Jörg Haider bei Al-Jazeera

Der Prinz von Arabien

Jörg Haider macht es wie Ussama bin Laden. Auf dem arabischen TV-Sender Al-Jazeera grüßte er die arabische Welt.

Am Mittwoch vorletzer Woche bewies der in Katar beheimatete arabische TV-Sender Al-Jazeera, der gerne als »CNN des arabischen Raums« bejubelt wird, dass es zum berühmten »Clash of Cultures« zwischen Orient und Okzident nicht zwangsläufig kommen muss. Denn in den Tälern Kärntens, in einem Land, das zumindest nominell ebenso zur »Anti-Terror-Koalition« der USA gehört wie jedes andere europäische Land, tat man einen auf, der sich schon seit Monaten als feschere Variante von Peter Scholl-Latour profiliert hatte: Jörg Haider. Er gab Al-Jazeera ein immerhin gut 90minütiges Interview und analysierte sich in die Herzen von rund 100 Millionen Zuschauern aus dem arabischen Raum.

Ein gewichtiges Ereignis, denn um in Al-Jazeera vorzukommen, muss man eigentlich schon mal mit Ussama bin Laden im selben Versteck gehockt haben. Zwar gibt es keine wie auch immer geartete Nähe zwischen dem Terroristen und dem österreichischen Rechtspopulisten, aber seine Mutation vom politischen Heimatpfleger zum Hobby-Arabisten hatte Jörg Haider schon monatelang vorbereitet.

Bereits am 11. September, als die Welt noch nicht ganz sicher war, wer den schaurigsten Terroranschlag der Geschichte verübt hatte, kam aus der Kärntner Landeshauptstadt Klagenfurt ein detailliertes Täterprofil: »Globalisierungsgegner« seien die Täter ganz sicher, kombinierte der Hobbydetektiv Haider. Dass es sich um islamische Fundamentalisten handelte, die da tausende Menschen in den Tod rissen, das kam Haider nicht in den Sinn.

Ein paar Monate später, Mitte Februar, drückte Haider jenem Mann die Hand, auf den die USA derzeit wohl ganz besonders sauer sind: Saddam Hussein, irakischer Diktator und Teil der vom US-Präsidenten George W. Bush identifizierten »Achse des Bösen«. Er war der Gastgeber Jörg Haiders in Bagdad. Die daraufhin folgende Meldung im irakischen Staatsfernsehen, das den global eher unbedeutenden Haider als großen westlichen Staatsmann feierte, und natürlich die Berichterstattung im heimatlichen Österreich ergaben wieder einmal eine gewaltige PR.

Unangenehm berührt waren die österreichischen Medien allerdings von Haiders Versicherung, er überbringe »die besten Grüße des österreichischen Volkes«. Der Vorsitzende der Grünen, Alexander Van der Bellen, bezeichnete daraufhin Haiders Vorgehen als »vollkommen jenseitig«. Haider dachte bei seinem Geplauder mit Saddam Hussein auch an eine Allianz zwischen seiner nationalen Freiheitlichen Partei (FPÖ) und Husseins Baath-Partei.

Für Erstaunen und Schmunzeln sorgte auch das vielleicht gezielt gestreute Gerücht vom anstehenden Übertritt des Katholiken Haider zum Islam. Muammar Gaddafis Sohn Saif, ein enger Freund Haiders, ging mit der Nachricht hausieren, Haider würde gerne Moslem werden. Offenbar hatte der kleine Gadaffi großen Erfolg mit seiner Story: Die stets am Schicksal prominenter Persönlichkeiten interessierte Bild druckte das Gerücht vom Religionsübertritt ab.

Würde es sich nicht um Jörg Haider handeln, müsste man lediglich blinden Aktionismus und temporäre Systemfehler diagnostizieren. Der österreichische Rechtspopulist aber will mit seinen Kontakten in den arabischen Raum gezielt alte Traditionen der europäischen Rechten wiederbeleben und seine seltsamen politischen Werte in die weite Welt exportieren.

