Kölner Klüngel

Politik mit Wertstoff

Nicht nur die Kölner SPD, auch die CDU und die Gewerkschaften kooperieren mit der Müllfirma Trienekens.

Zwei Jahre nach dem Verlust der Macht im Kölner Rathaus haben es jetzt auch die Sozialdemokraten gemerkt: Die »sozialistische Republik Köln«, von der der ehemalige SPD-Oberbürgermeisterkandidat Klaus Heugel träumte, wird es nicht geben. Stattdessen bescheren die Kölner Sozialdemokraten der Republik den Korruptionsskandal des Jahres und gefährden damit die Wiederwahl Gerhard Schröders zum Bundeskanzler.

Seit Kriegsende hatten die Sozialdemokraten in Köln ohne Unterbrechung den Oberbürgermeister gestellt. Doch nach der Affäre um Heugel, der wegen Insidergeschäften mit Aktien verurteilt wurde, fanden sich die Exponenten einer vergangenen fordistischen Epoche auf den harten Oppositionsbänken im Kölner Rathaus wieder. Die CDU gewann die letzte Kommunalwahl mit ihrem Kandidaten Fritz Schramma, ist aber auf die Stimmen der FDP und der Grünen angewiesen.

Die Verwicklung der Kölner SPD in zweifelhafte Geschäfte mit der Müllwirtschaft hat, außer mit der Tatsache, dass sie die Stadt jahrzehntelang regierte, auch mit ihrem allgemeinen Niedergang, dem nachlassenden ehrenamtlichen Engagement, den sinkenden Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen und mit der chronischen Unterfinanzierung von Kommunalpolitik im Allgemeinen zu tun. Die Kölner SPD hat schon immer versucht, ihre Arbeit über Landtags- und Bundestagsmandate zu finanzieren. Üblich war es, dass die wichtigsten sozialdemokratischen Kommunalpolitiker zur Finanzierung ihrer Tätigkeit Landtagsmandate anstrebten, sich in Wirklichkeit aber meistens im Kölner Rathaus statt im Düsseldorfer Landtag aufhielten.

Die andere Geldquelle war offensichtlich das private Kapital, das sich allem Anschein nach erkenntlich zeigte, um öffentliche Bauaufträge zu erhalten oder Privatisierungen durchzusetzen. Eine wichtige Rolle spielten dabei die großen Privatisierungsprojekte der neunziger Jahre. So wurde die Müllverbrennungsanlage in Köln-Riehl gebaut, sie gehört der Abfallverwertungsgesellschaft (AVG), einer Tochter des rheinischen Müllunternehmens Trienekens. Aus der städtischen Müllabfuhr wurden die Abfallwirtschaftsbetriebe Köln (AWB), auch eine Tochterfirma Trienekens. An Trienekens selbst sind wiederum die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) zu 50 Prozent beteiligt.

Die ortsansässige Presse, allen voran der Chefredakteur des Kölner Stadtanzeigers, Franz Sommerfeld, der in den siebziger Jahren noch als Chefredakteur der roten blätter des MSB Spartakus tätig war, sieht im Kölner Korruptionsskandal vor allem das Ergebnis individuellen moralischen Fehlverhaltens. Der nahe liegenden Frage, ob und inwieweit die Privatisierungspolitik der SPD in Köln käuflich war, verweigert er sich.

Kein Wunder, profitiert doch sein Herausgeber, der Verleger Alfred Neven DuMont, als Anteilseigner des Oppenheim-Esch-Fonds, eines Zusammenschlusses der einflussreichsten und vermögendsten Bürger der Stadt, von dieser Politik. Etwa vom Bau und Betrieb der Köln-Arena im rechtsrheinischen Deutz. Dabei handelt es sich um ein Stadion für Eishockey, Handball und Kulturveranstaltungen. Der Bau kostete 300 Millionen Mark und wurde 1998 fertiggestellt. Die Renditen des Oppenheim-Esch-Fonds stammen aus den marktunüblich hohen Mieten des in den Komplex der Köln-Arena integrierten neuen Technischen Rathauses. So zahlen die Kölner Bürger mit ihren Steuern die hohen Mieten im Technischen Rathaus und verschaffen den Betreibern der Köln-Arena satte Profite.

Maßgeblicher Initiator dieser aktiven Umverteilung von Volksvermögen war der ehemalige Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier (SPD), der, ohne eine Schamfrist abzuwarten, nach seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Amt ausgerechnet als Manager zum Oppenheim-Esch-Fonds wechselte, mit dem er vorher als Vertreter der Stadt handelseinig geworden war.

Auf der anderen Seite ist der Fraktionsvorsitzende der CDU im Kölner Stadtrat und Kandidat für den Bundestag im Norden der Stadt, Rolf Bietmann, seit Jahren als Anwalt für das nun von der Staatsanwaltschaft beschuldigte Müllunternehmen Trienekens tätig. Der CDU-Kandidat im Süden Kölns ist Prokurist bei Trienekens. So können unnötige Reibungsverluste zwischen der Stadtverwaltung, der Kommunalpolitik und dem Kapital vermieden werden. Alles kommt aus einer Hand.

Im Verein mit dem damaligen Geschäftsführer der Gewerkschaft ÖTV, Peter Meyer (SPD), verhinderten im Jahr 1999 die beiden umtriebigen Christdemokraten, dass die westfälische Müllfirma Rethmann dem rheinischen Müllmogul Trienekens in die Quere kommen konnte. Rethmann hatte zwar mehrere Millionen Mark mehr für die Hälfte der Anteile an der städtischen Müllabfuhr geboten, aber trotzdem den Zuschlag nicht erhalten.

Dafür erhielt dann Heinz Schürheck (SPD), der ehemalige Bezirksleiter der Gewerkschaft ÖTV in Nordrhein-Westfalen, den Posten des Geschäftsführers der privatisierten Müllabfuhr. Vorher hatte sich die Gewerkschaft ÖTV allerdings noch erkenntlich gezeigt und einen Überleitungstarifvertrag für die Beschäftigten der Müllabfuhr abgeschlossen, der das Lohnniveau um maximal 30 Prozent senkte und die bisherige Arbeitsplatzsicherheit des öffentlichen Dienstes beseitigte.

Besonders bizarr geriet die Verabschiedung des ehemaligen Kassierers der Kölner SPD, Manfred Biciste. Der Mathematiklehrer musste, nachdem die Staatsanwaltschaft ihm auf die Schliche gekommen war, auch seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender der Kölner Verkehrsbetriebe räumen. Dort war man dennoch voll des Lobes für Biciste, hatte er doch kurz zuvor noch die Privatisierung des öffentlichen Personennahverkehrs auf den Weg gebracht.

Der 27jährige neue Vorsitzende der Kölner SPD, Jochen Ott, geriert sich nun als »brutalstmöglicher« Aufklärer. Der Aktivist der katholischen Jugend war in den neunziger Jahren das Ziehkind der beiden tief in den Korruptionsskandal verstrickten ehemaligen Paten des rechten Flügels der Kölner SPD, Klaus Heugel und Norbert Rüther. Während sich bei den Kölner Jungsozialisten in dieser Zeit Poststalinisten, Undogmatische und Trotzkisten bekämpften, entschieden sich Heugel und Rüther dafür, das »Red-Sox-Team« als neue parteitreue Jugendorganisation aufzubauen und machten Ott zum Chef. Jetzt mutmaßen die Frankfurter Rundschau und die Süddeutsche Zeitung, dass Otts damalige Aktivitäten in Wirklichkeit aus den schwarzen Kassen Rüthers und Heugels finanziert wurden.