Krise des Buchhandels

Schlecht aufgelegt

Die Buchhandelsketten tragen nicht allein die Schuld an der Branchenkrise. Der Konkurrenzdruck ist hoch und die Berliner lesen weniger.

Dem Buchhandel geht es schlecht. Der Buchreport, ein Buchhandelsfachblatt, meldet, dass »die Stimmung in der Branche« eisig sei. »Vertreter werden ausgeladen, Boykotte ins Leben gerufen, ganze Programme nicht mehr eingekauft. Die Kleinen schimpfen auf die Großen, der Club (gemeint ist der Bertelsmann-Club, J.S.) ist sauer auf Weltbild, der Handel auf den Club und alle sind sauer auf Amazon«, beschreibt Wolfgang Stock vom BuchMarkt die Lage. Und selbst das sonst stets so zurückhaltende Börsenblatt zeigt sich erschüttert. Denn der Buchhandel befindet sich zur Zeit in der größten Krise seit Jahrzehnten.

Eine Reaktion darauf - weil die Branche wegen der Buchpreisbindung nicht mit Sonderangeboten locken kann - sind die hohen Preise für Taschenbücher. Sie kosten immer mehr und gleichen sich preislich den Hardcoverbüchern an. War 1995 ein Paperback-Roman im Schnitt noch fast 60 Prozent billiger als das Hardcover, sind es in diesem Jahr nur noch 51,5 Prozent. Bei den Sachbüchern ist das Verhältnis sogar noch schlechter.

Und die Preise steigen weiter, was weniger am Euro liegt als vielmehr am Papier, das immer teurer geworden ist, und daran, dass die Branche immer mehr Geld für Lizenzen ausgeben muss. Vor allem aber leiden alle Verlage unter dem extremen Konkurrenzdruck.

Wie stets, wenn es in Deutschland kriselt, ist besonders Berlin betroffen. Der Buchreport macht in Berlin sogar das »Zentrum der Buchhandelskrise« aus. So ist beispielsweise die Buchhandlung Kiepert, die vor der Wiedervereinigung in Berlin der »Platzhirsch« (Buchreport) war und hier neun Filialen betreibt, erstmals in die Situation geraten, der Belegschaft die Löhne nicht mehr in voller Höhe auszahlen zu können. Zudem wird Kiepert demnächst so genannte »betriebsbedingte Kündigungen« aussprechen. Auch der Branchenriese Hugendubel lässt in seinen Berliner Filialen kurzarbeiten. Im vergangenen Jahr mussten in Berlin 29 Buchhandlungen schließen, darunter einige mit einer sehr langen Tradition, in diesem Jahr sind es bereits elf.

Gerd Gerlach, der Geschäftsführer der Buchhandlung Starick in Mitte, berichtet, dass sich für kleinere Buchhandlungen diese Krise schon seit ungefähr fünf Jahren abzeichnet, »seit die Großen auf den Berliner Markt drängten«. »Für uns ist das inzwischen zum Alltag geworden. Wir können mit der Konkurrenz leben, allerdings mehr schlecht als recht.«

Er befürchtet jedoch, dass sich die Situation in den kommenden Monaten drastisch zuspitzen wird. Lediglich einige der Fachbuchhandlungen, die mit ausgebildetem Personal arbeiten und sich um ein gut sortiertes Sortiment bemühten, hätten Chancen, diese Krise auf Dauer durchzustehen. »Es werden wohl mehrere kleinere Buchhandlungen in organisatorischen Fragen zusammenarbeiten müssen, so wie wir das in einzelnen Fällen auch jetzt schon tun.«

Auch Rainer Wendling, der in der Buchhandlung Schwarze Risse in Kreuzberg arbeitet, die sich als eine der wenigen linken Buchhandlungen sogar seit kurzem eine Filiale leistet (in Prenzlauer Berg), ist alles andere als optimistisch: »Die Szene ist, anders als noch vor wenigen Jahren, nicht mehr so auf die linken Buchhandlungen und Verlage fixiert. Viele Leute aus dem universitären Milieu oder aus der Theorieszene gehen inzwischen auch ohne weiteres zu den großen Kaufhäusern oder bestellen gleich bei Amazon. Da aber die linken Buchhandlungen nicht wie die Großen über Reserven verfügen, kann in einer solchen Situation eine Mieterhöhung bereits das Ende bedeuten.«

Die Branche versucht mit diversen Literaturfesten, etwa dem »Literatursommer«, dem »Bücherfest« oder den »Linken Buchtagen« in der Krise zu bestehen. Manche Buchhandlungen hoffen auch, so berichten Insider, auf den neuen Roman von Martin Walser, der ähnlich wie die Novelle »Im Krebsgang« von Günter Grass verspricht, ein großer Verkaufserfolg zu werden.

