Friedensverhandlungen am Ende?

Pragmatischer Jihad

Die südsudanesische Guerillaorganisation SPLA hat die Stadt Torit erobert, die Regierung bereitet nun eine Gegenoffensive vor. Die Friedensverhandlungen sind vorerst gescheitert.

Verteidigungsminister Bakri Hassan Salih will sich mit der Wiederherstellung die gewohnten Kräfteverhältnisse nicht zufrieden geben. »Die Armee ist in der Lage, Torit zurückzuerobern, und die Einnahme der Stadt wird der erste Schritt zur Rückeroberung aller von der SPLA kontrollierten Gebiete sein«, kündigte er am Sonntag der vorletzten Woche an. Die sudanesische Militärregierung unter Omar Hassan al-Bashir nahm die Eroberung der südsudanesischen Stadt Torit durch Truppen der Sudan People's Liberation Army (SPLA) zum Anlass, die Friedensgespräche mit den Rebellen abzubrechen. Seit Anfang September sammeln sich Regierungstruppen in Juba für eine Gegenoffensive.

Die militärische Mobilisierung wurde von einer ideologischen Kampagne begleitet. Wenige Tage nach der Eroberung von Torit ließ Präsident Bashir seine Anhänger durch die Haupststadt Khartoum demonstrieren und rief sie dazu auf, den Jihad gegen die SPLA bis zu einem Friedensvertrag fortzusetzen. Diese Erklärung Bashirs zeigt die Wiedersprüche des 1989 durch einen Militärputsch an die Macht gekommenen Regimes. Einerseits wird jede Handlung ideologisch islamisiert, andererseits gibt sich die Regierung seit der Absetzung des ideologischen Hardliners Hassan al-Turabi pragmatisch und versucht, die internationale Reputation zurückzugewinnen, die sie mit der Unterstützung islamistischer Terroristen in den neunziger Jahren verloren hat. So wird nun ein Krieg zur religiösen Pflicht erklärt, während gleichzeitig Signale an die Weltöffentlichkeit gesendet werden, die den Friedenswillen der Regierung betonen.

Einen ähnlichen Pragmatismus hatte zuvor bereits der derzeit unter Hausarrest stehende Islamistenführer Hassan al-Turabi an den Tag gelegt. Während er in seiner Zeit als Parlamentspräsident jahrelang den Jihad gegen die SPLA, gegen Kommunisten und andere Ungläubige predigte, erklärte er unmittelbar nach seiner Absetzung, dass es sich beim sudanesischen Bürgerkrieg um keinen Jihad handle. Einige Monate später unterzeichnete er sogar ein Separatabkommen mit der SPLA, das ihm die Verhaftung durch seine einstigen Verbündeten in der Regierung einbrachte.

Insbesondere nach dem Beginn des »Kriegs gegen den Terror« versuchte die sudanesische Regierung, die immerhin Ussama bin Laden bis zu seiner Übersiedlung nach Afghanistan beherbergt hatte (Jungle World, 52/01), sich aus der Schusslinie zu bringen. Aber nicht nur die potenzielle Bedrohung durch den »Antiterrorkrieg« der USA, sondern auch die Ölfunde im eigenen Land drängten das Regime zum Pragmatismus.

Der wirtschaftliche Niedergang des Landes konnte mit der am Ende der neunziger Jahre begonnenen Erdölförderung aufgehalten werden. Während die einfache Bevölkerung weiterhin im Elend lebt, sind die makroökonomischen Daten des Sudan heute besser denn je. Seit zwei Jahren ist das Land sogar fähig, seine Auslandsschulden wieder pünktlich zu bezahlen, es wird vom IWF nicht mehr als kreditunwürdig eingestuft.

Die Erdölförderung, an der neben dem staatlichen sudanesischen Konzern Sudapet u.a. auch die ebenfalls staatliche chinesische CNPC, die österreichische OMV, die schwedische Lundin und die malaysische Petronas beteiligt sind, wurde jedoch durch den Bürgerkrieg gestört. Da die Regierung einen großen Teil der Einnahmen am Budget vorbei für Waffen ausgab, wurde die Infrastruktur der Erdölförderung in den letzten Jahren zum Angriffsziel der SPLA. Ein Großteil der Ölquellen befindet sich im Südsudan und in Südkordofan, wo SPLA-Einheiten aktiv sind. So gelang es den Rebellen auch immer wieder, Pipelines zu zerstören und Angestellte der Erdölkonzerne zu überfallen.

Die Regierung betrachtete die gesamte Zivilbevölkerung in der Umgebung der Förderanlagen und Pipelines als Sicherheitsrisiko, sie bombardierte Dörfer und vertrieb viele Menschen. Dieses Vorgehen alarmierte humanitäre und kirchliche Organisationen in Europa und den USA und erleichterte der sudanesischen Regierung die Normalisierung ihrer Beziehungen zu den USA nicht unbedingt.

Auch für europäische Erdölkonzerne wie die OMV wurde es schwieriger, ihre Tätigkeit fortzusetzen, da sie die Sicherheit ihrer Mitarbeiter nicht mehr garantieren konnten und gleichzeitig öffentlicher Kritik ausgesetzt waren. Konzernsprecher rechtfertigten ihr Engagement zwar als friedensfördernde Maßnahme, dennoch sah sich die OMV Anfang dieses Jahres gezwungen, ihre Beteiligung am Konsortium im Block 5a bei der Bohrstelle Thar Jath vorläufig zu suspendieren.

Die politische Führung des Sudan dürfte angesichts dieser Probleme durchaus ein Interesse an der Beendigung des Bürgerkriegs haben, der bereits vor der Unabhängigkeit im Jahr 1956 begann und 1983 nach neunjähriger Unterbrechung wieder aufflammte. Als die im Frühling dieses Jahres begonnenen Verhandlungen zwischen der Regierung und der SPLA Mitte Juli zum Abschluss eines Rahmenabkommens zur Beendigung des Krieges führten, schien eine friedliche Einigung möglich.

Die Militärregierung hat jedoch kein Interesse an einer Demokratisierung des Sudan, die auch die einst einflussreiche Kommunistische Partei, die Gewerkschaften und andere gesellschaftliche Sektoren einschließen müsste. Die Wut über die katastrophale soziale Lage, die internationale Isolation des Landes, die autoritäre Islamisierungs- und Arabisierungspolitik, den grassierenden Nepotismus und die Polizeistaatsmethoden hat längst auch die Mehrheit der muslimischen Nordsudanesen erfasst. Bei freien Wahlen hätten die Generäle keine Chance, an der Macht zu bleiben.

Da die Regierung zu einem wirklichen Frieden, der nicht allein durch eine Teilung politischer und ökonomischer Macht mit der SPLA erreicht werden kann, nicht bereit ist, kommt ihr die Eroberung von Torit gerade recht. So kann sie sich den Friedensverhandlungen entziehen, ohne als Schuldige dazustehen. Die Verfügung über die Öleinnahmen könnte den Konflikt verschärfen, denn sie verschafft der Regierung ein Maß an wirtschaftlicher Unabhängigkeit, das den Kauf von Waffen und militärischer Infrastruktur erleichtert und die Fortsetzung des Jihad erlaubt.