Ölpest an der galizischen Küste

Leck im System

»Die Europäische Union verfügt jetzt über eins der besten maritimen Sicherheitsgesetze der Welt«, verkündete die EU-Transportkommissarin Loyola de Palacio noch am 14. November. An diesem Tag veröffentlichte die Kommission stolz eine Pressemitteilung mit dem Titel: »Die Europäische Union, Vorreiterin in maritimer Sicherheit«. Kurz darauf brach der Öltanker »Prestige« auseinander, 70 000 Tonnen Schweröl flossen an der galizischen Küste ins Meer.

Inzwischen steht außer Zweifel, dass diese Ölpest die Vorfälle der vergangenen Jahre übertreffen wird. Schon jetzt ist die Fischerei an einem 100 Kilometer langen Küstenstreifen verboten, die Helfer können sich darauf einstellen, dass ihnen die Arbeit im schwarzen Schlamm noch längere Zeit nicht ausgehen wird. Selbst die angrenzenden Küsten von Portugal und Frankreich sind mittlerweile bedroht.

Darüber, dass auch diese Katastrophe durchaus vorhersehbar war, sind sich nicht nur die Umweltschützer einig. Bereits 1993 soll der Tanker im Golf von Mexiko erhebliche Mengen Öl verloren haben, berichtet die US-Küstenwache auf ihrer Website. Auch in europäischen Häfen war die »Prestige«, die seit 26 Jahren im Dienst war, wegen kleinerer technischer Mängel bereits aufgefallen. Die Entdeckung blieb ohne Folgen.

Denn trotz seines erbärmlichen Zustands verfügte der Tanker über gültige Zertifikate, die ihm eine einwandfreie Seetauglichkeit bescheinigten. Wegen des Billigflaggensystems werden die nötigen Papiere im internationalen Konkurrenzkampf ohne aufwändige Kontrollen ausgehändigt. Die »Prestige« zierte eine Flagge der Bahamas, das Schiff gehörte einer griechischen Reederei mit Sitz in Liberia. Derzeit ist es allerdings von einer Firma gechartert, deren Sitz sich in der Schweiz befindet, die jedoch aus Russland finanziert wird.

Doch am System der freien Flaggenwahl will niemand rütteln, und auch innerhalb der EU scheiterte bislang die Einführung strengerer Kontrollen an nationalen Egoismen. »Die Forderung nach geeigneten Nothäfen für havarierte Schiffe finden alle gut, doch keiner möchte sie zur Verfügung stellen«, meinte der Leiter der Bergungsreederei Smit Salvage, Hans de Rooij, erbittert.

Wäre die »Prestige« in einem solchen Hafen aufgenommen worden, wäre die spanische Küste jetzt nicht mit Ölschlamm verseucht. Immerhin sollen bis zum Jahr 2015 alle Tanker, die nur über eine Schutzwand verfügen, aus den Gewässern der EU verbannt werden. Das ist eine Vorschrift des neuen Gesetzes, das Mitte November der Presse angepriesen wurde. Allerdings will die EU sie nun vielleicht doch etwas früher in Kraft setzen.

Das Tankerunglück beweist, was längst offensichtlich war. Auch der EU ist der Umweltschutz längst nicht so wichtig, wie sie es auf internationalen Konferenzen gerne glauben macht. In diesem Fall sind selbst die USA den europäischen Staaten meilenweit voraus. Dort sind bereits seit zwölf Jahren nur noch doppelwandige Tanker zugelassen, die Schiffsbesitzer sind zur Offenheit verpflichtet. Wer einen Schaden verursacht, muss dafür in voller Höhe aufkommen.

Auch in diesem Punkt bleibt die europäische Justiz hinter der nordamerikanischen zurück. »Die Geldstrafen sind hierzulande nicht hoch genug, um möglichen Übeltätern Angst zu machen«, sagt beispielsweise Alexandre Faro, ein französischer Anwalt und Spezialist im Umweltrecht. Ein beunruhigender Hinweis, wenn man weiß, dass derzeit knapp 2 000 Öltanker mit einfacher Hülle auf den Weltmeeren unterwegs sind.