Auch den Auftritt bei Al-Jazeera nutzte Haider zur messerscharfen Diagnose der geopolitischen Gemengelage. So machte er klar, auf welcher Seite er im Nahost-Konflikt steht. Auf die Frage eines Reporters, ob er, Haider, denn auch nach Israel reisen würde, antwortete er: »Es besteht kein Interesse meinerseits, ich habe meine Freunde im arabischen Raum.« Sharon, so Haider, sei wegen der Ereignisse im palästinensischen Flüchtlingslager Jenin, das von der israelischen Armee eingeebnet worden war, ein »Kriegsverbrecher«, und die Politik Israels sei »menschenrechtswidrig«.

Solche eindeutigen Statements werden natürlich gern gehört zwischen Casablanca und Bagdad, und Haider trifft mit derartigen Aussagen den Nerv des Publikums von Al-Jazeera. Der österreichische Politologe Anton Pelinka formulierte es gegenüber dem Nachrichtenmagazin Format so: »Haider ist für die arabische Elite eine wirksame Provokation dessen, was sie für die zionistisch-amerikanische Macht halten«.

Kein Medium wäre für einen solchen Coup geeigneter als Al-Jazeera (»Die Insel«), kein Format passender als die Interview-Sendung »Bila Hudud« (»Offene Grenzen«). Arabische Journalisten sind sich in der Einschätzung des Einflusses, den der Sender hat, einig: »Wer 90 Minuten lang über die Bildschirme von 100 Millionen Zuschauern flimmert, ist im arabischen Raum bekannt wie ein bunter Hund.«

Vor seinem Auftritt war Haider im nahen und mittleren Osten nur bedingt bekannt. Immerhin aber erklärte der Moderator Ahmad Mansour, dass Haider »der einzige österreichische Politiker ist, den ich kenne«. Das TV-Gespräch ermöglichte Haider, seine Sicht der Dinge sowohl dem arabischen als auch dem österreichischen Publikum nahe zu bringen.

Österreich unterhielt zwar immer gute Beziehungen zu den Regimes des nahen und mittleren Ostens, hatte sich aber schon vor dem 11. September eher zurückgehalten, diese Kontakte auch in der Öffentlichkeit zu vermarkten. Allein Jörg Haider und einige ihm nachgeordnete Chargen in der Freiheitlichen Partei beförderten die arabischen Freunde von den Hinterzimmern in die politischen Salons.

Die Bedeutung der Umarmungen, die mit Diktatoren wie Saddam Hussein oder auch Muammar Gaddafi ausgetauscht werden, den Haider schon vor zwei Jahren besucht hatte, kennt auch der Al-Jazeera-Journalist Mansour: »Die Bagdad-Reise Haiders hatte für uns Symbolcharakter. Das hätte sich kein anderer europäischer Politiker getraut«.

Wichtig für Haider ist es natürlich auch, dass es gerade jetzt so herrlich politisch unkorrekt ist, Saddam Hussein zu besuchen, was das schon geschwundene Protestimage der in der Regierungsverantwortung stehenden Freiheitlichen wiederbeleben könnte.

Dass Haider ein wichtiger Mann in seinem Tal ist, wurde den Al-Jazeera-Zuschauern durch ein inszenatorisches Detail verdeutlicht. Aus einem Tierpark ließ sich Haider extra einen Falken kommen, den er hinter sich auf einer Stange Platz nehmen ließ. Haider weiß, dass Falken in der arabischen Welt ein »ungemein positiv besetztes Symbol« sind. So macht ihn sein Auftritt in den Augen seiner Bewunderer zu einer Art neuzeitlicher Version von Lawrence von Arabien. Anderen freilich gilt sein Interview als der letzte Beweis dafür, dass, wie eine österreichische Tageszeitung es formulierte, »Haider einen schönen Vogel hat«.