»Israels Vorgehen ist problematisch«

Der Bundesregierung liegen gegenwärtig zwei Anfragen nach militärischer Unterstützung aus Israel vor. Schon vor einiger Zeit bat Israel Deutschland um die Lieferung von Luftabwehrraketen des Typs Patriot, die das Land im Falle eines Krieges vor irakischen Angriffen schützen sollen. Die Bundesregierung will diese Raketen zur Verfügung stellen. Nun bat Israel aber auch um Transportpanzer des Typs Fuchs. Diese Bitte lehnen große Teile der rot-grünen Koalition ab und berufen sich auf die deutschen Rüstungsexportrichtlinien, die angeblich eine Lieferung derartiger Fahrzeuge in Krisengebiete verbieten. Winfried Nachtwei ist sicherheitspolitischer Sprecher der Grünen.

Warum lehnen Sie die Lieferung von Fuchs-Transportpanzern an Israel ab?

Diese Panzer können nicht nur im Rahmen der israelischen Landesverteidigung, sondern auch in bebautem Gebiet, etwa in palästinensischem Gebiet, eingesetzt werden. Das wäre vermutlich auch ihr Haupteinsatzweck. Und dort, in den palästinensischen Gebieten, kommt es im Zuge einer legitimen Terrorbekämpfung auch immer wieder zu unverhältnismäßigen Einsätzen des israelischen Militärs, zu Menschenrechtsverstößen, und deshalb ist nach unserer Auffassung eine Lieferung dieser Transportpanzer nicht genehmigungsfähig.

Diese Haltung der Bundesregierung stößt in Israel auf Unverständnis. Aus der Sicht vieler Israelis befindet sich das Land im Krieg gegen den Terrorismus.

Dass die israelische Bevölkerung und der israelische Staat unter einer fürchterlichen alltäglichen terroristischen Bedrohung leiden, ist uns allen bekannt. Dieses Problem zu lösen, ist äußerst schwierig. Aber unsere Solidarität mit der israelischen Bevölkerung und dem israelischen Staat kann nicht bedeuten, dass wir jede Art der Bekämpfung des Terrorismus unterstützen.

Auch in Israel, denke ich, ist die Reaktion auf die bei uns deutlich werdende ablehnende Haltung gegenüber dieser Lieferung sicher geteilt, wie ja die israelische Bevölkerung auch sehr gespalten ist in der Beurteilung der Besatzungspolitik.

Paul Spiegel, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte kürzlich, wenn ein Partner in Not sei, dann sei es die Pflicht eines Freundes zu helfen.

Das tut die Bundesrepublik ja auch.

Einerseits versicherte die Bundesregierung auf der Petersberger Konferenz in der vorigen Woche, dass sie sich Afghanistan verpflichtet fühle und sich dort weiter engagieren wolle, andererseits erteilt sie den jüngsten Anfragen der USA und Israels in Teilen, etwa was die Lieferung der Fuchs-Panzer und den Einsatz der in Kuwait stationierten Spürpanzer im Falle eines Krieges betrifft, eine Absage. Ist das der »deutsche Weg«, von dem Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach?

Die Rede vom »deutschen Weg« fand ich, wenn sie bezogen sein sollte auf die Außenpolitik, äußerst unglücklich, weil wir als Bundesrepublik ja versuchen, mit anderen Partnern zusammen Außenpolitik zu machen. Aber es ist schon richtig, dass wir die Rolle des Militärischen und vor allem die Rolle militärischer Gewalt deutlich anders einschätzen, als es die jetzige US-amerikanische Regierung tut.

Unsere Politik setzt - und das wird auf dem Balkan und auch in Afghanistan deutlich - auf die Förderung der Zivilgesellschaft, der Rechtsstaatlichkeit und des nation building. Wir sehen die Aufgabe des Militärs vor allem darin, die offene Kriegsgewalt einzudämmen.

In der ersten Legislaturperiode der rot-grünen Regierung führte die Frage von Waffenlieferungen an die Türkei zu einem Streit in der Koalition. Deutschland lieferte der Türkei eine Munitionsfabrik und einen Leopard-Testpanzer.

Der Unterschied besteht darin, dass die Lieferung des Testpanzers an die Türkei genau der Anstoss für uns, die Grünen, war, eine Verschärfung der Rüstungsexportrichtlinien durchzusetzen und dabei den Aspekt der Menschenrechte stärker zu berücksichtigen. Das war vorher nicht der Fall.

