Das südafrikanische Fußballteam vor seiner zweiten WM-Teilnahme

Das falsche Gras geraucht

Erst zum zweiten Mal nimmt Südafrika an der Endrunde der Fußball-WM teil. Der Druck ist groß.

Die südafrikanische Fußballgeschichte ist ziemlich kurz. Erst 1992, mit dem offiziellen Ende der Apartheid, wurden wieder internationale Spiele ausgetragen. Zuvor war die Fifa, wie fast alle anderen internationalen Sportverbände, darum bemüht, Südafrika sportlich zu isolieren.

Am 31. Mai 1961 hatte sich Südafrika aus dem britischen Empire gelöst und zur unabhängigen Republik erklärt. Die Apartheid, die Unterdrückung von »blacks and coloureds« durch »whites«, wurde zur Staatsdoktrin erhoben, die auch im Sport galt. Nur die »weißen« Sportarten Rugby und Kricket wurden öffentlich beachtet, während Fußball höchstens in den schwarzen Townships gespielt und auch nur dort wahrgenommen wurde.

Nach dem folgenden Rausschmiss aus dem Commonwealth im Jahre 1962 fanden internationale Begegnungen kaum noch statt. Schon an den olympischen Spielen 1964 in Tokio durfte kein Sportler mit südafrikanischem Pass mehr teilnehmen.

Anfang der siebziger Jahre war Südafrika fast gänzlich isoliert. Als sich Neuseeland 1975 weigerte, seine Rugby-Länderspiele gegen Südafrika abzusagen, wurde das Land in der ganzen Welt aufgefordert, freiwillig auf eine Teilnahme an den kommenden olympischen Spielen zu verzichten. Auf weitere Konsequenzen wurde vorerst verzichtet. Als Neuseeland auf einem Start beharrte, boykottierten alle afrikanischen Staaten die Olympiade von Montreal.

Daraufhin fand in den folgenden 16 Jahren kein internationales Kräftemessen mit südafrikanischer Beteiligung mehr statt. Nicht wenige Südafrikaner fühlten sich benachteiligt und waren sicher, dass ihr Land eine führende Rolle im Sportgeschehen spielen würde, wenn es nicht isoliert wäre. Nach dem Ende der Apartheid Mitte der neunziger Jahre - südafrikanische Teams waren wieder in allen Sportarten zugelassen - schien sich dies zunächst auch zu bewahrheiten. Sowohl im Rugby wie auch im Kricket gehörte man nun zur jeweiligen Weltspitze, gleichzeitig konnten in einigen olympischen Sportarten wie beim Schwimmen und in der Leichtathletik Achtungserfolge verzeichnet werden.

Auch der Fußball wurde, obwohl er weiterhin fast nur in den von Schwarzen bewohnten Vororten der Städte gespielt wurde, immer populärer und mit der Zeit zur beliebtesten Sportart des Landes. Zwar wird er immer noch als eine »schwarze« Sportart wahrgenommen, doch die Zeitungen berichten mittlerweile seitenlang über die Erste Liga.

Besonders, wenn die beiden Erzrivalen Kaizer Chiefs und Orlando Pirates aufeinander treffen; beide sind aus Soweto, also dem Township, das 1976 durch den Aufstand der schwarzen Bevölkerung gegen das Apartheidsregime bekannt wurde. Denn bei dem Treffen der beiden ewigen Meisterschaftskonkurrenten handelt es sich um »das heißeste und wichtigste Derby Afrikas«, wie die Zeitungen schreiben.

Um den Südafrikanern zu zeigen, dass sie wieder ein Teil der internationalen »Sportlerfamilie« sind, wurden in den neunziger Jahren viele sportliche Großereignisse nach Südafrika vergeben. So auch die Afrika-Meisterschaft im Fußball 1996, bei der die »Bafana Bafana« (so der Spitzname des südafrikanischen Teams) ihre immer zahlreicher werdenden Fans begeisterte. Nach dem 2:1-Finalsieg über Tunesien träumten viele Fans vom baldigen Gewinn der Weltmeisterschaft.

Umso größer war dann die Enttäuschung, als das Team schon nach der Vorrunde bei der WM 1998 gegen Frankreich, Dänemark und Saudi-Arabien wieder abreisen musste. Besonders das Unentschieden gegen die zweitklassigen Saudi-Arabier wurde als Schmach empfunden.

