Vorschläge der Hartz-Kommission

Der reine Terror

»Heute ist ein schöner Tag für die Arbeitslosen in Deutschland«, verkündete Peter Hartz am Freitag voriger Woche, und auch der Kanzler war zufrieden. Die Vorschläge der Hartz-Kommission kommen zwar erst an diesem Freitag vollständig auf den Tisch, aber dass ihre Verwirklichung zwei Millionen Arbeitslose weniger bedeuten soll, durfte man schon vorher erfahren.

Dass es sich dabei um leere Versprechen im Sommerloch handelt, um verzweifelten Aktionismus angesichts einer kaum mehr abwendbaren Wahlniederlage, ist klar. Doch viel Lärm um nichts, wie einst Helmut Kohls Ankündigung, die Arbeitslosenzahlen zu halbieren, ist das Ganze auch wieder nicht. Denn die diskutierten Maßnahmen werden zwar garantiert nicht die angekündigte Wirkung zeitigen, eine andere Wirkung aber schon.

Auf was sich Arbeitslose künftig im Umgang mit den Ämtern freuen dürfen, zeichnet sich seit Gerhard Schröders Kampagne gegen die Faulheit ab: weniger Geld und unzumutbare Zumutbarkeitsbestimmungen. Je mehr die Aufnahmefähigkeit des ersten Arbeitsmarkts mit dem Abschwung der Weltkonjunktur schwindet, desto brutaler werden die Versuche, die aussortierten Arbeitskräfte in ihn einzuspeisen. Generelle Leistungskürzungen soll es erst einmal nicht geben, dafür stehen jedoch mehr Folterinstrumente als bisher zur Verfügung. Wer in den Verdacht gerät, sich seiner Mitwirkungspflicht bei der Arbeitssuche zu entziehen, bekommt es künftig mit einem System von Repressalien zu tun, das so übersichtlich und schlüssig ist, wie die Tarifordnung der Deutschen Bahn. Der Terror wird zum Hauptmittel der Statistik.

Die Idee, der Staat solle in größerem Umfang Geld für die Schaffung privatwirtschaftlicher Arbeitsplätze besorgen, spukt schon seit ein, zwei Jahren durch deutsche Politikerhirne. Die Hartz-Kommission will damit jetzt im großen Maßstab Ernst machen. Die geplanten Job-Anleihen, der so genannte »Job-Floater«, werden zwar die Bundesrepublik kaum in neuen Arbeitsplätzen ersäufen, dafür dürfte die (ost-) deutsche Wirtschaft noch einmal in Geld ertränkt werden. Mittlerweile ist zwar nicht mehr wie ursprünglich von 150 Milliarden Euro die Rede, die mit Hilfe der Job-Anleihe in die neuen Länder gepumpt werden sollen. Dass aber überhaupt erwogen wurde, für den einzelnen Arbeitslosen über 100 000 Euro auszugeben, zeigt eindrucksvoll, in welchen Dimensionen mittlerweile gedacht wird.

Offiziell heißt es, die Mittel für den »Job-Floater« wären dem privaten Kapitalmarkt zu entnehmen. Aber schon die Phantasie, dabei auch und vor allem auf über deutsche Grenzen entwichenes Schwarzgeld zurückzugreifen, macht deutlich, dass selbst die Urheber des Konzepts nicht so recht an dessen Wirksamkeit glauben. Angesichts riesiger vernichteter fiktiver Vermögen und vorsichtig werdender Anleger können auch bei einer bescheideneren Version die notwendigen Mittel nur staatlicher Geldschöpfung entstammen.

Die Opposition lehnt diesen Teil der Vorschläge der Hartz-Kommission ab. Lothar Späth nannte das Ganze »unseriös«. Die Vokabel passt und passt zugleich nicht. Nach den tradierten Regeln verantwortungsbewusster Haushaltspolitik ist eine solche Geldverbrennungsaktion natürlich der blanke Irrsinn. Allein, eine seriöse Alternative existiert nicht.

Die Bundesrepublik orientiert sich nur an dem Kurs, den andere führende kapitalistische Mächte schon längst eingeschlagen haben. Wie in den USA und Japan muss der Staat wegen des »unseriösen« spekulativen Booms auf genauso unseriösen Börsenkeynesianismus umschalten. »Seriöse« Wirtschaftspolitik kann heute eigentlich nur noch eins bedeuten: die Abschaffung von Wirtschaft, Arbeit, Geld und Ware. Doch eine solche Orientierung dürfte den Späthschen Seriositätsbegriff sprengen.