George W. Bush in Berlin

Besuch in der Zone

Der rote Teppich ist ausgerollt. Der US-Präsident George W. Bush besucht für 24 Stunden Berlin.

President Evil« ist im Anflug. Das Aktionsbündnis »Achse des Friedens« hat mit 130 Gruppen der Friedensbewegung sowie Globalisierungsgegnern, Menschenrechtsgruppen und der PDS zum Protest gegen George W. Bushs Politik aufgerufen. Zu den Großdemonstrationen erwartet die wiederbelebte Friedensbewegung Teilnehmer aus 30 bis 40 deutschen Städten und aus den Nachbarländern. 10 000 Polizisten aus verschiedenen Teilen der Republik werden im Einsatz sein. Das Spektrum der potenziellen Demonstranten reicht von Autonomen bis zu deutschen Nationalisten wie der rechtsextremen NPD, die ebenfalls zur Teilnahme an der Hauptkundgebung aufrief. Die Boulevardpresse redete ein »zweites Genua« in der deutschen Hauptstadt herbei.

Gleichzeitig verschärfte sich auch bei den Grünen der Ton, mit dem sie die US-Regierung kritisierten. Die Bundespartei, die trotz ihres renitenten Quotenlinken Christian Ströbele und der Berliner Landesfraktion, die sich partout den »Mund nicht verbieten lassen« wollte (Sybill Klotz), offiziell nicht an der Großdemo teilnehmen will, machte ihrem staatsmännischen Zugpferd Joseph Fischer zuletzt größere Sorgen. Vor allem in der Rüstungs-, Klimaschutz-, Menschenrechts- und Irakpolitik würden die USA ihrer »besonderen Verantwortung« für die Welt nicht mehr gerecht, hieß es. Die Tendenz zu US-amerikanischen Alleingängen werde stärker, die Glaubwürdigkeit des Kampfes gegen den Terrorismus sei fragwürdig.

Zuletzt rügte Landwirtschaftsministerin Renate Künast die USA wegen ihrer »rücksichtslosen« Agrarpolitik gegenüber den Entwicklungsländern. Damit schlossen sich die Grünen dem Tenor der Globalisierungskritik an, wie sie etwa auch die Antiglobalisierungsorganisation Attac vor dem Bush-Besuch in ihren Demonstrationsaufrufen äußerte.

Doch damit nicht genug. Die Partei, deren Regierungsfraktion gegen weltweite deutsche Kampfeinsätze schon seit Jahren nichts mehr einzuwenden hat, monierte weiterhin, dass die militärischen Mittel gegenüber politischen Lösungsansätzen bei den USA »in einem gefährlichen Maß überwiegen«. Diejenigen, die sich längst als federführende Lobbyisten eines militärisch selbstbewusst auftretenden Deutschlands in der Regierung profiliert haben, entdecken ihre pazifistische Ader, sobald es um die US-Außenpolitik geht. Das dürfte selbst den letzten linken Hobbyanalytiker skeptisch machen.

Während sich die Berliner SPD mit ihrem regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit, einem »außergewöhnlich kaltblütigen Machtpolitiker« mit einem »halbasiatischen Politikstil« (FAZ), brav bemühte, jeden Eindruck von Antiamerikanismus zu vermeiden, machte die PDS als mitregierende Koalitionspartei Front gegen den hohen Besuch. Die stellvertretende PDS-Vorsitzende Petra Pau erklärte, es sei das »gute Recht« der Partei und ein »demokratisches Gebot«, die Demonstration zu unterstützen. Es sei aber falsch, Friedenspolitik mit Antiamerikanismus gleichzusetzen.

Unter dem Druck von Wowereit änderten zumindest die PDS-Senatoren Gregor Gysi und Thomas Flierl recht schnell ihre Meinung. Bereits am Freitag kam es zum »Kotau einer neuen Regierungspartei vor der Staatsräson« (taz). PDS und SPD legten einen Willkommensgruß für US-Präsident Bush im Abgeordnetenhaus zur Abstimmung vor. Man würdige »die besonderen Beziehungen Berlins zu den Vereinigten Staaten« und bekenne »sich zur Freundschaft«, hieß es in der Resolution.

Einerseits büßerhafte Verneigungen vor Amerika, andererseits die trotzige Demonstrationsteilnahme vieler Parteimitglieder, das rief die Kritiker auf den Plan. »Scheinheilig und unglaubwürdig« sei das, sagte der Fraktionsvorsitzende der CDU, Frank Steffel, und sprach von einem Spagat zwischen Regierungsverantwortung und alter DDR-Ideologie der PDS.

Während Bushs 24stündigem Berlin-Aufenthalt herrscht in der Hauptstadt »Sicherheitsstufe 1-plus«: Zwischen dem Kanzleramt, dem Schloss Bellevue und dem Hotel Adlon, wo Bush residiert, ist eine rote, für Normalbürger nur mit Sonderpapieren betretbare Zone eingerichtet. Zwar gab es Gerüchte, nach denen Bush sich nicht auf die deutsche Polizei verlassen wollte. Doch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat inzwischen klargestellt: »Für die Sicherheit des Präsidenten sind allein deutsche Behörden zuständig.« Er rechnet mit Krawallen und will auf Gewalt »mit aller Härte« reagieren: »Absolute Sicherheit hat Vorrang. An brennenden Autos wird die Polizei nicht vorbeigehen.«

»Die Sicherheitsbehörden fürchten nicht allein die Exzesse der Kreuzberger Szene, die alle Jahre wieder Autos anzündet, Geschäfte plündert und Polizisten angreift - wobei schon als Erfolg gewertet wird, wenn 'nur' etwa 100 Polizisten Verletzungen erleiden«, rechnete die FAZ unter Verweis auf ein angeblich aus ganz Europa anreisendes Chaotenpotenzial vor. Es gebe außerdem »jene Leute, die dem amerikanischen Präsidenten unmittelbar nach dem Leben trachten: Nach dem 11. September und der amerikanischen Antwort darauf ist Bush das wichtigste Hassobjekt islamistischer Terroristen, mehr noch als Sharon«.

Das Bekennerschreiben einer »autonomen Gruppe« zu dem versuchten Brandanschlag auf eine Filiale der US-Kette WalMart in Berlin-Neukölln dürfte noch dazu beitragen, die deutschen Behörden auf einen harten Kurs einzuschwören.

Und droht nicht auch von jenen Polizeikohorten, die Hamburgs Innensenator Ronald Schill nach Berlin schicken wollte, eine ungebremste Gewaltorgie? Aus dem Pressereferat des Berliner Innensenats waren am Freitag abermals beruhigende Töne zu vernehmen. Das Deeskalationskonzept habe am 1. Mai seine Tauglichkeit bewiesen, wurde da beschwichtigt, und eine solche Strategie würde auch für den Besuch eines hochrangigen Gastes wie Bush nicht aufgegeben. Von keinem der angemeldeten »friedlichen Demonstrationsbündnisse« seien Ausschreitungen zu erwarten. Man müsse allerdings mit gewaltbereiten »Trittbrettfahrern« und dezentralen Aktionen rechnen. Darauf sei man vorbereitet.

Dass es während Bushs Aufenthalt dennoch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kommen könnte, darüber dürfen auch solche »deeskalierenden« Verlautbarungen nicht hinwegtäuschen. Denn egal, wie friedlich sich die Demonstranten verhalten werden, sie können leicht mit den Sicherheitskräften einer Anti-Terror-Koalition kollidieren, die das gesamte Regierungsviertel und die halbe Innenstadt in eine Security-Zone verwandeln wird.