Spiele mit Grenzen

Eine Lösung des Konflikts um die Bambule in Hamburg schien in Sicht. Doch dann stellte sich die SPD an die Seite der Schill-Partei und der rechte Senat zerstritt sich. von andreas blechschmidt

Rund 2 000 Menschen demonstrierten am vergangenen Samstag in Hamburg für den ehemaligen Bauwagenplatz Bambule und gegen den rechten Senat. Im Lauf der Demonstration kam es zu vereinzelten Auseinandersetzungen der Demonstranten mit der Polizei, die Schlagstöcke und auch Wasserwerfer einsetzte. »Aber jetzt ist es wieder ganz ruhig auf den Straßen«, sagte ein Sprecher der Polizei am Samstagabend.

Ruhig, so hätte man es in Hamburg inzwischen gern. Doch die Auseinandersetzungen um die Bambule gehen weiter. Mittlerweile haben sich in der Stadt äußerst bizarre Bündnisse gebildet. So steht ausgerechnet die SPD an der Seite der Schill-Partei gegen die Politiker der CDU und der FDP, die den Konflikt lösen wollen.

Anfang Februar hatte der Erste Bürgermeister der Stadt, Ole von Beust (CDU), verkündet, die Stadt werde den »Bambulisten« einen neuen Bauwagenplatz anbieten. Darüber hinaus sei eine Änderung des Bauwagengesetzes geplant, mit der auf zwei großen »sozialverträglichen« Plätzen das Wohnen im Bauwagen langfristig erlaubt werden solle. Bisher lässt das unter dem rot-grünen Vorgängersenat erlassene Gesetz dies nur übergangsweise zu.

Diese Wandlung Beusts löste auch in der Koalition der Schill-Partei, der FDP und der CDU Erstaunen aus. Das Angebot an die Bauwagenleute kam einer politischen Demontage des Innensenators Ronald Schill gleich. Vorausgegangen waren diesem ungewöhnlichen Schritt mehrwöchige Verhandlungen zwischen VertreterInnen der Bambule und Schills Innenstaatsrat, dem ehemaligen SPD-Politiker Walter Wellinghausen.

Bereits die Aufnahme der Gespräche mit den »Bambulisten« war eigentlich eine Niederlage für den Senat und ein Hinweis darauf, dass auch diese Regierung in den Niederungen der Realpolitik angekommen ist. Zunächst setzte Beust auf Zeit, denn es gab in der Koalition noch keine Linie, wie mit der Bambule weiter verfahren werden sollte. Ende Januar einigten sich die Führungen der CDU und der FDP schließlich in Abstimmung mit Wellinghausen und unter Ausschluss der Schill-Partei auf den oben erwähnten Vorschlag.

Das Hauptmotiv für diese Initiative dürften vor allem wirtschaftliche Überlegungen gewesen sein. Denn angesichts der ehrgeizigen Olympiapläne des Senats sind die Bilder von den Demonstrationen im Schanzenviertel alles andere als eine Werbung für Hamburg. Das Problem mit der Bambule sollte offensichtlich vor dem 12. April entschärft werden, dem Tag, an dem die Vorentscheidung darüber fällt, welche deutsche Stadt sich für die Olympischen Spiele im Jahr 2012 bewerben wird. Hamburg rechnet sich dabei gute Chancen aus.

Da riet sogar das Springerblatt Die Welt, »vor dem Hintergrund der anstehenden NOK-Entscheidung über die Hamburger Bewerbung für die Olympischen Spiele Ruhe in der Stadt zu bewahren«. Das konservative Blatt mahnte: »Jene, die jetzt konsequent den Räumungsweg einfordern, müssen jedoch beantworten, um welchen Preis der soziale Frieden in der Hansestadt gewahrt werden soll.«

So wurde das erste ernsthafte Angebot des Senats an die Bambule vor zwei Wochen ohne Absprache mit Schill unterbreitet. Den »Bambulisten« wurde ein Grundstück der Deutschen Bahn AG im innenstadtnahen Hamburg-Altona angeboten, das die Bambule bereits im Herbst vergangenen Jahres für sich beansprucht hatte.

