Nach den Wahlen in Bosnien

Zurück zum Diktat

Die innigsten Glückwünsche kamen von der anderen Seite der Drina. »Ihrer weisen und rationalen Politik« sei es zu verdanken, dass die Serbische Demokratische Partei (SDS) zur stärksten bosnisch-serbischen Kraft avanciert sei, jubelte Jugoslawiens Präsident Vojislav Kostunica in der vorigen Woche. Kein Wunder. Der Wahlerfolg der vom mutmaßlichen Kriegsverbrecher Radovan Karadzic gegründeten nationalistischen SDS könnte zu einem noch engeren Bündnis zwischen Belgrad und der bosnisch-serbischen Regierung in Banja Luka führen. Schließlich hatte Kostunica Karadzics Kriegsprojekt einer engeren Anbindung der Republika Srpska an Serbien im September selbst auf die Tagesordnung gesetzt. Nach dem Sieg der SDS scheint es, als ob sich das sezessionistische Spiel mit den Staatsgrenzen künftig noch mehr lohnen könnte.

Denn auch die Ambitionen der bosnisch-kroatischen Separatisten, in Bosnien einen dritten Teilstaat zu errichten, sind nach den ersten von den nationalen Behörden selbst organisierten Wahlen gewachsen. Nur zwei Jahre brauchte der bosnische Ableger der vom Kriegspräsidenten Franjo Tudjman gegründeten Kroatischen Demokratischen Union (HDZ), um sich von der Abwahl aus der Bundesregierung in Sarajevo zu erholen.

Die rechten Kräfte innerhalb der HDZ, die im vergangenen Jahr den Austritt aus der muslimisch-kroatischen Föderation beschlossen - gemeinsam mit der serbisch dominierten Republika Srpska bildet die Föderation den Gesamtstaat -, fühlen sich ermutigt, erneut die Konfrontation mit der internationalen Protektoratsbehörde Paddy Ashdowns zu suchen. Dessen Vorgänger auf dem Posten des Hohen Repräsentanten, Wolfgang Petritsch, hatte die Sezession der kroatisch dominierten Herzegowina nur mit der Absetzung der HDZ-Parteispitze in Mostar verhindern können.

Auch Ashdown steht jetzt eine harte Auseinandersetzung mit jenen nationalistischen Gruppierungen bevor, die den Krieg im einstigen Kernland von Titos Jugoslawien im Jahr 1992 anzettelten. Allerdings führt in Sarajevo an einer Allianz der HDZ und der vom bosnischen Kriegspräsidenten Alija Izetbegovic gegründeten muslimischen Partei der Demokratischen Aktion (SDA) kaum ein Weg vorbei. Ashdown ist deshalb andererseits auf eine Annäherung an die Sammelbecken der alten Kriegskader angewiesen. Denn nur wenn es der Protektoratsbehörde gelingt, die Anhänger einer muslismisch-kroatischen Allianz in den beiden Parteien zu stärken, wird das Gerede über neue Grenzen verstummen.

Für das Vorhaben, die Nationalisten auf die internationale Demokratisierungsstrategie einzuschwören, stehen allerdings auch Ashdown nicht mehr als die klassischen Konzepte neokolonialer Protektoratsverwaltung zur Verfügung. Sollten die nationalistischen Parteien zur Blockadepolitik der unmittelbaren Nachkriegszeit zurückkehren, bliebe ihm lediglich das Diktat des Dekrets. Der Dayton-Vertrag, mit dem der Bosnien-Krieg im Jahr 1995 beendet wurde, räumt dem Hohen Repräsentanten nicht nur das Recht ein, jede Entscheidung der nationalen Parlamente aufzuheben, sondern er darf auch eigene Gesetze erlassen.

Das ist ein wertvolles Propagandaargument für die Chauvinisten in Belgrad, Banja Luka und Mostar. Die in allen ehemaligen staatssozialistischen Ländern Osteuropas zu beobachtende Begeisterung der Bevölkerung für nationalistische Programme bekäme dadurch neue Kraft.