Das große Reinemachen

Das Aufräumen hat begonnen. Die Landesverbände der PDS im Westen fürchten um ihre Existenz, die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung dagegen hofft zu überleben.

Das war's dann wohl. In den Bundestagsbüros der PDS packt man still die Kisten. Die letzte »linke Kraft« im deutschen Parteienspektrum konnte den Wählern vor der Wahl nicht mehr klar machen, wozu sie eigentlich noch gut sein soll. Mit nur vier Prozent der Wählerstimmen bekam sie die Quittung.

Die PDS hatte 37 Abgeordnete im Bundestag. Davon erhielt jeder und jede genügend Geld vom Bund, um Mitarbeiter einzustellen, Büros in Berlin und im jeweiligen Wahlkreis zu unterhalten. Jetzt aber verfügt die PDS nur noch über zwei Sitze. Zum politischen Desaster kommt das finanzielle.

Schätzungen zufolge fallen der Wahlniederlage bis 300 Arbeitsplätze zum Opfer. Zahlreiche Wahlkreis- und Regionalbüros in ganz Deutschland müssen geschlossen werden. Dieser Wegfall beendet vorerst den Aufbau der Infrastruktur der PDS in den alten Bundesländern. Und so mancher Genosse sieht sich nach der Wahlniederlage mit dem beruflichen Aus konfrontiert.

Die Aussichten sind wahrlich nicht rosig. Als werbe er für einen schlecht gehenden Esoterikverein, orakelte ein betretener Gregor Gysi einige Tage nach der Wahl im Fernsehsender n-tv, man müsse die PDS wieder »emotionaler, sinnlicher machen, wieder eine bestimmte Kultur widerspiegeln«. Die Partei müsse versuchen, »den Fuß, den sie im Westen hat, beizubehalten und auszubauen. Das wird alles sehr schwer, weil sie ja auch deutlich weniger Personal und deutlich weniger Geld hat.« Kleinlaut räumte Gysi ein: »Im nächsten Jahr sind nur Landtagswahlen in den alten Bundesländern, und da muss man dann auch Realist sein. Nach so einer Wahlniederlage auf Bundesebene werden wir dort keinen tollen Sieg erringen können.«

In den westlichen Landesverbänden übt man sich derweil in Durchhalteparolen. »Es ist jetzt wichtig, die PDS-Nordrhein-Westfalen als funktionsfähigen Landesverband zu erhalten, zu stabilisieren und weiter auszubauen. Dies wird nicht einfach werden. Und mit dem Wahlergebnis werden wir vor größeren Problemen stehen als je zuvor«, kann man neben ähnlichen Äußerungen aus den Verbänden in Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz auf der Internetseite der PDS lesen. Die nordrhein-westfälische Ex-Abgeordnete Ulla Jelpke schlug noch deutlichere Töne an: »Die PDS steht im Westen vor einer Katastrophe. Büros müssen geschlossen werden, und die Infrastruktur wird nur schwerlich aufrechterhalten werden können.«

Welche konkreten Auswirkungen das Wahlergebnis für die PDS im Westen hat, »ist jetzt in seiner ganzen Dimension noch nicht einmal absehbar«, fürchtet auch der Leiter der Düsseldorfer PDS-Landesgeschäftsstelle, Michael Kretschmer. Es müssten in jedem Fall die Abgeordnetenbüros in Köln, Bonn, Dortmund und Düsseldorf geschlossen werden, sagte er der Jungle World. Die tatsächliche Finanzsituation ließe sich wohl erst im November beurteilen. Von Resignation im nordrhein-westfälischen Landesverband will Kretschmer dennoch nichts gespürt haben. Der Durchhaltewille sei enorm.

Sein Kollege Roland Sperling, der PDS-Stadtverordneter in Neuss ist und zugleich Sprecher des dortigen Kreisverbandes, zeigte sich gegenüber dem Neuen Deutschland allerdings fest davon überzeugt, dass die Genossen in Nordrhein-Westfalen ohne bundespolitische Präsenz »notgedrungen in völlige Bedeutungslosigkeit zurückfallen«. Im Westen sei die PDS tot, diagnostizierte er ohne Umschweife und zog die Auflösung des Landesverbandes in Betracht.

