Rechtsextreme ohne Wahlerfolge

Alexanders Erben

Gegen den europäischen Trend haben rechtsextremistische Parteien in Griechenland wenig Chancen. Ihre Themen sind bei den großen Parteien bestens aufgehoben.

Wenn schon die Behörden nichts mehr unternehmen, um die griechische Staatsdoktrin gegen Mazedonien durchzusetzen, müssen die militanten Nationalisten eben selbst Hand anlegen. So geschehen Ende Mai in Thessaloniki, wo am hellichten Tag etwa 200 Nationalisten zum internationalen Teil der Buchmesse zogen und alle Bücher von den Tischen rissen, die das verhasste Wort »Mazedonien« im Titel führten. Für die Nationalisten liegt das »wahre Mazedonien« schließlich in Griechenland. Jahrelang hatte sich deshalb die Regierung in Athen geweigert, die ehemalige jugoslawische Teilrepublik überhaupt anzuerkennen.

An dem Angriff war auch der bekannte Nationalist Kyriakos Velopoulos beteiligt, der seit Jahren in lokalen Fernsehstationen im Norden des Landes zur Abwehr der »Feinde des Griechentums« - Türken, Juden und Linke - aufruft. »Griechenland verblutet«, heißt seine dreibändige Schrift, die zusammen mit anderer antisemitischer und nationalistischer Literatur in zahlreichen Buchhandlungen erhältlich ist.

Die Faschisten wollen jedoch nicht nur mit gewaltsamen Aktionen auf sich aufmerksam machen. Velopoulos kündigte bei einer Feier, die traditionell am letzten Tag der Buchmesse anlässlich des Geburtstags Alexanders des Großen stattfindet, seine Kandidatur für die Kommunalwahlen im Oktober in Thessaloniki an. Und er ist nicht der Einzige aus dem rechtsextremen Spektrum, der sich zur Wahl stellt.

Die Partei Griechische Front hat, aufgemuntert durch das öffentliche Händeschütteln ihres Vorsitzenden Makis Voridis mit dem französischen Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen, schon vor einigen Wochen ihre Kandidaten in den vier größten Städten des Landes präsentiert.

An der antimazedonischen Aktion beteiligt war auch Giorgos Karatzaferis (Jungle World, 27/00). Der Rechtsextremist war vor zwei Jahren aus der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia ausgetreten und hatte im vergangenen November die Partei Orthodoxer Volksalarm gegründet. Mit Hilfe eines eigenen Fernsehsenders und einer Wochenzeitung versucht er, durch rassistische und antisemitische Hetze die rechte Wählerschaft für sich zu gewinnen und zugleich eine Führungsposition im rechtsextremen Spektrum zu erlangen.

So lässt Karatzaferis in seinem Sender die militante Gruppe Chrisi Avgi (Goldenes Morgengrauen) sowie den Propagandisten der Militärdiktatur und Gründer der faschistischen Partei Erste Linie, Kostas Plevris, ausführlich zu Wort kommen.

Die Rechtsextremen stoßen bei ihren öffentlichen Auftritten allerdings auch häufig auf den entschiedenen Widerstand von Antifaschisten. Am 20. April - ein für griechische Faschisten bedeutendes Datum, an dem der Geburtstag Adolf Hitlers und der Jahrestag des Militärputsches von 1967 zusammenfallen - wurde ihre Kundgebung in Thessaloniki von rund hundert Anarchisten angegriffen. Eine Woche darauf verhinderte ein breites Bündnis eine in Athen geplante Veranstaltung zum Militärputsch. Am 8. Juni schließlich besetzten Anarchisten und Linke in der Hauptstadt die Statue Alexanders des Großen und vereitelten eine nationalistische Kundgebung, die anschließend unter großem Polizeischutz an einem anderen Ort stattfinden musste.

Gemeinsam ist den rechtsextremistischen Organisationen, dass sie gegen Einwanderer, insbesondere gegen Albaner, hetzen und eine aggressive Außenpolitik gegenüber Mazedonien und der Türkei fordern. Zudem glauben sie, dass der Drogenkonsum und die Homosexualität die griechische Jugend verderbe. Hinter allem Übel vermuten sie stets denselben Feind: das »internationale Judentum«. Folglich organisierten die militanten Faschisten von Chrisi Avgi vor zwei Monaten eine Solidaritätsdemonstration für Palästina. Sie sprachen aus, was die Mehrheit der Bevölkerung denkt.

Während früher die Serben, dann die Kurden als die Verbündeten des »griechischen Volkes« galten, sind es heute die Palästinenser. Dabei übersieht die nationale Solidarität gerne die Brutalitäten der »verbrüderten Völker«. So heißt es in der Zeitung von Chrisi Avgi: »Die Situation in Palästina und der Aufstand der arabischen und westlichen Völker gegen den jüdischen Tyrannen zwingen auch die linken ðDemokratenÐ des Westens einzusehen, was Judentum bedeutet.«

In derselben Ausgabe finden sich Bilder von Solidaritätsdemonstrationen der NPD für Palästina. Die deutschen Kameraden gelten als Vorbilder, über die Zeitung von Chrisi Avgi kann man auch SS-Material beziehen. Ihre Analyse des israelisch-palästinensischen Konflikts unterscheidet sich nur geringfügig von der Wahrnehmung der griechischen Linken, sie ist bloß anders formuliert.

Mit ihrer Verehrung des Nationalsozialismus ist diese Gruppe jedoch innerhalb des rechtsextremen Spektrums weitgehend isoliert. Andere Nationalisten wollen nicht vergessen, wie viel Leid die Besetzung Griechenlands durch die deutsche Wehrmacht verursacht hat.

Dies ist nur einer der vielen Widersprüche innerhalb der rechtsextremen Szene. So zeige der nationalistische Fernsehsender von Velopoulos in seinem Nachtprogramm Pornofilme, während er gleichzeitig gegen den »Sittenverfall« wettere, spottet etwa die Journalistengruppe Ios in der Tageszeitung Eleftherotypia.

In der griechischen Gesellschaft wächst die rassistische und nationalistische Stimmung. Einer Umfrage des Eurobarometers vom Juni zufolge glauben 44 Prozent aller jungen Griechen, dass im Land zu viele Ausländer leben. Jeder vierte fordert sogar die sofortige Abschiebung aller Ausländer. Damit stehen die griechischen Jugendlichen an der Spitze der europäischen Ausländerfeindlichkeit. Allerdings konnte bislang keine der rechtsextremen Gruppierungen diese Stimmung in Wahlerfolge umwandeln.

Eine schlüssige Erklärung für dieses Paradox lieferte jüngst ausgerechnet Jean-Marie Le Pen. In einem Interview in Eleftherotypia erklärte er auf die Frage, warum es in Griechenland keine Partei wie den Front National gebe, dass in dem Land »alle Parteien, einschließlich der Sozialisten, sehr nationalistisch orientiert« seien. Diese Situation mache es einer rechten Partei sehr schwer, sich zu profilieren. Eine ebenso treffende wie traurige Analyse.