Afghanistan-Konferenz in Bonn

Augen zu und aufbauen!

Statt Kritik und Spott bekam Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Konferenz »Afghanistan im Wiederaufbau« auf dem Petersberg bei Bonn am Montag der vergangenen Woche endlich einmal ein Lob zu hören. Es sei »eine sehr freundliche Entscheidung« gewesen, mit dieser Konferenz die Aufmerksamkeit der Welt erneut auf die Probleme seines Landes zu lenken, erklärte der afghanische Präsident Hamid Karzai. Außenminister Joseph Fischer hatte er in der Woche zuvor sogar versichert: »Afghanistan vertraut Deutschland mit geschlossenen Augen.«

Gegenwärtig harmonieren das deutsche Großmachtstreben und die Interessen der Regierung Karzais. Mit mehr als 1 200 Soldaten stellt die Bundeswehr das größte Kontingent der Internationalen Unterstützungstruppe (Isaf), die Karzais Macht in Kabul sichert. Deutschland hat der afghanischen Regierung 126 Millionen Euro ausgezahlt, 46 Millionen mehr als zugesagt.

Das blinde Vertrauen Karzais hat sich die Bundesregierung wohl auch dadurch verdient, dass sie die Islamisten in seiner Regierung gewähren lässt. Auf einer Tagung vor der Konferenz hatten führende Mitglieder der Kabuler Verfassungskommission einem Bericht der Financial Times Deutschland zufolge die Sharia verteidigt und die Gleichberechtigung der Frauen abgelehnt. So heikle Debatten sollten die harmonische Stimmung auf dem Petersberg jedoch nicht stören. Dort stellten die Delegierten aus 32 Staaten fest, dass es in Afghanistan noch viel zu tun gibt, versicherten sich gegenseitig ihres guten Willens und gingen schon nach fünf Stunden auseinander.

Karzai nutzte die Gelegenheit für die Veröffentlichung eines Dekrets, das den Aufbau einer 70 000 Mann starken Armee ankündigt. Derzeit verfügt seine Regierung allerdings nur über 1 400 Soldaten. Er fordert deshalb schon seit Monaten, dass die bislang nur in Kabul stationierte Isaf auch in den von Warlords beherrschten Territorien tätig wird. Diese Forderung könnte schon bald dazu führen, dass er seine Augen wieder öffnen muss, denn die Bundesregierung sieht keinen Anlass, sich auf ebenso riskante wie unprofitable Kämpfe mit den Warlords einzulassen.

Die Intervention in Afghanistan, die mehr als ein halbes Jahr vor Schröders Einspruch gegen die Irakpolitik der USA beschlossen wurde, sollte Deutschland vor allem größeren Einfluss in der Weltpolitik verschaffen. In der Debatte um den Irakkrieg ist sie nun auch ein willkommener Beweis für den deutschen Willen, »Verantwortung« zu übernehmen und zugleich politische Eigenständigkeit zu demonstrieren. Die USA bombardieren, Deutschland baut auf - das war die implizite Botschaft dieser Politik. Diese bequeme Position aber wird die Bundesregierung nicht halten können.

Im Februar übernimmt Deutschland gemeinsam mit den Niederlanden die Führung der Isaf. Bis dahin sollen 1300 zusätzliche Bundeswehrsoldaten in Kabul stationiert werden. Da mangels politischer Konzepte die westliche Interventionspolitik auf eine autoritäre Stabilisierung und militärische Kontrolle setzen muss, ist die Ausweitung der internationalen Truppenpräsenz nur eine Frage der Zeit. Und es ist unwahrscheinlich, dass die USA und Großbritannien einmal mehr den blutigen Teil der Arbeit übernehmen, während die deutschen Soldaten in Kabul Dosenbier trinken.

Eine unangenehme Lage für Schröder, der sich einen Rückzug nicht leisten kann, aber fürchten muss, dass in body bags heimkehrende Soldaten seinem Image als Friedenskanzler abträglich sind.