In der PDS-Landesgeschäftsstelle Baden-Württemberg in Stuttgart wartet man hingegen ab. Offensichtlich hat man noch keinen rechten Überblick, was da auf einen zukommen könnte. Der »worst case« sei noch nicht durchgerechnet, sagte ein Mitarbeiter, erste Schließungen einzelner Anlaufstellen seien jedoch auch hier bereits veranlasst. So wird unter anderem das Regionalbüro in Mannheim geschlossen. Man wird sich um Nachmieter bemühen müssen.

Und die Krise verschont auch Berlin nicht. Zwar steht die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) zur Zeit noch relativ passabel da. Doch auch hier sieht man nicht unbedingt freudig der Zukunft entgegen. Dr. Evelin Wittich, Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses des Vorstands der Stiftung, mochte nicht in Alarmismus verfallen. Sie sagte dem Neuen Deutschland, man orientiere sich für die zukünftige staatliche Förderung daran, wie in einem ähnlichen Fall mit einem politischen Konkurrenten verfahren wurde. »Die Grünen waren ja im Dezember 1990 nicht in den Bundestag gekommen. Die Grünen erhielten zu der Zeit die Mittel für ihre Stiftung weiter, es gab im Laufe der Legislatur sogar eine Steigerung der Zuwendungen«, sagte Wittich hoffnungsfroh.

Man rechne für 2003 mit Bundesmitteln in der Höhe, wie sie die Partei bereits 2001 erhalten habe. Deshalb seien auch die Landesstiftungen vorerst nicht bedroht und könnten mit den vertraglich zugesicherten Summen planen. Trotz dieser Zuversicht musste jedoch auch Wittich einräumen, dass die Auflösung der Bundestagsfraktion ein schwerer Schlag sei. »Wir müssen uns bemühen, die Kompetenz der Stiftung weiter auszubauen, möglicherweise auch etwas von dem auffangen, was verloren zu gehen droht. Klar ist aber auch: Wir sind eine sehr kleine Stiftung und ein solches 'Auffangen' wird schwierig werden, zumal wir andere Aufgaben haben als die Fraktionen.«

Mit anderen Worten: Die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die Studien über so drängende Probleme wie »Die Linke und die Nation« in Auftrag gab und im vergangenen Jahrzehnt so etwas wie ein Refugium für ehemalige DDR-Professoren war, könnte jetzt frischen Wind durch eine ganze Reihe von arbeitslos werdenden PDS-Politikern bekommen. Nur mit der Finanzierung wird es schwierig, vor allem, wenn die erhoffte Fairness des Bundes sich als Illusion herausstellen sollte und das Geld ausbleibt.

In der Katerstimmung nach der Niederlage begibt man sich bei der PDS nun zaghaft auf die Suche nach einer Strategie, wie mit den Problemen mit der Infrastruktur umzugehen sei. Die PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer neigte in einem offenen Brief an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu diffusen Formulierungen. Man solle beraten, wie man »auch unter erschwerten Bedingungen im Alltag erlebbarer und insgesamt politikwirksamer werden« könne. Man müsse wieder nachweisen, »dass uns die Sorgen der Menschen am Herzen liegen«, tönte es aus dem Kummerkasten.

Ein schwacher Trost bleibt der Partei dennoch. Wie ihr Sprecher Hendrik Thalheim am vorigen Mittwoch mitteilte, sollen mehr als 350 vor allem junge Leute in den zehn Tagen nach der Wahlpleite in die PDS eingetreten sein. So viele Neueintritte in so kurzer Zeit, das sei seit dem Bestehen der PDS noch nicht vorgekommen. Unter dem Motto »Willkommen an Bord« wurden die Neulinge zu einer Spreefahrt mit Gabi Zimmer und ihrer Stellvertreterin Petra Pau eingeladen. Einen Mast- und Schotbruch wird man dabei wohl nicht erlitten haben. Aber der Parteitag in Gera steht ja noch bevor.