Alles was rechts ist

Der serbische Rechtsextremist Vojislav Seselj solidarisiert sich mit Saddam Hussein und bildet eine Querfront mit antiimperialistischen Linken.

Als im Frühjahr vor vier Jahren Bomben der Nato auf Belgrad hagelten, sandte der irakische Präsident Saddam Hussein Solidaritätserklärungen zur Unterstützung Serbiens in die jugoslawische Hauptstadt. Heute haben sich der Sender und der Empfänger verkehrt. Der Vorsitzende der rechtsextremistischen Serbischen Radikalen Partei (SRS), Vojislav Seselj, versucht sich mit Kundgebungen in die erste Reihe der internationalen Protestbewegung gegen einen von den USA angeführten Angriff auf den Irak zu schieben.

Die Melange aus Antiamerikanismus und Nationalismus, auf die sich Seseljs Propaganda gründet, findet regen Zuspruch nicht nur unter seinen zahlreichen Unterstützern in Serbien, sondern auch in einer internationalen Koalition von Rechtsextremisten und national gesinnten Kommunisten, die Saddams Irak als Bastion der »nationalen Souveränität« verteidigen.

Auf einer Veranstaltung im Belgrader Gewerkschaftshaus machte Seselj Ende Januar deutlich, worum es im bevorstehenden Krieg gehe. Der »Irak kämpft für nationale Souveränität und Freiheit«, verkündete er vor 2 000 Zuhörern. Saddam sei zu einem »Symbol des Widerstandes gegen die neofaschistischen US-Barbaren« geworden.

Vor einem Porträt Saddams stehend, bezeichnete der Rechtsextremist den irakischen Diktator als »Waffenbruder«. Zwar sei Jugoslawien seit dem Sturz Slobodan Milosevics im Oktober 2000 von den USA »besetzt«. Es gebe aber, wie der Irak zeige, »noch immer Nationen, die Amerika noch nicht okkupieren konnte«. Deshalb sei »der Kampf des irakischen Volkes auch unser Kampf«.

Dass er Saddam bewundert, ist alles andere als überraschend. Seselj pflegt eine langjährige Freundschaft mit den Herrschenden in Bagdad. Insbesondere seit dem Nato-Angriff auf Jugoslawien wurde diese Beziehung von beiden Seiten intensiviert. Nach einem Treffen von Abgesandten der irakischen Baath-Partei und der SRS verkündeten der irakische Botschafter in Belgrad, Sami Sadun Al Kinani, ebenso wie Seselj bereits im Oktober 1999, dass beide Parteien »enger zusammenarbeiten« wollten. Sie verpflichteten sich, eine »Kooperation aller patriotischen Parteien und politischen Kräfte« aufzubauen, die »die US-Hegemonie nicht akzeptieren«.

Die Kooperation zwischen Belgrad und Bagdad beschränkte sich nicht auf Bekenntnisse. Wie in den vergangenen Monaten bekannt wurde, statteten Serbien und die bosnische Serbenrepublik Srpska während Milosevics Regierungszeit, in der Seselj über wichtigen Einfluss verfügte, den Irak mit Waffensystemen und Technologie aus. So wurden serbische Techniker in den Irak gesandt, um russische MIG-Kampfflugzeuge zu modernisieren. Serbische Experten sollen außerdem irakische Piloten trainiert und unterirdische Bunkeranlagen gebaut haben.

Als Verbindungsmann zwischen Belgrad und Bagdad gilt Boris Vukovic, Milosevics früherer Handelsminister. Er zog nach dem Machtwechsel im Oktober 2000 nach Bagdad und betreibt von dort aus das Import-Export-Geschäft weiter. Vukovic organisierte auch einen Besuch Seseljs in Bagdad im Februar 2001.

