Ein Bully wider Willen

Einen neuen Realismus in den internationalen Beziehungen hatte die Republikanische Partei versprochen. Doch in der Irakfrage ist die US-Politik gescheitert. von william hiscott

Ein Präsident der Vereinigten Staaten, soll nie, nie, nie Gewalt androhen, wenn er nicht verdammt gut darauf vorbereitet ist, seiner Drohung Taten folgen zu lassen. Wenn man nicht bereit ist, den Abzug zu drücken, dann sollte man nicht mit der Waffe drohen.« So hat der ehemalige US-Außenminister James Baker 1996 einen der Grundsätze der amerikanischen Außenpolitik formuliert, seinerzeit als Kritik an Bill Clintons verbalen Drohungen angesichts der Krise in Bosnien, denen keine Taten folgten. Im Grunde hat Baker, der zu den der Uno freundlicher gesonnenen Interventionisten in der Republikanischen Partei gehört, damit eine Neufassung der vor knapp hundert Jahren von Präsident Theodore Roosevelt formulierten Doktrin vorgetragen: »Sprich sanft und trage einen großen Knüppel!«

George W. Bush hat sich seit dem 11. September 2001 nicht an diesen Grundsatz gehalten. Mit dem Säbel zu rasseln, gehörte zum Programm. Aber je näher der Irakkrieg rückt, desto einsamer wird Bush. Die Regierung hatte erwartet, dass die meisten Staaten und die anderen Großmächte im Sicherheitsrat sich der US-Regierung anschließen oder zumindest nicht in den Weg stellen würden, sobald diese ihre Entschlossenheit deutlich gemacht hätte. »Wir reden noch immer mit Mitgliedern des Sicherheitsrats, um zu sehen, was möglich ist«, erklärte Außenminister Colin Powell am vergangenen Samstag. Doch es scheint nicht einmal zu gelingen, Chile und Mexiko aus dem lateinamerikanischen »Hinterhof« auf die Linie der USA einzuschwören. Auch die Nato, die sich im Krieg gegen Jugoslawien noch einig war, versagt den USA die Unterstützung. Der Weltpolizist ohne Mandat und fast ohne Verbündete verhält sich nun, wie Robert Jensen in der linken Zeitschrift Counterpunch schreibt, wie ein »Bully«, ein Schläger.

Geplant hatten Bush und die Republikanische Partei das alles ganz anders. 1997, als die konservativen Vorbereitungen zur Machtübernahme im Weißen Haus langsam in Schwung kamen, veröffentlichte Barbara Conry, außenpolitische Expertin des liberalkonservativen Cato Institute, ein richtungweisendes Papier, in dem die Abkehr von der »World Leadership« der USA befürwortet wird: »Die nebulösen Erträge der globalen Führung rechtfertigen nicht ihre immensen Kosten, und es ist unwahrscheinlich, dass die Vereinigten Staaten überhaupt in der Lage sind, langfristig eine derartige Strategie zu verfolgen.« Stattdessen schlug Conry eine nationale Sicherheitsstrategie vor, »basierend auf der Absicherung der vitalen Interessen der USA«, wobei die Vereinigten Staaten »Erster unter Gleichen« sein sollten.

Sie variierte aber nur die seit dem Ende des Kalten Krieges von konservativen Kreisen immer wieder eingebrachten Vorschläge, die multilateral-interventionistischen Tendenzen der US-Außenpolitik zu bremsen. Besonders während der Amtszeit Clintons setzte die US-Politik auf internationale Organisationen und auf Kooperation. Die Interessen der Nato-Partner wurden großzügiger berücksichtigt, und Clinton bemühte sich bei Konflikten viel stärker um intensive Diplomatie, langsame Friedensprozesse, nation building und UN-Strukturen, als es den Konservativen recht war. Diese Linie bleibt nach wie vor ein fester Bestandteil der Außenpolitik der Demokratischen Partei – und genau deswegen äußern die Großen dieser Partei wie Jimmy Carter, Edward Kennedy und Bill Clinton ihre Kritik an Bush und seiner Demontage der internationalen Krisenmanagementstrukturen immer deutlicher.

