Paramilitärs und Drogen

Deal mit dem Dealer

Die USA wollen Carlos Castaño Gil wegen Drogenschmuggels den Prozess machen. Der oberste Paramilitär Kolumbiens ist von seiner Zusage, sich zu stellen, wieder abgerückt.

Die nicht unbeträchtliche Menge von mindestens 17 Tonnen Kokain, so der Vorwurf der US-Behörden, soll Carlos Castaño Gil seit 1997 gemeinsam mit Komplizen in die Vereinigten Staaten und nach Europa geschmuggelt haben. Noch Ende September hatte Castaño, derzeit politischer Direktor der paramilitärischen AUC (Autodefensas Unidas de Colombia), erklärt, er werde sich sofort einem US-amerikanischen Gericht stellen, um die Anschuldigung, er sei einer der größten Drogenhändler Kolumbiens, zu entkräften.

Doch zwei Wochen später war auf der Homepage der AUC zu lesen, dass dem Auslieferungsantrag, den die US-Botschaft am 26. September offiziell stellte, ein infamer Deal zwischen den USA, der kolumbianischen Regierung und der Guerilla Farc zugrunde liege. Mit dem Auslieferungsgesuch für Castaño Gil, den Militärchef der AUC, Salvatore Mancuso, und Juan Carlos Sierra Ramírez, ein Mitglied der AUC-Führungsriege und US-Quellen zufolge für den Kokaintransport in die USA zuständig, solle die Farc dazu bewegt werden, wieder Verhandlungen aufzunehmen, so die Erklärung der AUC, die von Castaño und Mancuso unterzeichnet ist. Castaño scheint den Widerruf seiner medienwirksam in Szene gesetzten Zusicherung vorzubereiten. Sie ist auf einmal nur noch eine Möglichkeit, die von den Bedingungen abhänge, die man ihm zubillige.

In der Erklärung heißt es weiter, vieles hänge zudem von der derzeitigen militärischen Situation ab. Gerade in den letzten Monaten hätten die Armee und die AUC die linke Farc in die Defensive gedrängt und man sei auf dem besten Wege, sie zu Verhandlungen zu zwingen. An denen möchte auch Castaño für die AUC beteiligt sein, und Präsident Àlvaro Uribe Velez hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er ihn dabei willkommen heißt, wenn die Vorraussetzungen stimmen.

Um die hat sich Castaño in den letzten Monaten gekümmert. Er hat seine Organisation auf Linie gebracht und gibt sich moderat. Im Juli trat der Mann, dessen Familie mindestens 1,5 Millionen Hektar Land in Urabá, dem Kerngebiet der AUC, besitzt, aus der Führung der Organisation zurück. Seinen Rücktritt bezeichnete Castaño, der angeblich Mitte der achtziger Jahre in einer geheimen Armeeeinrichtung von israelischen und britischen Söldnern zum Killer ausgebildet wurde, als Protest gegen die Verstrickung der AUC ins Drogengeschäft.

Die hatte Castaño zuvor allerdings nie gestört. In zahlreichen Interviews hatte der 40jährige bestätigt, dass sich die AUC zu erheblichen Teilen durch den Drogenhandel finanziere. Einem Reporter der kolumbianischen Tageszeitung El Espectador sagte er noch vor zwei Jahren: »Es ist das (Drogen-) Geld, welches die Farc finanziert. Ich muss denen das Geld nehmen und mich selbst finanzieren.« Und in einem Interview mit dem kolumbianischen Fernsehsender RCN gab er einmal zu, dass der nördliche AUC-Block eine Steuer auf den Drogenhandel erhebe.

Auf rund 600 Millionen Peso (derzeit knapp 220 Millionen US-Dollar) schätzte Castaño damals die Einnahmen. Als Drogenbaron ließe er sich aber nie bezeichnen. Journalisten des in Miami ansässigen El Nuevo Heraldo brachten ihn mit einer in diese Richtung zielenden Frage in Rage. Gleichwohl gab es immer wieder Beweise dafür, dass die AUC auch selbst Kokaplantagen betreibt.

Damit soll seit kurzem endgültig Schluss sein. Auf einem Treffen der Kommandoebene der AUC verpflichteten sich nahezu alle Befehlshaber dazu, Rauschgift weder zu lagern noch zu verschiffen und andere bei derartigen Aktionen nicht zu schützen. Auch die Einhaltung der Menschenrechte und die Respektierung des Roten Kreuzes haben die Comandantes zugesagt, allerdings mag ihnen kaum jemand Glauben schenken.

Klar ist jedoch, was die AUC mit diesen Manövern bezweckt. Sie will sich als politischer Gesprächspartner ins Spiel bringen und an den Verhandlungen teilnehmen. Dem Oberbefehlshaber wird nachgesagt, dass er kriegsmüde sei und es ihn in die Politik ziehe. In dieses Szenario passt allerdings das Auslieferungsgesuch der USA nicht, das Castaño den Weg zum Verhandlungstisch versperrt. Denn selbst Präsident Uribe wird nicht mit jemandem verhandeln können, der auf der Fahndungsliste der USA steht.

Dass in Kolumbien mindestens 19 Haftbefehle wegen Menschenrechtsverbrechen gegen den Gründer und Oberbefehlshaber der Selbstverteidigung von Urabá und Córdoba (ACCU), der größten paramilitärischen Gruppe Kolumbiens, vorliegen, stört weniger. Darüber haben sich die kolumbianischen Politiker immer wieder hinweggesetzt. Zu eng verbunden ist das ökonomische, politische wie militärische Establishment mit der AUC, die sich zu erheblichen Teilen aus ehemaligen Polizei- und Militärangehörigen rekrutiert.

Doch in den USA hat sich seit dem 11. September einiges geändert, das bekommen auch Castaño und Co. zu spüren. Die AUC wird genauso wie die Guerillagruppen Farc und ELN als terroristische Organisation geführt. Derzeit verhandelt Joaquín Pérez, Castaños Anwalt in Miami, mit den US-Behörden über die Bedingungen einer Auslieferung. Castaño könnte aber bestenfalls als Kronzeuge seine Haftstrafe wegen Drogendelikten reduzieren. Steht er jedoch erst einmal in den USA vor Gericht, dürfte der Druck von Organisationen wie Human Rights Watch so groß werden, dass auch über die zahlreichen Menschenrechtsverletztungen, die ihm zur Last gelegt werden, verhandelt werden müsste. In seiner Biografie, die an jeder Ecke im Zentrum Bogotás zu kaufen ist, hat sich Castaño zu mehreren Morden bekannt.

Gibt es einen Deal zwischen den US-Behörden und Castaño, wie es die Farc vermutet? Vielleicht ist er nur das Bauernopfer, über dessen Schicksal sich Uribe und Bush verständigt haben, um ihre Kooperation auszubauen. Uribe würde dann zusätzliche Unterstützung von den USA bekommen, die Bush gewähren könnte, weil der linksliberale Flügel im Kongress und im Senat zufrieden wäre, einen notorischen Mörder zur Strecke gebracht zu haben.

Verhaften aber kann die Regierung Castaño, der mindestens 10 000 Bewaffnete in unzugänglchem Gelände kommandiert, nicht, und stellen wird er sich nur mit umfassenden Garantien.