Gewonnen hat keiner

Nicht die FPÖ, sondern die österreichische Normalität ist das Problem. Die traditionelle Linke hat das nicht begriffen.

Manchmal drängt sich der Verdacht auf, die FPÖ inszeniere ihre Streitereien als Lehrstück für die Linken. Andreas Mölzer, Chefredakteur des rechtsextremen Blattes Zur Zeit und Berater von Jörg Haider, machte in den letzten Tagen unmiss-verständlich klar, dass die FPÖ doch keine »neoliberale Honoratiorenpartei« sei. Die KPÖ und linke Sozialdemokraten wird aber selbst diese Aussage nicht davon abbringen, in der FPÖ wie im europäischen Rechtsextremismus insgesamt stets nur die Avantgarde des Neoliberalismus zu sehen.

Der Umkehrschluss wäre aber genauso falsch. Nur weil sich die zum Teil im neonazistischen Umfeld bewegenden Burschenschaftskader der Freiheitlichen, die nun wieder einen größeren Einfluss in der Partei haben, gegen den Neoliberalismus aussprechen, wird die FPÖ noch lange nicht zur Partei der »Modernisierungsverlierer«, wie es im verständnisvollen Soziologenjargon heißt.

Vielen Wählern der FPÖ, die sich für die völkische Propaganda des FPÖ-Anwaltes Ewald Stadler begeistern und sich in der parteiinternen Auseinandersetzung gegen die ehemalige Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer stellen, geht es vergleichsweise gut. Wer die FPÖ wählt, folgt keinem rationalen Interessenkalkül, sondern wahnhaften Projektionen. Selbst Mölzer ist klar, dass die freiheitlichen Wahlerfolge der vergangenen Jahre nicht den materiellen Versprechen zu verdanken sind, sondern dem Rassismus der österreichischen Bevölkerung.

Haider und die FPÖ scheinen für die traditionelle Linke ein Rätsel zu sein. Der faschistische Anti-etatismus zum Wohle der Gemeinschaft, der von den Freiheitlichen repräsentiert wird und die Unmittelbarkeit von Herrschaft wiederherstellen will, passt nicht ins Schema jener Linken, die stets glauben, die Nazis seien nur dazu angetreten, die Arbeiterklasse zu spalten. Da ihnen ein deregulierter und individualisierter, mithin also ökonomisch liberalisierter und demokratisierter Faschismus nicht vorstellbar ist, charakterisieren sie die blau-schwarze Koalition in Wien gerne als »Bürgerblock« im Dienste des Kapitals.

Die flexibilisierten Feindbilder bedürfen jedoch keiner großartigen staatlichen oder parteilichen Inszenierung mehr. Und nur in diesem Sinne sind sie »neoliberal«. Dass diese Projektionen von den strukturell antisemitischen und rassistischen bürgerlichen Subjekten eigenständig weitergedacht werden, fällt auch der Linken nicht mehr auf. Denn richtete sie ihre Kritik darauf, müsste diese Linke erkennen, dass mit Slogans wie »Haider in die Produktion« oder »Wir hackeln (arbeiten), sie packeln« selbst schon längst das faschistische Ressentiment bedienen.

Wie das flexibilisierte Ressentiment funktioniert, hat Haider unlängst mit seinen Angriffen auf den inzwischen zurückgetretenen Finanzminister demonstriert. Karl Heinrich Grasser galt in den letzten Monaten als beliebtester Politiker Österreichs. In den Medien galt er merkwürdigerweise als liberales Aushängeschild der FPÖ, obwohl er noch vor wenigen Jahren als Wohnbaulandesrat in Kärnten erreichen wollte, dass öffentliche Aufträge nur noch an Firmen vergeben werden, die ausschließlich Österreicher oder EU-Bürger beschäftigen.

Nun aber erklärt Haider seinem einstigem Protegé, dass dieser »keinen Draht zum kleinen Mann« besitze. Schließlich habe Grasser sein Leben lang im Luxus gelebt. Solche Aussagen signalisieren, dass jeder ins Visier des Volkszorns geraten kann, wenn er vom idealen Führer der demokratisierten Volksgemeinschaft zum Abschuss freigegeben wird.

Das flexibilisierte Ressentiment ist aber keineswegs ein Ausdruck von Beliebigkeit. Symbolisch werden Verbandsfunktionäre, Politiker und Berufsbeamte als Schädlinge am Gemeinwohl angegriffen. Der eigentliche Schädling ist und bleibt für das verallgemeinerte faschistische Ressentiment aber der Jude. Haider und die FPÖ dienen dabei als Katalysatoren in der postnazistischen österreichischen Gesellschaft, um deren Kritik es auch in Zukunft wird gehen müssen, wenn man sich nicht auf den alten demokratischen Antifaschismus und seine Sorge um das Ansehen der Nation einlassen möchte.

Auch wenn sich nun die völkischen Kader der FPÖ vorerst durchgesetzt haben, so bleibt doch eben die österreichische Normalität das eigentliche Problem. Denn sie wird eben nicht nur von den demokratisierten Nazis, sondern ebenso von den Nachfahren der Austrofaschisten und von einer Sozialdemokratie bestimmt, die zu einer Ehrenrettung der Sozialfaschismusthese reiches Material böte.

Erschreckend am Nachfolgestaat der NS-Ostmark ist der allgegenwärtige Antisemitismus, der sich mit Vorliebe im Hass auf Israel austobt. Nicht nur, dass die Freiheitlichen sich offen mit Gaddafi und Saddam Hussein verbrüdern. Auch der konservative Bundespräsident Thomas Klestil und zahlreiche Regierungsmitglieder hofieren Feinde Israels aus der arabischen und islamischen Welt, wie etwa den iranischen Präsidenten Mohammed Khatami.

In der Sozialdemokratie hat der Antizionismus seine treuesten Anhänger vor allem unter jenen, die sich wie der einflussreiche ehemalige Innenminister Karl Blecha um die Pensionsansprüche ehemaliger Wehrmachtssoldaten sorgen.

Auch die Grünen bilden keine Ausnahme. Ihr Parteivorsitzender Alexander Van der Bellen zollte kürzlich Susanne Riess-Passer seinen Respekt und konnte der revanchistischen Forderung des ÖVP-Kanzlers Wolfgang Schüssel nach einer »Versöhnungserklärung« mit Tschechien einiges abgewinnen. Die Grünen organisieren gemeinsam mit jenen Antiimperialisten eine Palästina-Solidaritätsdemonstration, die in ihren Zeitschriften die islamistischen Selbstmordattentate feiern. Geht es um den Staat der Überlebenden der Shoah, ist Österreich schnell einig.

Natürlich freut man sich, wenn eine Partei, in der es von offenen Antisemiten und Rassisten nur so wimmelt, vielleicht aus den entscheidenden Positionen verdrängt wird. Wenn aber aus der geschrumpften Protestbewegung gegen die blau-schwarze Koalition zu hören ist, dass »wir gewonnen haben«, so bestätigt das nur die Kritik an der zivilgesellschaftlichen Fraktion dieser sich von Beginn an zur »Widerstandsbewegung« stilisierenden Wohlfühlgemeinschaft und ihrer Fixierung auf die FPÖ. Und was eine rot-grüne Regierung nach den Neuwahlen in Österreich bedeuten würde, lässt sich am deutschen Beispiel eindrucksvoll studieren.