Eine zweite Variante für die künftige Außenpolitik, die Ende der neunziger Jahre unter Konservativen intensiv diskutiert wurde, grenzt sich vom Internationalismus der Demokraten ab, von dem die Konservativen zuweilen sogar spöttisch meinten, er degradiere die USA zum »Weltsozialarbeiter«. Dieser Unilateralismus will, wie es beispielsweise in einem viel zitierten Vorschlag des damaligen Senators Dick Lugar hieß, in Krisensituationen unabhängig oder mit der Nato agieren, mit dem Ziel, die Welt zu »managen«, aber dabei nicht notwendigerweise zu verbessern. Der damalige republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Dick Armey, fasste diesen aktivistischen Unilateralismus sogar als Abkehr von der unter Clinton vorangetriebenenen Globalisierung auf: »Die Nation ist zu weit in Richtung Globalisierung gegangen und hat daher die Sicht auf ihren essenziellen Halt verloren. Wir planen, dies zu ändern.«

Beide Strategien, die Abkehr von der Rolle der globalen Führungsmacht und den Unilateralismus als Instrument zur Durchsetzung amerikanischer Interessen, gibt es in der Republikanischen Partei bis heute. In der Plattform für den Wahlkampf im Jahr 2000 wurden sie unter der Formel »neuer Realismus« verschmolzen: »Ein republikanischer Präsident wird vitale amerikanische, nationale Interessen identifizieren und verfolgen. Er wird Prioritäten setzen und daran festhalten. Unter seiner Führung werden die Vereinigten Staaten den Frieden schaffen und absichern. Republikaner wissen, wie dies zu erreichen ist: durch robuste militärische Kräfte, starke Allianzen, expandierenden Handel und resolute Diplomatie.«

Nach der Inauguration des Präsidenten im Januar 2001 ging die Bush-Administration langsam ans Werk. Zum schon Ende 2000 eskalierten israelisch-palästinensischen Konflikt nahm sie eine abwartende Haltung der Nichteinmischung ein, das Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz wurde ebenso abgelehnt wie der Internationale Gerichtshof, und die von der Regierung gesetzten Prioritäten waren beispielsweise der Ausbau des Welthandels und die Umstrukturierung des Militärs. Die Irakpolitik war die Priorität einiger Regierungsmitglieder wie des Verteidigungsministers Donald Rumsfeld und seines Stellvertreters Paul Wolfowitz, doch Saddam Hussein fand in dieser Zeit noch keine besondere Beachtung. Hier wurde schlicht Clintons Politik des Containments bis auf weiteres fortgesetzt. Bis zum 11. September 2001, dem Tag, an dem aus Sicht der Bush-Administration den USA der Krieg erklärt wurde.

Danach wurden die Prioritäten im Sinne der republikanischen Plattform neu gesetzt. Die Taliban entmachten, den Terrorismus bekämpfen und, nur einige Monate später, einen Regimewechsel im Irak erzwingen. Bei der Verfolgung dieser Ziele stand das nationale Interesse im Vordergrund. Doch man bemühte sich auch um die Bildung von »starken Allianzen« und wandte sich sogar an die Uno, um internationale Unterstützung und Legitimation zu gewinnen.

Hier aber hat die Regierung der USA ihren weltpolitischen Einfluss offenbar weit überschätzt. Sie steht als Bully da, weswegen sich die Republikaner keineswegs wohl fühlen. Ein Rückzug aber ist kaum noch möglich, der einzige Ausweg aus dem Schlamassel ist die Flucht nach vorn.

Nach dem Irakkrieg dürften die Prioritäten in der Bush-Administration noch einmal neu gesetzt werden. Schon jetzt mehren sich die isolationistischen Stimmen unter den Konservativen. Victor Davis Hanson gibt diese Richtungsentscheidung in William F. Buckleys einflussreicher Zeitung National Review wieder: »Es ist vielleicht an der Zeit, den Franzosen, Kanadiern, Deutschen, Türken, Südkoreanern und vielen anderen die von ihnen gewünschte Unabhängigkeit von uns zu gewähren: höfliche Freundschaft – aber keine Allianzen, keine Militärbasen, kein Geld, keine Handelskonzessionen und kein weiteres Betteln um das Privileg, sie schützen zu dürfen.«