Dass dann noch eine Munitionsfabrik geliefert wurde, war, und das haben wir damals auch deutlich gesagt, ein Verstoß gegen diese verschärften Rüstungsexportrichtlinien.

Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Reinhold Robbe von der SPD, will Israel die Panzer zur Verfügung stellen. Kann es in diesem Punkt zu einem Konflikt in der Koalition kommen?

Ich glaube, dass die Haltung der Koalition in dieser Frage mehrheitlich ablehnend ist, insofern sehe ich da keinen Konflikt.

Könnte sich in der Folge das deutsch-israelische Verhältnis so verschlechtern wie derzeit das deutsch-amerikanische?

Das glaube ich nicht, weil die deutsche Unterstützung für Israel so umfassend ist und auch der Dialog mit der israelischen Regierung trotz erheblicher Differenzen so intensiv und so vertrauensvoll ist, vor allem dank Bundesaußenminister Joschka Fischer, dass eine sehr gute Vertrauensbasis besteht.

Muss es auf die Israelis nicht trotzdem etwas befremdlich wirken, wenn Gerhard Schröder vor wenigen Monaten noch über einen möglichen deutschen Blauhelmeinsatz im Nahen Osten spekulierte und die Bundesregierung nun Israel die Unterstützung versagt?

Der Gedanke mit den Blauhelmen wurde vielleicht einmal geäußert, war aber nie die offizielle Position der Bundesregierung. Ein so genannter Peace-Keeping-Einsatz wird von der israelischen Regierung abgelehnt. Ein Blauhelmeinsatz, der dem Auseinanderhalten der Konfliktparteien dient, muss von beiden Seiten akzeptiert werden.

Die Anfrage nach den gepanzerten Transportfahrzeugen ist etwas anderes. Eine Lieferung wäre die Unterstützung einer Partei bei deren Art des Vorgehens. Und dieses Vorgehen ist sehr problematisch, weil es sich immer wieder unterschiedslos gegen Zivilisten richtet.

Wir sind für eine intensive Freundschaft und Partnerschaft mit Israel. Aber daraus kann selbstverständlich nicht die Verpflichtung resultieren, im Einzelfall jede Art von Politik zu unterstützen. Wir müssen ja auch nicht die Unfrieden stiftende Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten unterstützen.

Ist das die Meinung der Grünen, man habe im Nahen Osten einen Konflikt zweier Parteien, die sich bekämpfen, und man fühle sich keiner der Parteien enger verpflichtet als der anderen?

Nein. Diese so genannte Äquidistanz nehmen wir nicht ein. Wir fühlen uns dem israelischen Volk, dem israelischen Staat besonders verpflichtet, und wir stehen auch in einer Verpflichtung für seine Existenz. Das ist das Erste.

Das Zweite aber ist, dass wir auch der Auffassung sind, dass es einen Frieden im Nahen Osten nur geben kann, wenn die Israelis mit ihren Nachbarn, mit den Palästinensern und den anderen, eine friedliche Lösung erreichen. Das heißt, wir sind auf der menschenrechtlichen Ebene solidarisch mit allen, auf der politischen Ebene sind wir ganz besonders der jüdischen Bevölkerung verbunden.

Wird Joschka Fischer in der Sitzung des Bundessicherheitsrates, der über die Fuchs-Transportpanzer entscheidet, der Linie ihrer Partei folgen und diese Lieferung an Israel ablehnen?

Wir haben die Rüstungsexportrichtlinien gemeinsam erarbeitet, und ich gehe davon aus, dass er diese Position teilt.

Es wurde darüber spekuliert, dass die Anfrage aus Israel zum jetzigen Zeitpunkt auch daher rühren könnte, dass man Deutschland, gerade nach den Unstimmigkeiten im deutsch-amerikanischen Verhältnis, wieder in die Bündnispolitik einbinden wolle.

Zumindest für die Anfrage nach Patriot-Abwehrraketen scheint das nicht zuzutreffen, weil diese Anfrage unabhängig von einem etwaigen Irakkrieg schon vor längerer Zeit erfolgte. Bei den Transportpanzern ist das eine nahe liegende Spekulation, die ich aber nicht verifizieren kann.