Die Schill-Partei, wohl ahnend, dass ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel stand, forderte in Unkenntnis des konkreten Angebots, nach dieser Offerte seien die Verhandlungen zu beenden. Man ging offenbar davon aus, dass das Angebot des Senats derart unattraktiv sei, dass es ohnehin ablehnt werden würde.

»Die Stadt hat alles Erdenkliche getan und den Bambulisten eine Vielzahl von Lösungsvorschlägen unterbreitet. Nun liegt es bei ihnen, wie es weitergeht«, erklärte der Fraktionsvorsitzende der Schill-Partei, Norbert Frühauf. Doch die »Bambulisten« nahmen das Angebot an.

Nun schlug die Stunde der oppositionellen SPD. Sie stellte sich an die Seite der Schill-Partei. Die Altonaer SPD, die den Bezirk regiert, kündigte an, dass sie die vorgesehene Lösung nicht akzeptieren werde. »Staatsrat Wellinghausen hat ein Altonaer Gelände ausgewählt, ohne den Bezirk und seine Gremien zu beteiligen«, beschwerte sich der Stadtentwicklungsexperte der SPD, Horst Emmel. Schon zuvor hatte ein sozialdemokratischer Bezirksamtsleiter versucht, einen einzelnen Bambule-Bauwagen polizeilich beschlagnahmen zu lassen. Dies hatte Innenstaatsrat Wellinghausen mit dem Hinweis auf die laufenden Gespräche abgelehnt und sogar den Krach mit dem Bausenator der Schill-Partei, Mario Mettbach, riskiert.

Für den Innenexperten der SPD, Michael Neumann, war dies ein Anlass, den Senat der Duldung rechtsfreier Räume zu bezichtigen. Die SPD in Hamburg versucht offensichtlich, sich als Verfechterin von Law and Order zu präsentieren, um bei den nächsten Wahlen wieder besser abzuschneiden. Mit dieser Strategie scheiterte allerdings schon der frühere Innensenator und heutige Generalsekretär der SPD, Olaf Scholz. Die WählerInnen bevorzugen erfahrungsgemäß das Original, und das ist in Hamburg die Schill-Partei.

Dass die SPD mit ihrem Einfluss auf die Bezirke den Senat in der Bambule-Frage in Schwierigkeiten bringt, ist nicht zu erwarten. Da ist die Regierungskoalition schon eine größere Gefahr für sich selbst. »Gewalt darf sich nicht lohnen, und die Demos haben gezeigt, wie gewalttätig die Bauwagenszene ist«, sagte Robert Heinemann (CDU) und fiel seinem eigenen Bürgermeister in den Rücken. Als dann auch noch die Deutsche Bahn AG erklärte, der Platz auf dem Bahngelände in Altona komme wegen »starker Bodenkontamination« doch nicht als Stellplatz in Frage, war eine Lösung wieder in weite Ferne gerückt.

Interne Streitereien, ein Verhandlungsführer, der sein eigenes Angebot zurückziehen muss, eine gefährdete Olympiabewerbung und in Wartestellung eine radikale Linke, die ihren kurzen Winter der Anarchie in den Frühling retten möchte: Es war eine Riesenpleite für Beust und die konservativen Anhänger einer Lösung im Konsens.

Nun steht Beust ziemlich alleine da mit seinen Plänen. Der Faktionsvorsitzende der CDU in der Bürgerschaft, Michael Freytag, sagte der Welt, eine dauerhafte Lösung für die Bauwagenleute werde nicht mehr gesucht. Darauf hätten sich die Fraktionsvorsitzenden und der Senat am 24. Februar »klar und deutlich geeinigt«. Der Fraktionsvorsitzende der Schill-Partei erklärte: »Es geht nur um Übergangslösungen. Das Fass einer Dauerlösung ist mit uns nicht aufzumachen.«

Somit könnte die Bambule zum »Hafenstraßen-Syndrom« des rechten Senats werden. Die Bauwagenleute zeigten sich in ihrer jüngsten Presseerklärung entschlossener denn je: »Die ergebnislosen Verhandlungen der letzten drei Monate zeigen uns deutlich, dass eine politische Lösung nur auf der Straße durchzusetzen ist.«

Dafür müssen aber noch ein paar mehr als 2 000 Leute zusammenkommen. Vor allem, wenn man nicht nur einen neuen Bauwagenplatz, sondern ein besseres Leben will.