Eine neue Friedensbewegung gegen den Irak-Krieg

Im Herbst wird's wärmer

Italien verstärkt seine Truppen in Afghanistan. Für einen Krieg gegen den Irak, glaubt die Linke und bereitet sich auf Proteste vor.

Alpini heißen die Gebirgsjäger der italienischen Armee. Doch anders als der Name vermuten lässt, können sie ebenso gut in anderen Bergregionen der Welt ihren Job erledigen. Vergangene Woche beschlossen beide Kammern des italienischen Parlaments, eine Brigade von 1 000 Mann in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet zu entsenden. Angesichts der satten Mehrheit der regierenden Koalition von Ministerpräsident Silvio Berlusconi war die Abstimmung darüber eine Formsache. Dennoch war sie der Prüfstein, an dem die bislang mühsam aufrechterhaltene taktische Einmütigkeit der Mitte-Links-Opposition zerbröckelte.

Mit insgesamt fünf Anträgen wartete die parlamentarische Opposition auf. Zu den gemeinsamen Anträgen der Grünen und der Kommunisten der PDCI sowie von Francesco Rutellis Wahlverein Margherita und den Sozialdemokraten gesellten sich Anträge der Christdemokratischen Union für Europa, der Linksdemokraten sowie nicht zuletzt von Rifondazione Comunista. Während Rutelli, der als potenzieller Nachfolger Massimo D'Alemas an der Spitze der Olivenbaum-Koalition gilt, ebenso wie die Christdemokraten die Notwendigkeit der Kooperation Italiens im internationalen Kampf gegen den Terrorismus betonte und folglich mit den Regierungsparteien für den Kriegseinsatz stimmte, bekannten sich die restlichen Parteien, allerdings in unterschiedlichem Maße, dazu Gegner der Militärmission in Afghanistan zu sein.

Noch im vergangenen Jahr hatten Linksdemokraten und Margherita der Entsendung von 320 italienischen Luftwaffen- und Marinesoldaten nach Afghanistan zugestimmt. Doch während diese dem Kommando der Isaf unterstellt sind, sollen die Alpini unter US-amerikanischem Oberbefehl eingesetzt werden. Das lehnen die Linksdemokraten ab. Ferner diene, so argumentierten sie, die Aufstockung des italienischen Truppenkontingents in Afghanistan dazu, die britischen Royal Marines zu ersetzen, die für den zu erwartenden Schlag gegen den Irak abgezogen würden. Daher habe sich die Natur der Mission gewandelt. Unter dem Einfluss der linken Parteiströmung, die sich diesmal, anders als auf dem Parteitag von Pesaro, gegen die Anhänger D'Alemas durchsetzte, rangen sich die Linksdemokraten deshalb ein bedingtes Nein ab. Sie wollen lieber die Isaf und die internationalen Organisationen bzw. die Europäische Union in Afghanistan gestärkt sehen.

Schärfere Ablehnung formulierten die Grünen sowie die PDCI und betonten den Zusammenhang zwischen der Entsendung der Gebirgsjäger und dem drohenden Irakkrieg. Ähnlich argumentierte Rifondazione, die erst Ende September etwa 150 000 Teilnehmer zu einer Massendemonstration gegen den Krieg in Rom mobilisiert hatte. Enduring Freedom sei gescheitert, hieß es bei Rifondazione. Die Operation habe keinen demokratischen Friedensprozess bewirkt, sondern sei ein Krieg gegen Afghanistan.

Während sich das Mitte-Links-Spektrum in der Frage eines möglichen Krieges gegen den Irak entzweit - die einen hätten zum Kriegführen gerne ein Uno-Mandat, die anderen bestehen auf einem strikten Nein -, bleibt auch die Regierungsmehrheit von derlei Problemen nicht unberührt. Eine Meinungsumfrage der Wochenzeitung Famiglia Cristiana und des Instituts Doxa ergab unlängst, dass sich 94 Prozent der Bevölkerung gegen einen möglichen Einsatz italienischer Soldaten in einem Krieg gegen den Irak aussprechen. 89 Prozent wollen keinen Krieg ohne Uno-Mandat, und immerhin 56,8 Prozent blieben selbst dann bei einem Nein, wenn die Uno ein militärisches Vorgehen billigten.

Für einen gewieften Medienpolitiker wie Berlusconi sind das bedenkliche Signale. Auch die graue Eminenz der italienischen Politik, Francesco Cossiga, flüsterte ihm jüngst zu, dass ein ohne UN-Mandat geführter Krieg das Land, dessen Verfassung im Übrigen Angriffskriege ächtet, zutiefst spalten könnte. Das gesamte Mitte-Links-Spektrum, das verzweigte katholische Vereinswesen, der Papst und natürlich die Disobbedienti und die übrige außerparlamentarische Linke könnten dann gemeinsam gegen die Rechtsregierung aufbegehren.

Schon gehen Berlusconis Bündnispartner Lega Nord und Alleanza Nazionale sowie der Europaminister Rocco Buttiglione vorsichtig auf Distanz. Man bedauert die Zuspitzung im Irak-Konflikt, bietet sich als Mittler zwischen Europa und den USA an und will sich nicht bedingungslos an die Bush-Doktrin anpassen. Selbst Berlusconi gelingt es, vormittags in einer außenpolitischen Rede vor der Abgeordnetenkammer noch Saddam Hussein mit Hitler zu vergleichen, indem er von »Appeasement« redet, um sich am Nachmittag desselben Tages in einer Rede vor dem Senat zu mäßigen und eine einheitliche europäischen Position, die jedenfalls nicht diejenige Tony Blairs sein kann, nicht auszuschließen.

Die Kriegsfrage wird zweifellos die sozialen Auseinandersetzungen dominieren, die der Herbst in Italien traditionell mit sich bringt. Der Widerspruch gegen den Krieg wird nach Auffassung des Generalsekretärs von Rifondazione Comunista, Fausto Bertinotti, sogar politische Kräfte vereinen, die sich nicht länger in den Käfig des parlamentarischen Mitte-Links-Modells sperren lassen. Während also Cossiga der katholischen Opposition gegen den Krieg einiges zutraut, setzt Bertinotti programmgemäß auf den Aktivismus der Bewegungen. Bei dem für den 18. Oktober angesetzten Generalstreik gegen die Aushöhlung des Arbeiterstatuts, im Kampf gegen die neoliberale Schulreform, das restriktive Einwanderungsgesetz, die alljährliche Haushaltsgesetzgebung und die immer wieder angekündigte Rentenreform gibt es für sie genug Ansatzpunkte.

Am Samstag der vergangenen Woche fanden auf den Plätzen hunderter italienischer Städte zahlreiche Veranstaltungen gegen den Krieg statt. Am 9. November wird es während der Tagungen des Europäischen Sozialforums in Florenz voraussichtlich zu einer riesigen Antikriegsdemonstration kommen. Vorgesehen sind unter anderem Aktionen gegen Banken, die mit Waffenproduzenten und -händlern Geschäfte machen.