Segeln. Der America's Cup

Wenden vor Gericht

Wer das Segeln für einen fairen Sport hält, sollte sich mal den America's Cup ansehen.

In normalen Sportarten wären die Viertelfinalrennen des diesjährigen America's Cup so etwas wie vorweggenommene Endspiele gewesen. Das Team von Dennis Conner, Stars and Stripes, musste sich dabei wegen eines unforced error - die Mannschaft hatte den Spinnaker, das größte Segel, beim Umrunden der letzten Wendemarke fallen lassen und daher eine Strafrunde kassiert - der italienischen Konkurrenz von Prada geschlagen geben.

Dabei waren beide Starter gehandicapt ins Rennen gegangen. Prada hatte bis zuletzt fieberhaft an der Yacht ITA 80 herumgebastelt, dann jedoch nur wenige Stunden vor dem Viertelfinale das Vorgängermodell ITA 74 wieder zum Einsatz gebracht. Das Team Conners hatte dagegen seine USA 77 im August versenkt, das Schiff liegt vor dem Hafen von Long Beach auf Grund.

Falls es auf dieser Welt noch jemanden gibt, der das Segeln für einen fairen, sich selbst regulierenden Sport hält, so dürfte er seit einigen Wochen sehr enttäuscht sein. Denn der Endrundengegner von Prada heißt OneWorld. Oder wird es doch das Team Conners?

Denn dieses Seglerduell wird wohl nicht auf hoher See, sondern vor dem Schiedsgericht entschieden. Die Auseinandersetzung zwischen OneWorld und Stars and Stripes hat eine ziemlich lange Vorgeschichte. Ende November bat Conner das Schiedsgericht des America's Cup um die Suspendierung der Yacht OneWorld. Damit sei, so Segelexperten »eine zweite Front« aufgebaut worden, denn zuvor hatten sich bereits die Bootsbesitzer von »Team New Zealand«, »Prada« und »American True« beschwert.

Der Paragraf, gegen den die Crew von OneWorld angeblich verstoßen haben sollen, ist Auslegungssache. In der Regel Nummer zwei heißt es unter der Überschrift »Faires Segeln« nämlich, dass ein Boot und seine Besitzer in Übereinstimmung mit den anerkannten Prinzipien der Sportlichkeit und des Fair Play handeln sollen.

Der Protest Conners erfolgte jedenfalls zu einem für OneWorld ausgesprochen ungelegenen Zeitpunkt. Kurz zuvor hatte die Besatzung der Yacht »Prada« erst Beschwerde gegen sie eingelegt, mit der Begründung, sie haben gleich mehrfach gegen wichtige Punkte der Satzung des America's Cup verstoßen. So sei das Team aus ungeklärten Gründen in den Besitz von geheimen Designinformationen über die Boote »Team New Zealand«, »Prada« und »American True« gekommen. In der ersten diesjährigen Rennphase wurde OneWorld deswegen bereits mit einem Punktabzug bestraft.

»Wie ernst die Kontrahenten den möglichen Verstoß gegen die Regeln nehmen, wird vielleicht am besten verdeutlicht, wenn man sich die Zahl der gezogenen Strippen vorstellt: Es waren viele«, schrieb das Fachmagazin Yachting World. Es handele sich bei den Vorwürfen schließlich um die ernstesten in der Geschichte des America's Cup.

Conner, der in den Vorrennen mit 0:4 gegen OneWorld verloren hatte, und Prada legten jetzt jedoch neue Beweise gegen die Konkurrenz vor. Die Reaktion der Beschuldigten bestand zunächst nur in Ankündigungen. Der Sponsor Craig McCaw sowie die drei Designer des Teams wollen eidesstattliche Versicherungen hinterlegen, nach denen sie keine Verstöße gegen das Reglement begangen haben. Bob Ratcliffe, der Direktor OneWorld, bezeichnete das Vorgehen der Konkurrenz als »hinterhältige Strategie«, denn: »Das ist ein verzweifelter Akt verzweifelter Leute, die diesen Wettbewerb lieber an Land als auf dem Wasser austragen würden.«

Davidson schwor beispielsweise, niemals die Daten der anderen Yachten auf seinem Computer gehabt zu haben. Das ist ein bisschen wenig. Zumal OneWorld schon einmal des Datenklaus bezichtigt wurde. Damals, im Jahr 2000, hatte es zudem Gerüchte über den wirklichen Sponsor des Teams gegeben. Selbst Insider hatten Bill Gates als Geldgeber vermutet, was sich wähend eines Hearings als falsch erwies. McCaw, ein reicher Telekommunikationsunternehmer, war derjenige, der OneWorld sponserte. Er sagte beim damaligen Hearing, dass keiner seiner Segler jemals etwas getan habe, das den Statuten des America's Cup zuwiderlaufe.

Ein Jahr später war McCaw gar nicht mehr so sehr reich. Sein Vermögen war dem allgemeinen wirtschaftlichen Niedergang zum Opfer gefallen, das Team OneWorld gab es jedoch immer noch. Und sein Starsegler Sam Reeve, im Jahr 1984 ein Medaillengewinner in der 470er-Klasse, versuchte, die Seiten zu wechseln. Die Konkurrenz der Oracle-Crew warnte den Mitwettbewerber, dass einer aus der Mannschaft im Begriff sei, Designgeheimnisse zu verkaufen. Erst ein Gerichtsurteil überzeugte den Segler, dort zu bleiben, wo er war.

OneWorld scheint dagegen trotz des nicht zum Einsatz gekommenen Spions Zugang zu geheimen Bauplänen der Konkurrenz gehabt zu haben, glaubt man den Einlassungen der Kläger. Die als Hirngespinste durchgehen könnten, hätten es vor wenigen Tagen Einbrecher nicht ausgerechnet auf ihre Anwältin abgesehen gehabt. In der Kanzlei wurde nichts gestohlen, lediglich wichtige Beweisakten des Regattafalles fehlten.

So viel Aufregung, kriminelles Bemühen und legaler Beistand scheinen ein bisschen viel verlangt für ein einfaches Wettsegeln. Der America's Cup verfügt jedoch über derart viel Tradtition, dass sie gleich für mehrere verschiedene Sportarten reichen würde. Der allererste Cup wurde im Jahr 1851 gesegelt.

Damals hatte die Royal Yacht Shwadron alle anderen Segler der königlichen Flotte zu einem Rennen um die Isle of Wright heraugefordert. Zu diesem Zeitpunkt hieß das sportliche Abenteuer noch »100 Guineas Cup«, und die vom vor 151 Jahren erstmals siegreichen Boot »America's Cup« gewonnene Trophäe ging an den Royal Yacht Club New York, der sie 132 Jahre lang behalten sollte.

Erst im Jahr 1983 gelang es einem Segler von einem anderen Kontinent, den ziemlich hässlichen Pott zu gewinnen. Alan Bonds »Australia II« rauschte damals der Konkurrenz davon. Im selben Jahr wurde der traditionelle Name der Regatta ergänzt. Die Ausscheidungsrennen zum America's Cup wurden nach dem renommierten Lederwarenhersteller Louis Voutton benannt.

Der Sponsor wird über die legalen Auseinandersetzungen anlässlich des renommierten Rennens nicht unbedingt erfreut sein. Wahrscheinlich schwebten ihm Bilder von aufgeblähten Segeln im Sonnenunter- bzw -aufgang vor, vermischt mit werbewirksamen Fotos sportlicher Männer. Und nun bekommt er sportliche Männer, deren Bizeps die mit dem Firmenlogo versehenen hellblauen Hemden fast sprengen, vor Gericht.