Strahlende Ayatollahs

Ungeachtet internationaler Proteste arbeitet das iranische Regime zielstrebig am Ausbau von Atomanlagen, die militärisch genutzt werden können. von wahied wahdathagh

Die geheimen nuklearen Fabriken, so Alireza Jafarzadeh, Repräsentant der Volksmujahedin, »sind Anlagen zur Urananreicherung, und nach unseren Informationen sind beide mit Zentrifugen ausgerüstet«. Der Bau dieser Anlagen westlich von Teheran soll im Jahre 2000 unter strengster Geheimhaltung begonnen worden sein, sie seien Zulieferbetriebe für die größere Atomfabrik in Natanz. Zudem benannte die iranische Oppositionsgruppe acht private Tarnunternehmen, die im Auftrag des iranischen Staates die nötige Technologie importieren.

»Wir haben keine Anlagen vor der IAEA versteckt«, dementierte Khalil Moosavi von der iranischen Atomenergieorganisation. Die Ayatollahs hatten jedoch den Bau von zwei Atomanlagen in Natanz und Arak ebenfalls verheimlicht, bis deren Existenz im August des letzten Jahres von den Volksmujahedin enthüllt wurde. Sollten sich die am Dienstag der vergangenen Woche präsentierten neuen Informationen bestätigen, wäre dies ein weiterer Verstoß gegen die Verpflichtungen gegenüber der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), deren Bestimmungen und Kontrollen der Iran mit der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages zugestimmt hat.

Die US-Regierung will nun auf der kommenden Sitzung der IAEA vom 16. bis 20. Juni eine Verurteilung des Iran wegen eines Verstoßes den Atomwaffensperrvertrag erreichen. Die USA verlangen eine rigorose Kontrolle des iranischen Atomprogrammes durch die IAEA. Sie wird inzwischen auch von Frankreich und Russland, dem wichtigsten Nuklearlieferanten des Iran, befürwortet.

Aus gutem Grund, denn nicht nur die Verheimlichung nuklearer Projekte spricht für ein militärisches Atomprogramm. Angesichts der immensen Öl- und Gasreserven des Iran ist zumindest nach wirtschaftlichen Rentabilitätskriterien ein Atomprogramm suspekt. Zudem beabsichtigt der Iran, den gesamten atomaren Brennstoffkreislauf zu kontrollieren. Damit eignen sich die Ayatollahs die Urananreicherung und Wiederaufarbeitung an, die Schlüsseltechnologien zum Atombombenbau, obwohl es wesentlich billiger wäre, die Überkapazitäten der globalen Nuklearindustrie zu nutzen (Jungle World, 52/02). Und der Iran arbeitet an einem ambitionierten Raketenprogramm. Die Shahab 3 kann mit atomaren Sprengköpfen ausgerüstet werden und ist mit einer Reichweite von 1 300 Kilometern in der Lage, auch Ziele in Israel und in Europa zu erreichen.

Schon Shah Reza Pahlavi investierte sechs Milliarden Dollar in nukleare Projekte, unter anderem in zwei Reaktoren, die von der damaligen Siemens-Tochtergesellschaft KWU in Bushehr in der Nähe des Persischen Golfes errichtet werden sollten. Diese Projekte konnten jedoch wegen der islamischen Revolution von 1979 nicht zu Ende geführt werden, während des iranisch-irakischen Krieges wurde die Baustelle zerstört.

Nach der mehrjährigen Zwangspause wurde das Atomprogramm mit russischer Hilfe fortgesetzt. Präsident Boris Jelzin vereinbarte 1995 mit dem Iran, die Reaktoren für 800 Millionen Dollar zu bauen. Die Kraftwerke, die unter der Kontrolle der IAEA stehen, sollen noch in diesem Jahr in Betrieb gehen und 1 000 Megawatt Strom produzieren. Sie werden vom iranischen Regime als Beweis für den friedlichen Charakter des Atomprogramms angeführt.

