Die neuen Parteisprecher der Grünen

Dick und Doof

Mit den Grünen könnte es wieder abwärts gehen. Denn Angelika Beer und Reinhard Bütikofer sind die neuen Vorsitzenden der Partei.

Valium fürs Volk

Hierzulande gibt es eine kleine, aber feine Partei, die sich zumindest, was eine Sache angeht, treu bleibt. Von allen Parteien, die die Welt nicht braucht, ist sie die lustigste. Um den gepeinigten Fernsehzuschauer, der immer dieselben Politiker in den Abendnachrichten nicht mehr ansehen mag, einigermaßen bei Laune zu halten, wechselt sie regelmäßig ihre Parteisprecher aus. Das ist löblich, denn sie hat einen geradezu unerschöpflichen Vorrat an Backpfeifengesichtern, und warum sollen uns nach ein, zwei Jahren nicht einmal zwei andere aus dem Fernsehkasten heraus anschauen?

Nur eines stört an dieser Auswechselungstaktik. Da hatten wir uns gerade erst gewöhnt an die rücksichtslos in sämtliche zur Verfügung stehenden Kameras keifende Betriebsnudel, die ihre beängstigende Ahnungslosigkeit durch übermäßige Lautstärke und kompromisslose Bildschirmpenetranz wieder wettmachte, und an den ihr zur Seite gestellten schwäbischen Pietisten, der im Vergleich zu ihr beinahe scheintot wirkte, schon wurden sie auch wieder abgesetzt. Nicht etwa, dass das gar so schlimm wäre, aber wir wissen ja, wer ihnen nachfolgt. Die Zukunft hält stets härtere Strafen für uns bereit.

Denn wollten uns die Grünen mit ihren beiden ehemaligen Vorsitzenden nur sinnlos quälen, so sind sie nun offensichtlich mit den beiden Nachfolgern auf einen ganz neuen, noch perfideren Trick verfallen: Sie wollen uns zu Tode langweilen. Eine Strategie, die ebenso überraschend ist, wie sie sich als wirkungsvoll erweisen könnte. Eine Art Schocktherapie.

Der Garant dafür, dass sie gelingen könnte, ist ein Phänomen mit dem Namen Reinhard Bütikofer, denn nichts Bekanntes auf der Welt existiert, das weniger aufregend ist als er. Selbst einem Popel beim Trocknen zuzusehen, begeistert mehr, als dem Herrn Bütikofer beim Reden zuzuhören. Als Beruf gibt er »schlicht 'Politiker' an, das habe er gelernt«, berichtet die Financial Times Deutschland.

In der Vergangenheit hat er sich vor allem als ungeschlagener Meister im Gebrauch gespreizter Nullformulierungen erwiesen. Gelegentlich will er schon mal »die Zukunft unserer Gesellschaft innovativ prägen«, »viel an produktiver Auseinandersetzung und neuer Orientierung schaffen«, »auf den Mut zu Reformen als Grundstrategie setzen« oder, wenn's denn unbedingt sein muss, »die Visionen, die wir daraus entwickeln, deutlicher formulieren«. Wer so reden kann, der wird was bei den Grünen.

Also meisterte er die undankbare Aufgabe des Bundesgeschäftsführers, die ihm vor vier Jahren wegen seiner Eloquenz zufiel, mit Bravour. Regelmäßig sah man ihn nach Landtagswahlen, die seiner Partei katastrophale Ergebnisse beschert hatten, wie einen aufgegangenen Hefekloß auf Valium in Politikerrunden sitzen, wo er bewusstlos vereinzelte Satzbrocken vor sich hinstammelte, während die anderen wirkten, als seien sie auf Koks.

»Wir können mit dem Programm ganz pragmatisch visionäre Politik machen. Wir erneuern uns dazu aus unseren ureigenen Wurzeln heraus.« Aus dem Bütikoferschen übersetzt heißt das wohl nichts anderes als: Wir machen alles mit. Seine Partei, die es bisher noch immer zustande brachte, konsequent aus jedem Nein ein Ja zu machen, hat mit Reinhard Bütikofer ihren idealtypischen Vorsitzenden. Als er kurz vor Beginn des Parteitages gefragt wurde, ob er für den Parteivorsitz zur Verfügung stehe, antwortete er schlicht: »Nein.«

Schon wenige Stunden später ist er prompt dort angekommen, wo offenbar die drolligsten und peinlichsten Figuren der Grünen früher oder später zwangsläufig landen: an der Parteispitze. Und wenn wir Glück haben, löst die neue »wortgewandte« (Neue Osnabrücker Zeitung) Stimmungskanone mit »Kämpferherz« (Tagesspiegel) bei seinen Zuhörern etwas aus, das wir gar nicht mehr für möglich gehalten haben: einen tiefen, traumlosen Schlaf, der schon unmittelbar nach dem Einschalten des Fernsehgeräts eintritt. Und das ist doch immerhin mehr, als wir zu hoffen wagten in dieser hektischen Zeit.