Die Beziehung zwischen Belgrad und Bagdad ist aber nicht nur eine bilaterale Angelegenheit. Als die beiden Regime während der neunziger Jahre von den nach dem Kalten Krieg als einzige Weltmacht übrig gebliebenen USA zu den führenden »Schurken« des Planeten ausgerufen wurden, bildeten sie den Anziehungspol für eine internationale Koalition der Antiimperialisten von links und rechts. So versicherte der französische Rechtsextremist Jean-Marie Le Pen seit dem Golfkrieg im Jahr 1991 den Irak nicht nur immer wieder seiner Unterstützung, er reiste im Januar 1997 auch zu einem viel beachteten Solidaritätsauftritt nach Belgrad, wo er von Seselj in Empfang genommen wurde.

Ähnlich verhält es sich mit dem russischen Rechtsextremisten Wladimir Schirinowski. Er sandte im Golfkrieg Freiwilligenverbände zum Kampf gegen die USA in den Irak und unterhält bis heute exzellente Beziehungen zu Saddam. Wie Le Pen reiste auch Schirinowski nach Belgrad und unterzeichnete im Oktober 1995 ein Kooperationsabkommen mit Seseljs SRS.

Bei der internationalen Kontaktpflege durfte sich Seselj der Zustimmung Milosevics gewiss sein, dessen loyale rechte Flanke die SRS trotz manchen Zerwürfnisses stets bildete. Während er nach seinem Machtantritt im Jahr 1987 die serbische kommunistische Partei im Kampf gegen die Sezessionsbetrebungen der anderen Republiken nationalpopulistisch aufrüstete und die angebliche Benachteiligung der Serben im titoistischen Jugoslawien anprangerte, besetzte Seselj mit seiner SRS den Nationalismus von rechts und knüpfte mit einem geschichtsrevisionistischen Diskurs an die royalistische Tschetnik-Bewegung an. Sie hatte im Zweiten Weltkrieg für das serbische Königshaus und gegen die Tito-Partisanen gekämpft.

In den Kriegen der neunziger Jahre warf Seselj dem damaligen Ministerpräsidenten immer wieder vor, die serbischen Bevölkerungsgruppen in Bosnien, Kroatien und im Kosovo zu »verraten«. Dennoch übernahm Seselj mit Milosevics Unterstützung wichtige Regierungsämter. Zuletzt fungierte er 1999 während des Nato-Angriffes als stellvertretender serbischer Ministerpräsident.

Nach dem Sturz Milosevics wurde Seselj zum wichtigsten Gewährsmann des ehemaligen Präsidenten in der serbischen Politik, während die sozialistische Partei weitgehend kollabierte. Milosevic rief folgerichtig zur Unterstützung Seseljs, des »besten Patrioten«, bei den letzten Präsidentschaftswahlen auf, bei denen er im vergangenen Jahr über 30 Prozent der Stimmen erreichte.

Die langjährige Koalition mit Milosevic prädestiniert Seselj nun auch für das internationale Querfrontbündnis der Rechtsextremisten mit linken Antiimperialisten, die Milosevic als Symbolfigur des Kampfes gegen die von den USA ausgehende und »Verderben bringende Globalisierung« verehren, wie es in der Abschlusserklärung einer Solidaritätskonferenz hieß, die im vergangenen Sommer in Moskau stattfand.

Was im kommenden Irakkrieg auf Belgrads Straßen droht, zeigte sich kürzlich während einer Kundgebung »für Slobo«. Während im Publikum die Fahnen der von Seselj gegründeten royalistischen Paramilitärs der Weißen Adler wehten, ertönte zum Auftakt die Internationale aus den Lautsprecherboxen. Anschließend traten als Redner neben Seselj und dem orthodoxen Bischof Filaret auch der bulgarische Postkommunist Velko Valkanov auf, einer der beiden Vorsitzenden des Internationalen Komitees zur Verteidigung Slobodan Milosevics (ICDSM), in dem sich antiimperialistische Linke aus aller Welt sammeln.

Antinationalistische Linke überlegen sich in Belgrad derzeit, wie sie ihren Protest gegen den Krieg artikulieren können, ohne mit der Querfront verwechselt zu werden. Keine leichte Aufgabe angesichts der gegenwärtigen Kräfteverhältnisse. Aber leicht war es auch nicht, im Frühjahr 1999 gleichzeitig gegen die Bomben der Nato und gegen Milosevic zu protestieren.