Doch auch nach dem Rücktritt einiger Altstars wie Doctor Khumalo und der Berufung jüngerer Spieler ins Team wollte kein weiterer Triumph mehr gelingen. Zwar glückte die Qualifikation für die aktuelle Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea, die Qualifikationsgruppe mit Zimbabwe, Burkina Faso und Malawi war jedoch die mit Abstand leichteste in Afrika.

Auch bei den Afrika-Meisterschaften war man wenig erfolgreich. Während vor zwei Jahren erst im Halbfinale gegen Ägypten Schluss war, wurde im Februar dieses Jahres ausgerechnet der Gastgeber Mali zum Stolperstein, normalerweise kein ernst zu nehmender Gegner für die Südafrikaner.

Eine Konsequenz daraus war, wie so oft im Fußball, die Entmachtung des Trainers. Dem Coach Carlos Queiroz wurde das südafrikanische Fußballidol Jomo Sono vor die Nase gesetzt. Zwar sollte der als Taktiker bekannte Queiroz weiterhin offiziell Trainer bleiben, doch für die Aufstellung des Teams und die Nominierung des Nationalkaders sollte nunmehr Sono zuständig sein. Kurz darauf trat der Portugiese Queiroz zurück, sehr zum Ärger der Fans, die nicht im Trainer den Schuldigen sahen, sondern die Spieler für die schlechten Leistungen verantwortlich machten.

Folgerichtig ist der ehemals gefeierte Sono zurzeit sehr umstritten, jede seiner Amtshandlungen wird von den Anhängern des Teams genau überwacht. Besonders seine Maßnahme, fast alle europäischen Legionäre aus dem Kader für das Testspiel gegen den WM-Teilnehmer Ecuador zu streichen, sorgte für Aufregung. Nicht berücksichtigt wurden die Stars Benni McCarthy vom FC Porto und Quinton Fortune von Manchester United.

McCarthys Kickerkarriere ist dabei fast symptomatisch für den Aufstieg und Fall des Nationalteams. Mitte der neunziger Jahre noch als neuer Superstar gefeiert, wechselte der Stürmer, der aus der Talentschule von Ajax Amsterdam stammt, nach Spanien zu Celta Vigo. Doch dort konnte er sich nicht etablieren, und auch im Nationalteam wurden seine Leistungen immer schlechter. Erst als er in der Winterpause dieser Saison an den FC Porto ausgeliehen wurde, fand er zu alter Stärke zurück. Mittlerweile wird er vom britischen Club Middlesborough umworben, der gut 20 Millionen Euro für den Torjäger bietet.

Besonders in Internet-Foren wie safootball.co. za und sport.iafrica.com gibt es viele Diskussionen über den richtigen Umgang mit dem Team und seinen Stars. Wie in allen anderen Ländern gilt schließlich auch in Südafrika, dass fast jeder Fußballfan ein besserer Nationaltrainer wäre als es der aktuelle Coach je sein könnte.

Streng sachlich laufen die Diskussionen nicht immer ab, die obligatorische Frage an das Gegenüber, ob es denn vielleicht das falsche Gras geraucht habe, fehlt so gut wie nie. Die Wendung entspricht in etwa der deutschen Frage »Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank?«

Und nicht wenige fragen sich mittlerweile, ob dies vielleicht auch für die Nationalspieler und ihren Trainer zutreffen könnte. Folglich gründeten sie eine Initiative, die von der Safa (South African Football Association) fordert, das Team von der Weltmeisterschaft zurückzuziehen, um nach 1998 ein weiteres Aus in der Vorrunde zu vermeiden.

Dabei stehen die Chancen für das Team gar nicht so schlecht. Die Kicker haben es in der Vorrundengruppe B mit Spanien, Paraguay und Slowenien zu tun. Gegen den ewigen Geheimfavoriten Spanien wird es wohl eine Niederlage geben, doch gegen die anderen beiden Gegner sieht es nicht schlecht aus. Immerhin muss Paraguay auf seinen wichtigsten Spieler, den Torwart Chilavert, verzichten, der gegen Südafrika gesperrt ist. Und Slowenien dürfte, wie schon bei der EM 2000, ein Außenseiter sein. Vielleicht stellt sich ja am Ende heraus, dass diesmal doch das richtige Gras geraucht wurde.