Non statt Njet

Uno und Weltpolitik von jörn schulz

Wenn fünf Kriminelle sich zusammentun, nennt man sie eine Bande, und dass sie gemeinsam weniger Verbrechen begehen als einzeln, glaubt niemand. Wenn fünf Großmächte sich zusammentun, nennt man das Sicherheitsrat. Und erstaunlich viele Menschen, die die Politik der einzelnen Großmächte scharf kritisieren, hegen die Illusion, dass ihr Zusammenschluss eine zivilisierende Wirkung haben könnte.

Die Uno und der Sicherheitsrat sind weder friedlich noch kriegerisch, sie sind schlicht ein Abbild des globalen Kräfteverhältnisses. In der Entstehungszeit der Uno nach dem Zweiten Weltkrieg schien eine neue Weltordnung tatsächlich möglich. Doch schon 1950 nutzte die US-Regierung einen diplomatischen Fehler der UdSSR, um sich den Koreakrieg von der Uno legitimieren zu lassen.

In den folgenden Jahrzehnten blockierten sich die USA und die UdSSR durch Vetos gegenseitig. Die Uno wurde »zahnlos«, ein bloßer »Debattierclub«. Es war jedoch diese Zeit, in der die Uno die einzigen beim derzeitigen Standard des internationalen Rechts sinnvollen Funktionen erfüllte: eine vermittelnde Instanz bei internationalen Konflikten anzubieten und als Forum für weltpolitische Debatten zu dienen. Kaum war die Blockkonfrontation beendet, zeigte der Sicherheitsrat wieder seine Zähne und legitimierte 1990 den Krieg gegen den Irak.

Nun deutet sich ein neuer Kalter Krieg an. Doch anders als zu Zeiten des sowjetischen »Njet« geht es heute nicht mehr um Systemkonkurrenz. Deutschland und Frankreich wollen nicht die Spielregeln ändern, sie sind nur mit ihrem Rang unzufrieden. Eine Alternative für die Befreiung des Irak präsentieren sie nicht. Es geht ihnen allein darum, die Politik der USA nach Kräften zu torpedieren und sich als Führungsmächte einer Gegenkoalition zu empfehlen.

Dass sie die UN-Institutionen und internationales Recht nicht anders als die USA für ihre Interessen instrumentalisieren, gehört zur Logik staatlichen Handelns. Bestenfalls naiv ist es jedoch, sich von der deutsch-französischen Offensive eine bessere Welt zu erhoffen. Dagegen spricht nicht nur die selektive Friedfertigkeit des »alten Europa«, das 1999 eine »humanitäre Intervention« gegen Slobodan Milosevic ohne UN-Mandat für unbedingt notwendig befand, sie jetzt aber gegen Saddam Hussein auch mit UN-Mandat ablehnt. An den Strukturen der Weltpolitik und ihrer Kodifizierung im so genannten Völkerrecht müssten auch tatsächlich humanitär gesonnene Interventionisten scheitern.

Subjekte des Völkerrechts sind die Regierungen. Präsidenten, Monarchen und Diktatoren können gleichermaßen auf ihre Legitimität pochen. Eine Einmischung in ihre »inneren Angelegenheiten« ist nur auf autoritärem Wege vorgesehen, durch Sanktionen oder Kriege. Die Bevölkerung wird zur Geisel im Machtkampf der Regierungen, ein Prinzip der Kollektivhaftung, das noch hinter die Ethik der Sharia und des Sachsenspiegels zurückfällt. Begriffe wie Befreiung oder Widerstandsrecht sucht man im Völkerrecht dagegen vergeblich.

Die Manöver der globalen Machtpolitik können hin und wieder einen Kollateralnutzen für emanzipatorische Bestrebungen nach sich ziehen. Internationalistische Politik aber kann sich nicht auf das Völkerrecht berufen. Die Befreiung bleibt auch im 21. Jahrhundert illegal.