Europäische Afrikapolitik

Auf Augenhöhe

Die EU versucht, sich in Afrika zur Verfechterin der Menschenrechte zu stilisieren. Noch aber scheitert die europäische Einheitsfront an nationalen Interessen.
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Die Rollen sind schon verteilt. Die Good Guys beim in der kommenden Woche beginnenden UN-Gipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg werden wieder die Europäer sein, die von sich behaupten, für sie sei eine »gerechte Wohlstandsverteilung« zwischen den reichen und armen Ländern ein wichtiges Anliegen. Auch der »Einstieg in eine umweltverträgliche Wirtschafts- und Lebensweise« soll ausschließlich mit der EU zu haben sein.

Die Bad Guys hingegen werden die USA sein. So vermutet Michael Müller, Umweltexperte und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD im Bundestag, Washington werde verbindliche Abkommen ablehnen und nur eine Bestandsaufnahme der Fortschritte seit dem letzten Umweltgipfel in Rio vor zehn Jahren vornehmen wollen. »Der Gipfel steht auf der Kippe«, behauptet auch Umweltminister Jürgen Trittin.

Um die besondere humanitäre Dimension ihrer Politik zu unterstreichen, betont die EU in ihren Dokumenten zum Gipfel, dass gerade den Armen auf der Welt geholfen werden müsse: »In allen Initiativen wird die EU Afrika besondere Aufmerksamkeit schenken.«

Afrika dient schon seit längerem als Versuchsgelände für die allmählich sich herausbildende Außenpolitik der EU. Insbesondere das deutsche Auswärtige Amt vertritt dabei die Position, dass »das traditionelle Geber-Nehmer-Verhältnis um eine Politik zwischen Partnern auf gleicher Augenhöhe« erweitert werden solle. Deutschland könne dabei, so die geschichtsvergessene Annahme, wegen einer »vergleichsweise weniger belastenden kolonialen Vergangenheit einen größeren und glaubwürdigeren Handlungsspielraum als andere Länder haben«.

Als Beweis für die partnerschaftlichen Beziehungen gilt der EU-Afrika-Gipfel in Kairo vor zwei Jahren, auf dem die Beziehungen zu den Staaten südlich der Sahara vertieft wurden. Wichtig ist auch das Cotonou-Abkommen aus dem Jahr 2000, das die besonderen Beziehungen zwischen afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (AKP) regelt.

In diesem Abkommen wurden allerdings nicht mehr nur, wie in den einige Jahre zuvor unterzeichneten Lomé-Verträgen, Zollvergünstigungen für die wirtschaftlich schwächsten Länder beschlossen. Vielmehr erzwang die EU unter Verweis auf die Statuten der Welthandelsorganisation, dass die AKP-Staaten, als Gegenleistung für die gewährten Vergünstigungen, ihre Märkte für Produkte der EU öffnen mussten.

Die hoch subventionierten europäischen Landwirtschaftserzeugnisse können seitdem ungehindert auf die afrikanischen Märkte exportiert werden, während afrikanische Produkte in Europa nicht konkurrenzfähig sind.

Ohnehin fördern die EU-AKP-Abkommen durch die Marktöffnung für bestimmte bereits verarbeitete Güter und vor allem für Rohstoffe eine noch größere wirtschaftliche Abhängigkeit von den Industriestaaten.

Wie wenig angesichts der ökonomischen Machtverhältnisse zwischen den Staaten von einer »Politik auf gleicher Augenhöhe« die Rede sein kann, zeigte sich am Streit um die »Wiederaufnahme« von Flüchtlingen.

Die EU wollte im Cotonou-Abkommen die Möglichkeit der Abschiebung von Staatenlosen und so genannten Flüchtlingen aus Drittländern in die afrikanischen Staaten regeln. Diese hatten allerdings wenig Interesse daran, Menschen aufzunehmen, denen in Europa keine Staatsangehörigkeit zugeordnet werden kann. Zwar konnte sich die EU in dem erbittert geführten Streit über den Vertragstext weitgehend durchsetzen. Dennoch lehnen viele afrikanische Staaten die Einreise abgeschobener Personen weiterhin ab, sodass die EU auf ihrem Gipfel im Juni in Sevilla sogar über die Verhängung von Sanktionen beriet.

Obwohl nach dem Ende des Kalten Krieges alle Mitgliedsstaaten das Geld für Entwicklungshilfe gekürzt und Botschaften in Afrika geschlossen hatten, bemühte sich insbesondere die EU-Kommission in Brüssel um eine einheitliche Außenpolitik der Union gegenüber Afrika. Die Kommission plädierte für eine interventionistische Linie. Die EU sollte politisch, militärisch und im Bereich der »Entwicklungszusammenarbeit« in die gewaltsamen Konflikte in Afrika eingreifen.

Jedoch wurde diese Forderung immer wieder von den Außenministern der Einzelstaaten abgeblockt, die es bevorzugten, Institutionen wie die Organisation Afrikanische Einheit (OAU) bei deren Friedensbemühungen zu unterstützen. Insbesondere Frankreich und Großbritannien wollen die besonderen Beziehungen zu ihren ehemaligen Kolonien nicht unter ein Primat der EU-Politik stellen und stattdessen EU-Mittel für ihre nationalen Ziele eingesetzt wissen.

Denn noch immer regelt London seine Afrikapolitik über die Commonwealth-Organisation und riskiert, wie in Sierra Leone, auch einmal eine militärische Intervention im Alleingang. Zugleich versucht Großbritannien, seine Politik mit den USA abzustimmen. Die französische Regierung hingegen unterstützt, ganz im Gegensatz zu den EU-Zielen der »good governance«, verschiedene alternde Diktatoren und steht immer wieder in Konkurrenz zu den anglophonen Staaten.

Der Friedensschluss zwischen der Demokratischen Republik Kongo und dem Nachbarstaat Ruanda zeigte Ende Juli erneut die Grenzen der EU-Politik in Afrika. Seit Jahren versuchte der EU-Unterhändler Aldo Ajello zwischen den Konfliktparteien zu vermitteln. Doch das neue Abkommen kam nur zustande, weil sowohl Frankreich als auch die USA und Großbritannien die Regionalmacht Südafrika bei ihren Vermittlungsbemühungen unterstützten. Der EU-Unterhändler spielte hingegen keine Rolle. Inzwischen haben die drei westlichen Staaten in seltener Einigkeit der Regierung des Kongo Hilfe im militärischen Bereich und beim Wiederaufbau der Infrastruktur zugesagt.

Die bis vor kurzem als wichtiges Element der EU-Politik gehandelte »Krisenprävention« hat seit den Anschlägen am 11. September ohnehin ausgedient. Stattdessen konzentrieren sich die EU-Staaten nun auf die traditionelle Sicherheitspolitik.

Die deutsche Bundeswehr könnte dabei ein wichtiges Bindeglied für eine zukünftige militärische EU-Politik in Afrika werden. Zur Überwachung der Seewege am Horn von Afrika sind deutsche Soldaten gleichzeitig in Dschibuti, wo sich auch ein großer französischer Stützpunkt befindet, und in der britischen Garnison im kenianischen Mombasa stationiert. Gut möglich, dass diese gemeinsame »Polizeiaktion« zum Modell für Interventionen in den zerfallenden afrikanischen Staaten dient, die als Sicherheitsrisiken betrachtet werden.