Bush-Rede zum Nahostkonflikt

Die Qual der Wahl

George W. Bush ließ die Weltöffentlichkeit warten, doch am Montag vergangener Woche war es so weit. Er hielt seine programmatische Rede zum Nahostkonflikt. »Ich fordere das palästinensiche Volk auf, neue Führer zu wählen, Führer, die nicht durch den Terror kompromittiert sind«, erklärte Bush.

Er hatte sich lange gegen die Forderung des israelischen Premierministers Ariel Sharon gesträubt, nicht mehr mit Yassir Arafat und der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) zu verhandeln. Den Ausschlag für den Kurswechsel dürfte vor allem die Anschlagserie in der Vorwoche gegeben haben. Bush knüpft nun die Unterstützung für einen palästinensischen Staat an erfolgreiche demokratische Reformen und die Wahl einer gemäßigteren Führung.

Implizit entlegitimert die Forderung nach Demokratisierung die mit den USA verbündeten arabischen Diktaturen, in denen ebenfalls, wie Bush es bezüglich der PA beklagt, »die Macht in den Händen nicht rechenschaftspflichtiger Weniger konzentriert ist«. Dies wäre eine erfreuliche, wenn auch um einige Jahrzehnte zu spät kommende Kehrtwende. Bushs Forderungen beziehen sich jedoch ausschließlich auf die PA, er vertraut sogar auf die Hilfe der arabischen Diktaturen bei der Demokratisierung in den palästinensischen Gebieten. »Der Mangel an Konsequenz und der Mangel an Ehrlichkeit in der Behandlung demokratischer Forderungen lassen allgemeine Zweifel an den amerikanischen Zielen aufkommen«, kommentierte der ägyptische Soziologe Saad Eddin Ibrahim, der derzeit auf seine Berufungsverhandlung wegen Gefährdung der Staatssicherheit wartet.

Zweifel an den Zielen der US-Politik werden aber nicht nur bei der schmalen Schicht demokratischer Oppositioneller in der arabischen Welt aufkommen. Auch die israelische Regierung, die zunächst positiv auf die Abwendung Bushs von Arafat reagierte, dürfte sich über die zukünftigen Absichten der US-Regierung Gedanken machen.

Denn Bushs Forderung nach der Ablösung Arafats wird dem PA-Vorsitzenden sogar nützen. Trotz aller Kritik an Korruption, Misswirtschaft und Repression der PA gilt Arafat weiter als Symbol des palästinensischen Nationalismus. Potenzielle Gegenkandidaten wie der Politologe Abdel Sattar Qassem oder Marwan Barghouti, der Führer der Fatah-Miliz Tanzim, sind keineswegs kompromissbereiter gegenüber Israel. Die Islamisten haben angekündigt, die Wahlen als Ergebnis eines israelisch-amerikanischen Diktats zu boykottieren. Sollten sie ihre Meinung ändern, wäre ihnen eine starke Vertretung im palästinensischen Parlament sicher.

Den Experten der US-Regierung ist das Kräfteverhältnis in der palästinensischen Politik zweifellos bekannt. Dennoch hat Bush sich darauf festgelegt, nicht mehr mit Arafat zu verhandeln, selbst wenn dieser aus den für Januar 2003 angesetzten Wahlen mit einer demokratischen Legitimation hervorgehen sollte. Ihre bislang erfolglosen Vermittlungsbemühungen lassen die USA als Papiertiger dastehen. Der palästinensischen Gesellschaft die Verantwortung für die Wiederaufnahme von Verhandlungen zu übertragen, gibt der US-Regierung die Chance, sich allzu großem Engagement zu entziehen. Für ein solches Bestreben spricht auch, dass Bush es unterließ, die erwartete Einladung zu einer weiteren Nahost-Friedenskonferenz auszusprechen.

Und obwohl Bush an Israel nur die Forderung richtete, nach einer Reform der PA über ein Friedensabkommen auf der Grundlage der UN-Resolutionen zu verhandeln und sich so schnell wie möglich aus den palästinensischen Gebieten zurückzuziehen, setzt er indirekt auch Sharon unter Zugzwang. Denn je näher der Wahltermin rückt, desto größer wird der Druck auf die israelische Regierung, die ihre Truppen aus den palästinensischen Gebieten abziehen muss, wenn sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, die Demokratierung zu blockieren.