Pay-TV for Sale

Die Pleite der Kirch-Gruppe wirft ein schlechtes Licht auf ihre Kreditgeber - vor allem auf die bayerischen.

In der Zentrale der Bayerischen Landesbank in München geben sich in diesen Tagen die Spitzenmanager des deutschen Kreditwesens die Klinke in die Hand. Sie unternehmen den letzten Versuch, ein Firmenkonglomerat zu retten, dessen Haupteigentümer zu den bekanntesten und umstrittensten Männern der deutschen Medienlandschaft zählt: Leo Kirch.

Über 9 500 Menschen erarbeiten für ihn in 65 Einzelgesellschaften einen Jahresumsatz von vier Milliarden Euro. Die Haupteinnahmequelle des Konzerns ist jedoch das Fernsehgeschäft. Mit seiner Tochterfirma »Pro Sieben Sat.1 Media AG« betreibt Kirch vier bundesweit zu empfangende Sender. Neben Sat.1 und Pro 7 gehören auch noch Kabel 1 und der Nachrichtensender N24 zum Repertoire des Unternehmens mit Sitz in Unterföhring.

Stoff für vier mal 24 Stunden Dauerberieselung liefert das Kernunternehmen der Firmengruppe, die Kirch Media. Hier sind die Verwertungsrechte für über 20 000 Spielfilme gebündelt, flankiert von einem Sportrechtehandel, der unter anderem die Übertragungsrechte für die Formel 1 hält. Der defizitäre Pay-TV-Sender Premiere gehört ebenso zum Konzern wie eine vierzigprozentige Beteiligung am Axel-Springer-Verlag.

In der wechselvollen Geschichte der Kirch-Gruppe gab es zwar immer wieder heftige Turbulenzen. Doch gute Beziehungen zur Münchener Staatskanzlei und die Verbindung von Fernsehstationen und Filmrechten ließen den heute 75jährigen lange Zeit alle Krisen überstehen. Das Kerngeschäft erwies sich jedoch in den letzten 18 Monaten als so verlustreich, dass selbst Kirch an seine finanziellen Grenzen stieß. Zudem wurden nach dem 11. September die Werbebudgets in der Industrie drastisch reduziert, was sich sowohl auf die Einnahmen der Sender, als auch auf die Verwertungspreise des Filmhandels auswirkte. Die Media AG musste einen Gewinneinbruch von 27 Prozent eingestehen, Sat 1 arbeitet heute noch nicht profitabel.

Und auch Premiere konnte im vergangenen Jahr trotz der Übernahme des Konkurrenzsystems und großer Werbekampagnen die Erwartungen Kirchs nicht erfüllen. Die Unterhaltung der Decodergemeinde beschert dem Konzern täglich zwei Millionen Euro Verlust. Diese Entwicklung trifft einen Konzern, der seine Expansion vor allem mit Krediten finanziert hat, besonders hart. Mit 6,5 Milliarden Euro steht die Gruppe bei fast allen großen deutschen Banken in der Kreide. Nach Meinung der Finanzexperten ist der Konzern völlig überschuldet und kaum noch zu retten.

Seit Ende März steckt die Media AG in akuten Zahlungsschwierigkeiten, die Stundungsverhandlungen sind bereits im Gang. Um wenigstens einen Teil der Kredite noch zu bergen, verhandeln die Bayerische Landesbank, die Hypo-Vereinsbank, die Commerzbank und die DZ-Bank seit Wochen. Ihr Kredit von über drei Milliarden Euro soll durch eine Beteiligung am Kirch-Konzern gesichert werden. 800 Millionen Euro will das Konsortium in Form einer Beteiligung investieren, um die Insolvenz zu verhindern. Die Bedingung ist ein »tragfähiges Zukunftskonzept« für die Gruppe.

Solche Konzepte sehen jedoch Manager vor, die sich mit Tittitainment besser auskennen als Bankleute. Mögliche Kandidaten sind internationale und höchst unsympathische Player: die Firmengruppen von Silvio Berlusconi und Rupert Murdoch. Während die Pressesprecher des italienischen Ministerpräsidenten und alten Kirch-Freundes, der heute schon über fünf Prozent der Anteile an der Kirch-Gruppe verfügt, abwiegeln, verhält sich Murdoch in der Öffentlichkeit ruhig.

Dessen Überlegung, eine Rückgabeoption der Premiere-Anteile am britischen Sender BSkyB in Höhe von 1,7 Milliarden Euro zu ziehen, lässt auf das Interesse des gebürtigen Australiers an dem Kirch-Imperium schließen, der mit den Sendern Vox-TV und TM 3 bereits zwei Fehlstarts im mitteleuropäischen Fernsehmarkt hingelegt hat.

Dabei hat allein die Möglichkeit, dass ein Großteil des deutschen Privatfernsehens in ausländische Hände gelangen könnte, in den letzten Wochen für Aufregung gesorgt. Murdoch hat sich in seiner Karriere einen Ruf als ruppiger Geschäftsmann erworben, der in den achtziger Jahren Margaret Thatchers Kampf für die Deregulierung des Arbeitsmarktes vehement unterstützte. In einem monatelangen Konflikt setzte er ein komplett gewerkschaftsfreies Druckzentrum für seine Boulevardblätter durch und revolutionierte damit die Zeitungsproduktion auf der Insel zu Ungunsten der Arbeitnehmer.

Heute beherrscht er den britischen Markt. Wenn er seinen Stil nicht geändert hat, dann drohen den Beschäftigten der privaten Sender harte Zeiten. Am Beispiel der Londoner Drucker können die Angestellten Kirchs sehen, was auf sie zukommen könnte. Entlassungen, Lohnnullrunden und die Abdrängung in ungesicherte Arbeitsverhältnisse sind typische Maßnahmen des so genannten Kostenmanagements.

Ob sich Murdoch tatsächlich bei Kirch engagiert, ist noch unklar, da er bislang keine Ambitionen zeigt, die Schulden des Imperiums zu übernehmen. Auch der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber wollte sich in den letzten Wochen nicht mehr zu dem Thema äußern.

Stoiber hat seinen Wahlkampf so sehr auf seine vermeintliche Kompetenz in Wirtschaftsfragen ausgerichtet, dass er mit dieser Pleite nicht in Verbindung gebracht werden möchte. Denn wie sehr der Freistaat die Expansion Kirchs unterstützt hat, zeigt das Engagement der Bayerischen Landesbank, die mit 1,9 Milliarden Euro fast ein Drittel der bekannten Schulden der Gruppe trägt. Stoiber hat vor den Bundestagswahlen sicherlich kein Interesse an einer Diskussion darüber, wer letzten Endes für die enorme Verluste aufkommen muss.

Mit dem möglichen Einstieg Murdochs scheitert auch ein Paradebeispiel des korporativen Rheinischen Kapitalismus. Denn trotz aller Rufe nach Deregulierung war die Verzahnung von Politik und Großindustrie in Deutschland immer sehr eng. Inländische Konzerne sollten bei ihren Auslandsengagements unterstützt und die einheimischen Großunternehmen vor ausländischer Übernahme geschützt werden.

In der Mitte der neunziger Jahre avancierten die Produktions- und Personalkosten zum Thema Nummer eins in der so genannten Standortdebatte, während gleichzeitig die regelmäßigen Subventionen und Steuervergünstigungen ausgeblendet wurden. Wollen die Banken Teile ihrer Kredite wieder sehen, werden sie sich wohl von Kirch als Teil dieses Systems verabschieden müssen.