Tatsächlich würden die Reaktoren allein noch keine Atombombenproduktion ermöglichen. Doch neben den Atomfabriken in Natanz und Arak verfügt der Iran noch über dutzende andere Anlagen, die teilweise als Forschungseinrichtungen geheim an Universitäten angeschlossen sind. Sie dienen der Anreicherung von Uran, das im Land selbst abgebaut wird, und der Gewinnung von Plutonium aus verbrauchten Brennstäben. Man wolle »den kompletten Urankreislauf kontrollieren«, verkündete Präsident Muhammad Khatami. Ein Bestreben, das nach einer Analyse des Washingtoner Instituts für Wissenschaft und Internationale Sicherheit »das Ziel hat, das Potenzial für die Herstellung der beiden Hauptkomponenten für atomare Sprengstoffe zu entwickeln«.

Als der IAEA-Direktor Muhammad El Baradei im Februar dieses Jahres die Anlagen in Natanz besuchte, äußerte er sich besorgt über die fortgeschrittene Entwicklung. Er bestätigte, dass der Iran bisher über 100 Gaszentrifugen zur Urananreicherung gebaut habe. Das Regime plant den weiteren Bau von mindestens 1 000 Zentrifugen in den kommenden 18 Monaten. Eine Anlage zur Produktion von Schwerwasser, das für die Gewinnung von Plutonium verwendet werden kann, soll bis spätestens 2005 in Arak fertig gestellt werden. Bereits in ein bis zwei Jahren soll der Iran nach Berechnungen von Experten mindestens zwei bis drei Atombomben jährlich bauen können.

Hilfe erhielt der Iran vor allem aus Pakistan, China und Russland. Die Technologie der Zentrifugen stammt aus Pakistan, das selbst Atomwaffen besitzt und aus finanziellen Gründen dem Iran auf dem Weg zum khomeinistischen Atomstaat geholfen hat. China soll den Iran bei der Herstellung von Uranhexafluorid zur Anreicherung von Uran unterstützen. Und während die UdSSR noch daran interessiert war, die Verbreitung von Atomwaffen zu verhindern, ist die nukleare Exportpolitik Russlands außer Kontrolle geraten, seitdem der mafiose Kapitalismus regiert.

Mehr als 20 semiprivate russische Unternehmen, Universitätsabteilungen und Ingenieursfirmen berieten die im Dienste der Ayatollahs stehenden Wissenschaftler nicht nur in der Atomforschung, sondern auch in der Raketentechnologie. Russische Unternehmen wie Minatom und Atomstroiexport drängen auf eine liberale Exportpolitk auch gegenüber dem Iran. Die iranischen Atomwissenschaftler können auch auf die Dienste nordkoreanischer und chinesischer Kollegen zurückgreifen, die bei der Entwicklung von Raketen helfen.

Die Fortsetzung des Atomprogramms ist unumstritten unter allen Fraktionen des islamistischen Regimes. Nur als Atommacht glauben die Ayatollahs, den Drohungen der westlichen Feinde widerstehen zu können. Der ehemalige Präsident Hashem Rafsanjani, ein immer noch einflussreicher Politiker, sieht auch noch weitere Verwendungszwecke. Nach dem Bau einer »islamischen Bombe«, so erklärte er im Dezember 2001, »wäre die Strategie der Arroganz in der Sackgasse, denn eine Atombombe ließe von Israel nichts übrig, während sie die islamische Welt nur beschädigen würde«.

Der Iran unterstützt offen den von den Ayatolahs als legitimer Widerstand bezeichneten islamistischen Terrorismus der Hizbollah, der Hamas und des Islamischen Jihad. Auch ein Teil des Führungskommandos von al-Qaida wird im Gottesstaat vermutet. Die USA sehen deshalb die iranische Atompolitik als Paradebeispiel für die Verbindung zwischen der Entwicklung von Massenvernichtungswaffen und der Förderung des Terrorismus.

Allerdings soll der Aufbau einer iranischen Atommacht auch die Position des Landes gegenüber seinen islamischen Nachbarn stärken. Potenziell bedrohte Staaten wie Saudi-Arabien und die Türkei könnten dies zum Anlass nehmen, ebenfalls Atomwaffen zu entwickeln. So sind es letztlich die Ayatollahs, deren Strategie der nuklearen Arroganz die Region weiter destabilisiert.