Blitzhochzeit

Auch für Angelika Beer, die Partnerin an der Seite Bütikofers, erwies sich die grüne Partei als Personal-Service-Agentur. Nach acht Jahren im Parlament war sie nach der Bundestagswahl im September arbeitslos. Ihr Landesverband in Schleswig-Holstein hatte sie gemäß seiner Satzung nicht wieder nominiert.

Doch nach den Plänen der Hartz-Komission soll ja nicht mehr so lange gewartet werden, bis die Leute zu Langzeitarbeitslosen geworden sind. Schneller vermitteln, lautet die Devise, und bei Angelika Beer, die eigentlich schwer vermittelbar scheint, hat es prompt geklappt.

Und auch privat war die vergangene Woche ein Höhepunkt für Beer. Sie ist nämlich nicht nur wieder in Lohn und Brot, nein, sie ist auch unter der Pickelhaube.

Beer, die bis vor kurzem noch verteidigungspolitische Sprecherin ihrer Partei war und seit dem Kosovokrieg gerne von »unseren Soldaten« sprach, hat »ihren« Soldaten gefunden: den scheidenden Militärattaché in Mazedonien, Peter Matthiesen. Schon im August sagte sie der Frankfurter Rundschau: »Jetzt werde ich tierisch Akten wegschmeißen, um Platz für meinen Mann zu schaffen.«

Bei seiner Abschiedsrede in Skopje machte ihr der 56jährige Oberstleutnant vor rund 70 Gästen am vergangenen Donnerstag einen Heiratsantrag. Die ehemals bekennende Antimilitaristin Beer sagte: »Ja.«

»Die Liebe schlug bei uns ein wie ein Blitz aus heiterem Himmel«, schwärmte Beer. »Ich bin schwer verliebt. Er ist der Mann fürs Leben.« Beer setzt damit eine alte Tradition grüner Parteichefinnen fort und begibt sich mit einem Soldaten ins eheliche Biwak. Petra Kelly, die erste Parteivorsitzende der Grünen, war bekanntlich mit dem Panzergeneral a.D. Gert Bastian liiert.

Auch sonst hat sich Beer noch viel vorgenommen. Sie sieht sich nicht als Vorsitzende auf Zeit, wie sich das ihr parteiinterner Gegner Joschka Fischer wohl erträumt. Er machte beim Parteitag in Hannover nach Beers Wahl nicht einmal gute Miene zum bösen Spiel. Denn tatsächlich droht ihm mit Beer Ungemach.

Die Friedenstaube in der schwarzen Lederjacke hat sich offenbar zum Ziel gesetzt, eine deutsche Beteiligung an einem Irakkrieg zu verhindern. So sprach sie sich gleich nach ihrer Wiederwahl dagegen aus, den USA im Falle eines Angriffs auf den Irak Überflugsrechte einzuräumen. Dabei hatte sie als »Zwiespalt in Person« (Die Welt) auf dem Sonderparteitag der Grünen in Bielefeld 1999 noch leidenschaftlich für den Krieg gegen Jugoslawien argumentiert.

Dieses Mal sollen sich ihrer Meinung nach deutsche Soldaten nicht einmal an Awacs-Aufklärungsflügen beteiligen. Bundeskanzler Gerhard Schröder wies sie bereits zurecht: »Frau Beer wird das nicht zu entscheiden haben.«

Die glückliche Angelika muss aufpassen, dass sie, sollte sie sich mit Fischer und Schröder anlegen, nicht schneller dahin zurückkehrt, woher sie und Bütikofer kamen: auf die »Ersatzbank« (taz), auf das »Abstellgleis« (Süddeutsche Zeitung), in die »Peripherie« (Frankfurter Rundschau).