Arafats Regierung ist zurückgetreten

Neue Signale

Als das palästinensische Kabinett in der vergangenen Woche vom Parlament zum Rücktritt gezwungen wurde, setzte sich nicht nur erstmals in der jüngeren arabischen Geschichte eine Legislative gegen die Exekutive durch, es wurde auch erneut deutlich, dass sich die so genannte Al-Aqsa-Intifada in einer tiefen Krise befindet.

In den letzten Wochen hatten hohe PLO-Funktionäre Arafats Politik scharf kritisiert und ein völliges Ende der Gewalttaten an israelischen Zivilisten gefordert. Ein Vertreter des israelischen Militärgeheimdienstes bemerkte in der vergangenen Woche, die »palästinensische Straße« sei gegen eine Fortführung des Terrors; seinen Informationen zufolge falle es Terroristen immer schwerer, neue Selbstmordattentäter zu rekrutieren.

Ha'aretz zitierte einen ungenannten Inlandsgeheimdienstler, der sogar meinte, der allgemeine Ton in den palästinensischen Gebieten habe sich geändert, Anschläge, vor allem innerhalb Israels, gälten inzwischen als verwerflich. Dieser Gesinnungswandel sei vor allem der Armee und den Sicherheitsdiensten zu verdanken, die seit Monaten mit äußerster Härte in der wieder besetzten Westbank gegen Terrororganisationen vorgehen. Dem Time Magazine zufolge wurden fast 90 Prozent aller Aktivisten der Hamas in Nablus und Jenin getötet oder verhaftet.

Auch wenn offenbar der Terror an Legitimität verliert, schwindet nicht die Bedrohung israelischer Zivilisten. Israel fürchtet einen »Mega-Anschlag«; vor kurzem wurden zwei Aktivisten der Hamas verhaftet, die der Anklage zufolge ein Krankenhaus in Tel Hashomer und ein Hochhaus in Tel Aviv sprengen wollten. Und seit sich die Irak-Krise zuspitzt, hat nach Angaben israelischer Sicherheitsdienste auch die Aktivität irakischer Agenten in den Palästinensergebieten zugenommen. Größere Mengen an Waffen und Geld sollen vor allem an die baathistische Arab Liberation Front (ALF) übergeben worden sein, weil Saddam Hussein den alltäglichen Terror intensivieren und Palästinenser im Falle eines Angriffs der USA zu einem Racheakt an Israel benutzen wolle.

Anders aber als die Tanzim oder die Hamas genießt die ALF keine Unterstützung in der Bevölkerung. Es könnte also gelungen sein, die Terroristen von der Mehrheit der Bevölkerung so weit zu entfremden, dass moderate Politiker an Zulauf gewinnen. In der offiziellen Zeitung der palästinensischen Autonomiebehörde Al Hayat al Jedida erschien sogar ein Artikel, der Arafats Nein zu den Vorschlägen von Camp David kritisierte, was vor Monaten noch undenkbar gewesen wäre. Aus Bethlehem wird gemeldet, die Behörden hätten von sich aus begonnen, Mitglieder der Tanzim-Milizen und Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden zu entwaffnen.

Das sind neue Signale, die auch in Israel verstanden werden. Der Verteidigungsminister Benjamin Ben Eliezer begrüßte deshalb ausdrücklich den »Putsch des Parlaments« in Ramallah und sprach von einer sich abzeichnenden »neuen Ordnung in Palästina«, die von Israel honoriert werden müsse. Ermutigt von sechs Wochen ohne Terroranschläge, unterstützen wieder über 60 Prozent der befragten Israelis direkte Verhandlungen mit dem Ziel eines palästinensischen Staates. Und die einflussreiche nationale Sicherheitskommission der israelischen Regierung unter der Leitung des Generals Uzi Dayan erklärte eine Teilung des Landes zwischen Israelis und Palästinensern für unabdingbar.

So scheint der Rücktritt der palästinensischen Regierung der vorläufige Höhepunkt einer Neuorientierung zu sein, die sich nicht nur gegen Arafats selbstherrlichen Regierungsstil richtet, sondern auch den Sinn der Intifada selbst in Frage zu stellen beginnt.