Kriminalstatistik

Endlich ein Boom

Kriminalstatistik Endlich ein Boom von christoph villinger

Jetzt sage noch einer, unter dem rot-roten Senat werde nichts gegen den Bankenskandal unternommen. Um fast 100 Prozent stieg seit der »Machtübernahme der Kommunisten« die Zahl der Banküberfälle in der Stadt, berichtete die B.Z. in der vorigen Woche und berief sich dabei auf eine Statistik der Berliner Polizei. Insgesamt 37 Enteignungen in Banken gab es bereits in diesem Jahr, im Unterschied zu 20 im gesamten letzten Jahr. Was ist der Überfall auf eine Bank gegen die Gründung einer Bank, dachten sich die Täter wohl wie Bertolt Brecht.

In diesem Jahr übertrafen die Berliner schon im August mit über 394 000 Straftaten die Gesamtzahl ihrer Delikte des Vorjahres; bald werden sie also auch in der »Hauptstadt der Kriminellen« leben. Aller Voraussicht nach werden sie die Hamburger bis zum Jahresende überflügelt haben.

Dabei hilft ihnen ein besonders günstiger Umstand, wie der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Eberhard Schönberg, bemerkt. Gut ausgebildete Polizisten werden nämlich nach Hamburg und an den Bundesgrenzschutz verkauft. Deshalb sinkt in Hamburg die Zahl der Delikte, und Berlin ist eine sturmfreie Bude. So sei es kein Wunder, beklagen sich Beamte, dass es in Berlin in manchen Gegenden nach einem Überfall manchmal eine halbe Stunde dauere, bis die Polizei eintreffe. So ermuntere sie die Krimellen natürlich, gleich zwei Straßenecken weiter einen neuen Coup zu versuchen.

Ebenfalls deutlich, um 15 Prozent, ist in Berlin die Zahl der Einbrüche in Autos gestiegen. Offenbar legen immer mehr Menschen in der Stadt ihren überflüssigen Reichtum in ihren Autos zum Anschauen und Mitnehmen aus. Und ein ganz neues Modell von Car-Sharing begeistert einige junge Berliner. Sie suchen sich an einer Ampel einen tollen Flitzer aus, bitten höflich die Insassen aus dem Wagen, und schon geht's auf und davon. So geschehen am vorigen Mittwoch in Steglitz.

Allerdings haben auch unschöne Dinge wie Mord und Handtaschenraub in Berlin um fast 50 Prozent zugenommen. Dagegen haben die Berliner bei den gewaltfreien Delikten wie Fälschung und Computerkriminalität sogar um fast zehn Prozent nachgelassen. Das liegt nach der Auskunft des Landeskriminalamts (LKA) vor allem an den enormen Schwierigkeiten, die die neuen Euro-Scheine den Fälschern noch bereiten. »Hier sind die Blüten noch nicht so perfektioniert worden«, dass sich die Berliner damit in die Kaufhäuser trauten. Ebenso erschwerten neue Sicherheitsmerkmale und elektronische Vernetzungen den Betrug mit gefälschten oder gestohlenen EC-Karten, sodass sich die Zahl dieser Delikte um 2 700 verringert habe.

Besonders ärgerlich ist es für die kriminellen Berliner, dass das LKA wegen seiner Unterbesetzung in vielen Bereichen die Straftaten gar nicht mehr erfasst. So fehlen ihre Heldentaten in der Kriminalstatistik, während ähnliche Delikte in Süddeutschland und Hamburg als Treffer gewertet werden. Ein unfaires Hindernis auf dem Weg an die Spitze.