich vor einigen Wochen seiner Stellvertreterin in der Regierung, Dosta Dimovska, entledigt, die für einen konzilianten Kurs gegenüber den aufbegehrenden albanischsprachigen Bürgern im Lande eingetreten ist. Wenige Monate vor den Wahlen driften die politischen Klassen beider Bevölkerungsgruppen zugunsten einer spektakulären, aber nicht gerade friedenssichernden Klientelpolitik auseinander. Die Zentrifugalkräfte, die jetzt entstehen, gefährden die Übereinkunft, die im Sommer des letzten Jahres zumindest ein Ende der Kampfhandlungen zwischen der albanischen Guerilla UCK und der mazedonischen Armee ermöglichte.

In Skopje machen außerdem Gerüchte die Runde, dass Ljubco Georgievski angesichts schlechter Umfragewerte versuchen könnte, den Konflikt anzuheizen. So soll seine Partei die beiden paramilitärischen Einheiten der »Tiger« und der »Löwen« finanziell fördern, die im mehrheitlich von der albanischsprachigen Bevölkerung besiedelten Gebiet rund um die Stadt Tetovo seit Wochen Unruhe stiften. Auch die offiziell aufgelöste mazedonische Filiale der kosovo-albanischen UCK, die Albanische Nationalarmee (Ana), ist rund um die Stadt Tetovo noch immer aktiv. Erst vor einer Woche soll die Ana, so der mazedonische Innenminister Ljube Boskovski, einen mazedonischen Zivilisten mit einer Mine ermordet haben.

Indes verstärkt die so genannte internationale Staatengemeinschaft ihren Druck auf die Regierung und hat immerhin angekündigt, im März die lang erwartete Geberkonferenz für Mazedonien durchzuführen. Rund 90 Millionen US-Dollar soll das staatliche Fundraising dem armen Land bringen, doch eigentlich kommt diese Hilfe viel zu spät. Schon im Dezember hätte die große Spendenaktion abgeschlossen und das Geld nach Mazedonien überwiesen sein sollen. Dadurch wäre der mazedonischen Regierung wenigstens die Möglichkeit gegeben worden, sich auf die brach liegende Wirtschaft zu konzentrieren und vielleicht ökonomische Fragen zum Gegenstand der politischen Auseinandersetzung zu machen. Doch die leeren Staatskassen führten auch zu einer dramatischen Themenverknappung. Der ethnische Konflikt blieb ganz oben auf der politischen Agenda beider Seiten.

So ist sich Harald Schenker, der Sprecher der OSZE-Mission in Skopje, inzwischen ganz sicher, dass es »nach den Wahlen zu keiner interethnischen Koalition mehr kommt«. Mehr als noch während der Kampfhandlungen im letzten Jahr sind die Blöcke erstarrt. Zudem besteht die Gefahr, dass die albanische Demokratische Allianz in den Wahlen die stärkste Partei wird. Rund 25 Prozent der mazedonischen Bürger sprechen albanisch, und fast alle von ihnen, so ist zu vermuten, werden ihre Stimme der Allianz geben. Hingegen sagen neuere Umfragen Georgievskis VMRO-DPMNE nur zehn Prozent der Stimmen voraus. Auch die anderen slawischen Parteien dürften nicht viel besser abschneiden. Gut möglich wäre es aber auch, dass sie sich ebenfalls auf eine gemeinsame Wahlplattform einigen, um ihrer Minorisierung im Parlament zu entgehen. Dann wäre Mazedonien ein Land der Ethnoparteien.

Der Einsatz in Mazedonien gilt als Generalprobe für die europäische Schattenarmee, die erst im nächsten Jahr Wirklichkeit wird. Weiterhin wird sich die EU der Nato-Strukturen in Mazedonien bedienen und höchstens an der Planung der Einsätze mitwirken. Wohin der politische Truppentransport allerdings geht, zeigen die Beschlüsse der EU-Außenminister vom Ende des vergangenen Jahres. Die EU-Truppe soll in einem Radius von beachtlichen 3 000 Kilometern rund um die Union einsatzbereit sein und im Bedarfsfall ein Jahr lang Krisen vor Ort bekämpfen können. Trotz dieser Ausdehnung bleibt der Balkan ein wichtiges militärisches Einsatzgebiet und mit ihm Mazedonien, das in der Krisenregion noch immer am unübersichtlichsten ist.

Groß dürfte das Vertrauen der Mazedonier in die Unionstruppe nicht sein. Der mazedonische Präsident Boris Trajkovski wandte sich gegen eine Übertragung des Mandats von der Nato auf die EU. Mit gutem Grund: Wenn die EU das Mandat übernimmt, wird die Führung der Operation von Deutschland wahrscheinlich auf Italien übergehen, und gerade mit der deutschen Führung haben die Mazedonier nicht gar so schlechte Erfahrungen gemacht. »Die sind natürlich froh über die deutsche Kontrolle, weil die Mazedonier denken, dass die Deutschen auch für eine stärkere europäische Integration Mazedoniens sorgen könnten«, sagt OSZE-Sprecher Schenker.