Die Buchhandelskrise in Berlin ist zum Teil eine von der Branche selbst verschuldete. Zwar scheiterten die ersten Versuche von Großbuchhandlungen, sich nach dem Mauerfall in Berlin zu etablieren, und Fnac, Virgin und Herder mussten ihre Häuser schon bald wieder schließen.

Andererseits aber konnte sich das »Kulturkaufhaus« Dussmann erfolgreich in der Friedrichstraße etablieren und der Thalia-Konzern eröffnet permanent Filialen in den neu entstehenden Shopping-Malls. Auch die Wohlthat-Kette, die zwar mancherorts Buchhandlungen schließen musste, eröffnet demnächst drei neue Niederlassungen und Hugendubel lässt sich trotz der Kurzarbeit nicht davon abbringen, weiter zu expandieren.

In den vier Jahren seit 1997 ist die Verkaufsfläche der Buchhandlungen in Berlin um mehr als die Hälfte gewachsen. Zur Zeit gibt es in der Stadt 330 Buchhandlungen, deren Mehrheit der zunehmenden Konkurrenz durch die Großbuchhandlungen nicht mehr standhalten kann. Vor allem kleinere Buchhandlungen leiden unter den Veränderungen und Konzernbildungen, die im Buchhandel in den letzten zehn Jahren in einem nie gekannten Ausmaß stattgefunden haben.

Allerdings machen den kleinen Buchhandlungen nicht nur die Buchhandelsketten Sorgen. So berichtet Gerd Gerlach, dass sich in seinem Geschäft in letzter Zeit eine »größere Kaufunwilligkeit« abgezeichnet habe, und dass er jetzt sein Sortiment stärker auf Taschenbücher umgestellt habe. Die größten Einschnitte gebe es im Bereich »Politisches Buch«. »Wo wir vor vier bis fünf Jahren noch einen ziemlichen Schwerpunkt hatten, erzielen wir jetzt gerade mal ein Viertel des damaligen Umsatzes. Das ist schon sehr bemerkenswert.«

Rainer Wendling bestätigt, dass gerade der Teil der Kundschaft, der sich für politische Bücher interessiere, immer kleiner werde. Zwar seien immer noch viele Studentinnen und Studenten unter der Kundschaft »und auch andere junge Leute«, die kaufkräftigere Kundschaft jedoch, die feste Jobs und entsprechend mehr Geld besitze, »bleibt aber in letzter Zeit immer öfter aus«.

Unter solchen Bedingungen leiden auch die linken Verlage. Der Espresso Verlag, früher Elefanten Press, schließt in diesem Jahr nach 25 Jahren. Andere linke Verlage wissen nicht, ob es sie im nächsten Jahr noch geben wird. Wendling, der zugleich Mitbetreiber des Verlages Assoziation A ist, sieht ein grundsätzliches Problem bei der Linken selbst: »Früher hatten Verlage, die sich mit politischer Theorie und Praxis beschäftigen, noch einen ganz anderen Zuspruch. Vor einem Jahrzehnt waren die Auflagen für politische Bücher ungefähr doppelt so hoch wie heute. Das liegt vielleicht daran, dass heute viele von den inzwischen zum Teil sehr hohen Bücherpreisen abgeschreckt werden und dass viele glauben, ihre Informationen nun genauso gut im Internet finden zu können. Auch fehlt vielen inzwischen ganz einfach die Zeit für anspruchsvolle Lektüre und die Szene hat sich deutlich verkleinert. Aber vor allem zeichnet sich ab, dass Theorie und theoretische Diskussionen für viele Linke nicht mehr so interessant sind.«