Norwegische Skilangläufer

Bericht gedopt

Ungefähr 24 Stunden lang müssen die Reporter des norwegischen Privatsenders TV2 stolz auf ihre Berichterstattung gewesen sein. Im Magazin »Rikets Tilstand« (etwa: Zur Lage der Nation) hatten sie Anschuldigungen veröffentlicht, nach denen die Langlaufstars des Landes wie Bjørn Daehlie, Vegard Ulvang und Johan Koss ihre Leistungen jahrelang und systematisch mit Blutdoping verbessert hätten. Bereits in den Achtzigern, erklärte der Sportarzt Helge Oftebro, hätten die Umkleideräume der Sportler »ausgesehen wie Kriegslazarette, mit Spritzen, von denen noch das Blut tropfte, und aufgerissenen Infusionsbeuteln überall«. Namen nannte er nicht, durch Bildschnitte war jedoch klar, wen er meinte.

Die Nation reagierte ungläubig, denn seit jeher begreift man sich als Vorreiter im Kampf gegen das Doping. Anderswo mochte man eine gewisse klammheimliche Schadenfreude nicht unterdrücken. Jari Isometsä, einer von mehreren erwischten finnischen Langläufern, erklärte gleich nach der Ausstrahlung des Berichts: »Es war schon sehr hart, wie die Norweger mit uns umgegangen sind. Dabei haben sie ja augenscheinlich keine Ahnung, was ihre eigenen Läufer all die Zeit getrieben haben.« Als der finnische Fernsehsender YLE einen Tag später den Beitrag kaufen wollte, lehnte TV2 ab.

Denn da musste das Unternehmen bereits Fehler im Bericht eingestehen. Die Liste mit 150 Medikamenten, vom Antidepressivum bis zu Tabletten gegen unregelmäßigen Herzschlag, die kurz vor der Olympiade von Lillehammer angeblich an den Arzt der Skinationalmannschaft geliefert worden waren, war falsch. In Wirklichkeit handelte es sich um die Lagerliste des Pharma-Unternehmens. Und der Doktor hatte, so belegen es die Orderbücher, lediglich 20 harmlose Medikamente bestellt.

Die Redaktion von »Rikets Tilstand« sowie ihr Kronzeuge Oftebro konnten zudem keinerlei Beweise für seine Behauptungen vorlegen, ein Umstand, der bei der Abnahme schon aufgefallen war. Der Sender sah da jedoch nach eigenem Bekunden »keine Möglichkeit« mehr, den bereits in allen Medien des Landes groß angekündigten Beitrag zu stoppen. Der Schaden für TV2 könnte groß sein. Die durch die ungewöhnlich hohen Zuschauerzahlen entstandenen Extraeinnahmen von 130 000 Euro will der Sender zwar spenden, die betroffenen Sportler nehmen den Bericht aber weiterhin übel.

Bjørn Daehli und Vegard Ulvang kündigten die Zusammenarbeit mit TV2. Mit der Begründung, die Meldung über dopende norwegische Skilangläufer habe in aller Welt Schlagzeilen gemacht, während das Dementi nur als Kurzmeldung verbreitet worden sei. Der Schaden sei gar nicht abzusehen. Auch die Reporter des Senders leiden unter einer gewissen Missstimmung. »Es ist sehr kalt hier«, meldete einer vom derzeitigen Mannschaftshotel, »bitte nehmen Sie das unbedingt auch im übertragenen Sinne.«