Liberia im Ausnahmezustand

Guerilla im Nebel

Nach Kämpfen nahe der Hauptstadt Monrovia hat der liberianische Präsident Charles Taylor den Ausnahmezustand verhängt.

Mein Gott, jetzt hat er es tatsächlich getan.« Wirklich überrascht wurde Edward MacLaine, ein Mitarbeiter der Oppositionspolitikerin Ellen Johnson Sirleaf, offenbar nicht von der Verhängung des Ausnahmezustands in Liberia vor knapp zwei Wochen. »Die Situation ist trüb, doch das könnte ein Trick sein, um die Wahlen zu verhindern«, vermutete der im Exil lebende Kritiker des liberianischen Präsidenten Charles Taylor. Offiziell begründet wurde die Maßnahme mit Kämpfen in der Nähe des Ortes Klay, der etwa 40 Kilometer von der Hauptstadt Monrovia entfernt liegt.

Die Nachrichtenagentur AFP berichtete unter Berufung auf einen zivilen Zeugen und einen Offizier der liberianischen Armee, dass die Liberians United for Reconciliation and Democracy (Lurd) mit der Armee um die strategisch wichtige Stadt gekämpft hätten. Ein BBC-Korrespondent, der Klay einige Tage später besuchte, meldete, die Stadt sei bis auf einige Soldaten, die Zivilisten bestatteten, verlassen. Tausende Flüchtlinge waren auf dem Weg nach Monrovia. Hilfsorganisationen beklagten außerdem, dass im Norden des Landes Zehntausende von jeder Hilfe abgeschnitten seien.

Präsident Taylor scheint die Auseinandersetzung zum Vorwand nehmen zu wollen, um die in einem Jahr fälligen Wahlen zu verhindern. Er wurde 1997 mit 75 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Seinen Sieg verdankte der ehemalige Warlord vor allem der Drohung, den siebenjährigen Bürgerkrieg weiterzuführen. Es gelang ihm in den fünf Jahren seiner Regierung jedoch nicht, die verbliebenen Milizen zu besiegen oder zu integrieren. Auch die wirtschaftliche Lage des Landes hat sich kaum verbessert.

Taylor machte bereits jetzt klar, dass unabhängige Beobachter im nächsten Jahr nicht ins Land gelassen werden. Nach der Verhängung des Ausnahmezustands, der die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlung einschränkt, wurden einige unabhängige Journalisten sowie knapp 40 Jugendliche in Monrovia verhaftet. Der Justizminister Eddington Varmah erklärte diese Maßnahme damit, dass »die Regierung ausreichende Sicherheitsinformationen erhalten hat, dass Dissidenten die Hauptstadt infiltriert haben«.

Wer diese Dissidenten sind, ist nicht nur der liberianischen Polizei unklar, die die meisten Verhafteten nach eigenen Angaben inzwischen freigelassen hat. Die Rebellen der Lurd, so viel ist sicher, versuchen seit 1999, Taylor zu stürzen. Sie agierten anfangs vom nördlichen Nachbarland Guinea aus, wohin verschiedene von Taylor im vorangegangenen Krieg geschlagene Rebellengruppen geflüchtet waren.

Sprecher der Lurd in den USA behaupten nun, diese Gruppen, unter ihnen auch Angehörige der muslimischen Minderheit, vereinigt zu haben. Die regierungsnahe Webpage allaboutliberia versucht deshalb wenig glaubhaft, die Lurd als muslimische Terroristengruppe darzustellen. In der vergangenen Woche berichtete sie von einem angeblich in Monrovia verteilten Aufruf der Lurd zum Jihad: »Wir verdammen die selbstgefälligen Muslime, welche die Koexistenz von Muslimen und Christen vertreten.«

Taylor beschuldigt Exil-Liberianer in den USA, die Lurd über Guinea zu finanzieren, was deren Sprecher dementieren. Ihre Anhänger findet die Lurd, wie früher Taylor und auch andere Milizen, in den unzugänglichen Gebieten im Norden des Landes an der Grenze zu Guinea und Sierra Leone. Diese Region wurde in der Wirtschaftskrise der letzten 20 Jahre von den Regierungen als erste aufgegeben. Nach zwölf Jahren Krieg ist nun die Mehrheit der Bewohner mindestens einmal vertrieben worden, und Gewalt ist für viele das einzige Überlebensmittel. Neben der Lurd und kriminellen Banden sind dort auch mit Taylor verbündete Milizen aktiv. Eine einheitliche Front gibt es nicht.

Taylor gibt indirekt den UN-Sanktionen die Schuld an der jetzigen Situation: »Das Waffenembargo und das Unvermögen der Regierung, für das ökonomische und soziale Wohlergehen ihrer Bürger zu sorgen, erfordern den Ausnahmezustand.« Das Embargo war im vergangenen Jahr verhängt worden, weil Taylor im benachbarten Sierra Leone mit der regierungsfeindlichen Revolutionary United Front (Ruf) Waffen gegen Diamanten getauscht hatte. In Sierra Leone wurde der Bürgerkrieg inzwischen allerdings für beendet erklärt und die Ruf-Miliz aufgelöst. Deshalb verlangt Taylor nun das Ende der Sanktionen. »Die UN hat zugegeben, dass in Liberia Krieg herrscht, schweigt aber zu dem Thema. Vielleicht sind noch nicht genügend Menschen in Liberia gestorben«, erklärte er.

Bei diesem Konflikt geht es auch um die reichhaltigen natürlichen Ressourcen der Region. Der Handel mit Diamanten aus Sierra Leone, der genauso UN-Sanktionen unterliegt wie die Vermarktung einheimischer Edelsteine, scheint nicht mehr besonders gut zu funktionieren. Britische Elitesoldaten, die seit knapp zwei Jahren an der Seite von Regierungs- und UN-Truppen kämpfen, überwachen nun die Grenze nach Liberia.

Die anfangs katastrophal verlaufende UN-Mission in Sierra Leone gilt inzwischen als Erfolg, weshalb der britische Premier Tony Blair bei einem Staatsbesuch vor zwei Wochen die britische »humanitäre Intervention« feiern ließ. Im Mai sollen Wahlen stattfinden. In der vorigen Woche verkündete die in London und Vancouver ansässige Mano River Resources Inc., im ehemaligen Kriegsgebiet wieder Diamanten schürfen zu wollen, woraufhin die Aktien um über 40 Prozent stiegen. Die Firma hält auch in Liberia eine Konzession für eine Diamantenmine, kann sie aber wegen des Embargos derzeit nicht verwerten.

Die britische und die US-amerikanische Regierung, die in Taylor den Hauptverantwortlichen für den Krieg sehen, halten an den Sanktionen fest. Robert Perry vom US-Außenministerium beschuldigte die »fraktionierten, untrainierten, undisziplinierten und unzuverlässigen Sicherheitskräfte« Taylors, im Krieg gegen die Lurd »missbilligenswerte Menschenrechtsverletzungen« zu begehen. Dasselbe werfen Menschenrechtsorganisationen allerdings auch der Lurd vor.

Eine Idee, wie man solche Konfliktparteien künftig disziplinieren könnte, hatte nun das britische Außenministerium. In einem in der vergangene Woche veröffentlichten »Green Paper« wird vorgeschlagen, künftig Söldnerfirmen mit der Lösung von Konflikten zu beauftragen, da sie billiger und effektiver seien als UN-Missionen.