Verbale Ausfälle gegen Nordamerikaner

Trash Talk

Trash Talk

Es war nur eine einzige Frage, die auf der Pressekonferenz nach dem Spiel der Iserlohn Roosters gegen den EHC Eisbären Berlin an den kanadischen Trainer der Berliner, Pierre Pagé, gestellt wurde.

Die sollte jedoch ungeahnte Konsequenzen haben. »Was halten Sie davon, wenn ein nordamerikanischer Spieler, der in Deutschland sehr gutes Geld verdient, einen deutschen Spieler mit 'fucking German Nazi-prick' beschimpft, so wie es Ihr Spieler Scott Levins heute Abend getan hat?«

Was war passiert? In einer Auseinandersetzung an der Bande hatte Levins den um einen Kopf kleineren Iserlohner Lars Müller gecheckt. Der fühlte sich unfair behandelt und provozierte Levins. Levins blieb jedoch einigermaßen ruhig, musste allerdings nach einem Wortgefecht auf die Strafbank. Während er dort saß, pöbelte Müller weiter, woraufhin der Eisbär seine Handschuhe beiseite legte, sich seinen Helm abnahm und aufstand. Er wollte Müller zum Kampf auffordern, dabei fiel dann auch der oben zitierte Satz.

So weit keine ungewöhnliche Szene in einem Sport, in dem die körperlichen Auseinandersetzungen den Reiz ausmachen und zu dem der »Trash Talk« gehört wie der Eckstoß zum Fußball.

Pech nur für Levins, dass die Eishalle im sauerländischen Iserlohn reichlich eigenartig konstruiert ist. Direkt hinter der Strafbank und dem Zeitnehmertisch befindet sich die Pressetribüne. Besetzt ist diese zu jedem Spiel mit Journalisten des Iserlohner Kreis-Anzeigers und anderer weltbewegender Blätter. Unter den Reportern muss einer den Satz von Levins aufgeschnappt und dann gleich so aufgebauscht haben, dass die Zeitnehmer am Ende in den Zusatzbericht schrieben, Levins habe den »Hitler-Gruß gezeigt« und noch dazu »Heil Hitler gerufen«.

Gegenüber Jungle World stellte der US-Amerikaner klar, dass er weder den Arm erhoben noch derartiges Vokabular benutzt habe, auch wenn er einräumte, Müller »ein Nazischwein genannt« zu haben.

Doch damit fängt der eigentliche Skandal erst an. Der zuständige Iserlohner Kontaktmann des Sportinformationsdienstes (Sid), der sonst nur die Spielstände durchgibt, übermittelte den angeblichen »Fall Levins« flink in die Zentrale. Und fast alle Berliner Zeitungen erschienen am nächsten Morgen mit Schlagzeilen wie »Eklat um Eisbär Levins«. Was wirklich passiert war, interessierte nicht.

Dabei hatte Levins nur die Beleidigungen gekontert, die sich die vielen Kanadier und US-Amerikaner in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) ständig anhören müssen. Von »Scheiß Kanaken« bis »Hau ab, Du Ausländer« reichen die Beschimpfungen, die deutsche Spieler allwöchentlich von sich geben - und für die sie von allen Seiten Rückendeckung erhalten. Bundestrainer Hans Zach lobt, wo er nur kann, die »deutschen Tugenden«, ständig wird die - rechtswidrige - Reduzierung der Ausländerlizenzen gefordert, weil die Importe den deutschen Spielern ihre Arbeitsplätze rauben würden.

Nun hat sich Levins einmal gewehrt - und ist sofort dafür bestraft worden. Sein Verein wiederum wurde mit »Trash Talk« geradezu überschüttet. So schrieb etwa ein deutscher Investmentbanker aus London: »Herr Levins sollte sich doch mal überlegen, dass er von den Fucking German Nazischweinen, seien es Sponsoren oder Zuschauer, bezahlt wird, und das nicht zu knapp.«

Eines zeigt dieser Vorfall noch: Mit der Aufarbeitung der deutschen Geschichte ist man im Sauerland nicht besonders weit gekommen. Auch nicht mit der der jüngeren: Wie hieß noch gleich der Eishockeyverein, der vor einigen Jahren für Gaddhafis »Grünes Buch« warb?