Coltan als gutes Geschäft

Bislang haben alle Beteiligten am Kongokrieg gut verdient. Obwohl Regierung und Rebellen nun die Bildung einer Koalitionsregierung beschlossen haben, bekämpfen sie sich weiter. von alex veit
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Eigentlich hätte bereits vor zwei Wochen die neue Übergangsregierung der Demokratischen Republik Kongo vereidigt werden sollen. Doch wie immer im politischen Ränkespiel des Kongo kam es dabei zu Verzögerungen, widersprüchlichen Entwicklungen und gegenseitigen Anschuldigungen, sodass die formelle Beendigung des seit 1998 andauernden Krieges erneut verschoben werden musste.

Eine Woche vor dem geplanten Beginn einer neuen, möglicherweise friedlichen Ära zog sich die größte Rebellengruppe Rassemblement Congolais pour la Démocratie (RCD-Goma) aus den Verhandlungen zurück. Die alte Regierung um Präsident Joseph Kabila solle akzeptieren, so ein Sprecher der RCD, dass die Rebellen den Chef der neuen vereinigten Armee stellen. Außerdem könne die alte Regierung nicht die militärische Kontrolle in der Mehrheit der Provinzen übernehmen.

»Wir haben die Suspendierung unserer Teilnahme aufgehoben. (…) Dies ist aber eine letzte Warnung: Falls die Regierung wieder extreme und unbewegliche Positionen in diesen beiden Fragen einnimmt, wird dies Konsequenzen haben«, erklärte der RCD-Goma-Sprecher Jean-Pierre Lola-Kisanga inzwischen gegenüber der UN-Nachrichtenagentur Irin. Da der RCD-Goma nun an den Verhandlungstisch zurückgekehrt ist, wird es möglicherweise in den nächsten Wochen tatsächlich zur Amtseinführung der neuen Regierung kommen.

Der Vertrag zwischen der Regierung Kabila und den Rebellenmilizen Mouvement pour la Libération du Congo (MLC) und RCD-Goma war bereits Anfang April in Südafrika unterzeichnet worden. Gemäß dem Friedensvertrag soll Joseph Kabila bis zu freien Wahlen in zwei Jahren Präsident bleiben. Die beiden Rebellenarmeen, mehrere gesellschaftliche Gruppen sowie Kabilas Regierung würden dann je einen Vizepräsidenten stellen, und für diverse andere bewaffnete Gruppen soll im 36köpfigen Kabinett ebenfalls ein Pöstchen gefunden werden.

Wie sich nun die Präsenz der internationalen Interventionstruppe auswirken wird, dürfte den beteiligten Akteuren selbst noch nicht klar sein. Bislang haben – mehr oder weniger erfreut – alle großen Gruppen die von Frankreich angeführte Intervention begrüßt. In gewisser Weise schließt sich mit der Ankunft der französischen Soldaten auch ein Kreis. War es doch die »Opération Turquoise«, die 1994 den ruandischen Völkermördern aus der Interahamwe-Miliz einen Fluchtweg eröffnet hatte (Jungle World, 27/99).

Offiziell hatten die französischen Truppen in Ruanda interveniert, um für die Opfer des dortigen Völkermords eine »humanitäre Schutzzone« zu errichten. In der Realität konnten die Schergen des von Frankreich bis zuletzt unterstützten ruandischen Regimes durch diese Zone vor der anrückenden Ruandischen Patriotischen Front unter dem heutigen ruandischen Präsidenten Paul Kagame ins damalige Zaire fliehen. Diese Flucht markiert den Beginn des Konflikts im heutigen Kongo.

Die Interahamwe-Milizen reorganisierten sich in den Flüchtlingslagern im Osten des Kongo und begannen mit Guerilla-Angriffen gegen die neue Regierung Kagames. 1996 schlug Kagame zurück, und letztlich setzte er Laurent Kabila auf den Präsidentenstuhl in Kinshasa.

Doch als der von Kagame als Marionette vorgesehene Kabila 1998 begann, die kongolesische Armee von ruandischen Offizieren zu säubern, beschlossen Uganda und Ruanda abermals, im Kongo zu intervenieren. