A Gay’s World

Männerturnen

Vor kurzem fand in der Max-Schmeling-Halle das erste schwule Hallenfußballturnier Europas statt. Auch zwei Heteromannschaften nahmen daran teil, der FC Kreuzberg und die Taktiker. Als Stürmer der Taktiker gibt es für mich, egal, gegen wen, wenig Gelegenheit, berührungsängstlich zu sein. Die Jungs vom Veranstalter Schwuler SV Vorspiel sind seit Jahren unsere Freunde, wir spielen alle in der Liga der Technischen Universität.

Wie sieht das aus? Zunächst begrüßen wir uns, klatschen uns auf die Schultern und nehmen uns in den Arm. Dann werden alle erdenklichen blöden Schwulenwitze gemacht und saudoofe Sprüche gerissen wie: »Hähä, den musst du von hinten decken.« Die Vorspielkicker unterstützen das nach Kräften. »Hey Detlef, huhu, kommst du mal hierher«, und ähnliches säuseln sie sich zu.

Aber bald ist uns der Humor vergangen. »Man merkt denen beim Fußball aber nicht an, dass sie schwul sind«, ruft einer. »Aua, mir ist scheißegal, ob ich von einem Schwulen oder sonst was in die Fresse kriege.« So ein Turnier geht über den ganzen Tag, da passiert schon einiges bei den Taktikern.

12 Uhr: »Also eigentlich ist das ganz nett hier, so 200 freundliche Männer in einer Turnhalle.« (Jürgen) 13 Uhr: »Mein Bruder ist auch schwul, der hat ’nen ganz tollen Freund.« (Hans) 14 Uhr: »Manno, eben beim Pissen hat mich einer angemacht.« (Andreas) 15 Uhr: »Heten raus!« (Spieler vom SV Vorspiel) 16 Uhr: »Ich bin übrigens gar nicht schwul.« (anderer Spieler vom SV Vorspiel). 17 Uhr: »Ich hab mal einen in den Arsch gefickt.« (N.N., Taktiker). 18 Uhr: »Und das ist gut so.« (Klaus Wowereit). 22 Uhr: Abschlussparty im Schwuz. »Tolle Stimmung! Aber schade, dass hier so wenig Frauen sind.« (Andreas). 24 Uhr und sechs Bier später, die Frauen sind jetzt da: »Wer braucht eigentlich Frauen?« (Jürgen)

Fazit: Ein schwules Fußballturnier ist eine wunderbare Sache für Heteros. In manchen Situationen dürfen sie sich sexuell belästigt und als Objekt der Begierde fühlen. Jeder, wie er es haben will. Eine schöne Umkehrung der traditionellen Geschlechterarbeitsteilung.

Über das Finale hieß es in der taz: »Für Vorspiel scheint das kleine Handballtor mal wieder zugenagelt. Nächstes Jahr kriegen sie die Pille bestimmt rein.« Vorspiel hat die Taktiker zuvor geschlagen. Das ist noch nie vorgekommen.

Dann aber verlieren sie das Endspiel gegen Barcelona. Die Schwulen schlagen die Heten, die Spanier die Berliner. 2 000 Kilometer sind sie gereist, um den Pokal aus den Händen dess schwulen Wowereit entgegenzunehmen, tja, die haben hier sogar ihren eigenen Bürgermeister. Auch Hans von den Taktikern drückt sich zum Foto an den Mann: »Wir sind zwar nur Dritter«, sagt er zu Wowereit, »aber riechen wie die Sieger.«

Es ist anzunehmen, dass Vorspiel irgendwann auch noch TU-Meister wird. Und die Taktiker richten dann das schwule Fußballturnier aus. Denn die Taktiker sind wahrscheinlich das schwulste heterosexuelle Team auf der ganzen Welt.

jürgen kiontke