Kolumbien: Einseitiger Waffenstillstand

Gottes Werk und Castaños Beitrag

Die paramilitärische AUC hat einen einseitigen Waffenstillstand verkündet und die wichtigste Bedingung der kolumbianischen Regierung für die Aufnahme von Verhandlungen erfüllt.

Der Friedensbeauftragte der Regierung Àlvaro Uribes, Luis Carlos Restrepo, hat derzeit alle Hände voll zu tun. Er führt Gespräche mit den Guerillabewegungen ELN und Farc sowie den rechstextremen Paramilitärs, um die Grundlage für eventuelle Friedensverhandlungen zu schaffen.

In den letzten Wochen war Restrepo sowohl im Hochsicherheitsgefängnis Itagüí, wo er mit den ELN-Comandantes Francisco Galán und Felipe Torres sprach, als auch in Venezuela, um mit Unterhändlern der größten Guerillaorganisation des Kontinents, der Farc, über die Modalitäten eines eventuellen Austauschs von Entführungsopfern zu sprechen.

Und schließlich traf sich Restrepo mit dem militärischen Chef der Paramilitärs, Salvatore Mancuso. Für dieses letzte Treffen, ein Novum in der bisherigen kolumbianischen Geschichte, musste erst einmal die rechtliche Basis geschaffen werden. Denn in der Vergangenheit war die Grundlage für die Verhandlungen mit der ELN und der Farc das so genannte Gesetz 418. Es sicherte den Guerillaorganisationen einen politischen Status zu, den die Paramilitärs in den letzten Jahren zwar lautstark forderten, aber nie erhielten.

Zum einen wegen des Drucks der Farc, die damit drohte, sämtliche Verhandlungen abzubrechen, aber auch um die internationale Öffentlichkeit nicht zu brüskieren. Vor allem von den Europäern, die sich in die Friedensgespräche mit der Farc, aber auch mit der ELN in der einen oder anderen Form eingeschaltet hatten, wäre so etwas kaum akzeptiert worden.

Unter dem neuen Präsidenten Àlvaro Uribe haben sich die Regeln geändert. Das Gesetz wurde modifiziert, der Passus über den politischen Status ersatzlos gestrichen. Die Bedingungen für die Aufnahme von Gesprächen sind unter Uribe denkbar einfach. Er knüpft den Beginn von echten Verhandlungen an die einseitige Niederlegung der Waffen durch die »bewaffneten illegalen Gruppen« und hat damit auch den Paramilitärs einige Möglichkeiten eröffnet.

Das sind schlechte Voraussetzungen für eine Annäherung zwischen der Guerilla und der Regierung, wie der Comandante Ramiro Vargas von der ELN Anfang Dezember urteilte. Er bezeichnete die bisherigen Gespräche gegenüber der kolumbianischen Tageszeitung El Espectador als Sondierungsgespräche ohne Fortschritte. Die Aberkennung des politischen Status sei ein Manöver, um die Guerilla mit den Paramilitärs auf eine Stufe zu stellen.

Mit der Farc gab es hingegen nicht mehr als Gespräche über ein humanitäres Abkommen. Das Ziel ist es, die Freilassung von Gefangenen der Farc, zumeist Opfer von Entführungen, zu erreichen. Dabei geht es in erster Linie um 23 Politiker, unter ihnen die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt. Die Farc bot an, die 23 Politiker sowie 47 Offiziere der Armee im Austausch gegen sämtliche inhaftierten Mitglieder der Farc freizulassen.

Als Garantiemacht für die Konsultationen hat sich Frankreich zur Verfügung gestellt. Doch bisher sieht es nicht so aus, als ob sich die Regierung Uribe auf das Angebot der Farc einließe. Klein beizugeben, ist die Sache des Präsidenten nicht, obwohl seine Politik umstritten ist und die Farc in den letzten Monaten mit zahlreichen Anschlägen gezeigt hat, dass sie militärisch in der Lage ist, auch zentrale Regierungseinrichtungen zu attackieren.

Ganz anders liegt der Fall hingegen bei den Paramilitärs. Sie akzeptierten die Bedingungen der Regierung für die Aufnahme von Verhandlungen, und der politisch Verantwortliche der AUC (Autodefensas Unidas de Colombia), Carlos Castaño, scheute in den letzten Monaten keine Mühen, seine Organisation auf Linie zu bringen.

Dabei folgen ihm allerdings lange nicht mehr alle Comandantes widerspruchslos. Zweimal ist Castaño bereits aus der Führung der AUC ausgetreten. Seinen scheinheiligen Protest gegen die direkte Beteiligung zahlreicher Comandantes am Drogengeschäft wollte er damit zum Ausdruck bringen und zugleich zeigen, dass die AUC ohne ihn kaum auskommt. Diese Strategie hat Castaño anscheinend geholfen, denn die meisten der Comandantes gaben nach.

Gleichwohl gibt es Anzeichen für Spannungen im paramilitärischen Dachverband. Castaño wechselt der kolumbianischen Wochenzeitung Cambio zufolge seine Quartiere aus Angst vor einem Attentat mindestens alle zwei Tage. Zudem wollen sich drei der fünf Fraktionen nicht mehr von der Dachorganisation vertreten lassen, sie führen separate Gespräche mit Beauftragten der Regierung.

Vielleicht liegt das daran, dass Castaño, dem nachgesagt wird, seinen Abgang aus der AUC vorzubereiten, einige Comandantes wegen Kokainhandels der US-amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde DEA ausliefern will. Seit mindestens drei Jahren verfügt er über Kontakte zur DEA.

Und allem Anschein nach verfolgt Castaño eine Doppelstrategie. Hartnäckig bereitet er die Verhandlungen zwischen der Regierung und den Paramilitärs vor, die von der katholischen Kirche vermittelt werden. Einige der Kirchenmänner gehören wie Uribe und drei seiner Minister dem rechten Orden Opus Dei (Werk Gottes) an.

Zum anderen hat Castaño sich vorbehalten, dem Auslieferungsgesuch der USA wegen Drogenschmuggels (Jungle World, 43/02) Folge zu leisten und dort als Kronzeuge aufzutreten, was ihm möglicherweise eine milde Haftstrafe einbringen würde.

Mit Folgeanklagen in den USA müsste Kolumbiens bekanntester Killer nicht rechnen, da den Auslieferungsverträgen zwischen den USA und Kolumbien zufolge nur in dem Fall prozessiert werden darf, der der Auslieferung zu Grunde liegt. Das ist allein der Drogenschmuggel, von den zahlreichen Menschenrechtsverletzungen ist im Auslieferungsgesuch keine Rede.

Seine andere Option sind hingegen die Gespräche mit der kolumbianischen Regierung. Dazu hat ihm der Präsident mit seinem Verhandlungsangebot verholfen, und ein Ende des paramilitärischen Terrors wäre auch für Uribe ein politischer Erfolg.

Die Amnestie aber, die Castaño und die Paramilitärs wollen, ist derzeit wenig wahrscheinlich. Gleichwohl wäre deren Integration in die reguläre Armee, die im Rahmen des so genannten »Bauernsoldatenprogramms« ohnehin verstärkt werden soll, durchaus vorstellbar. Diese Möglichkeit wurde vom US-amerikanischen think tank Rand Corporation in einer Studie für die US-Luftwaffe bereits vorgeschlagen.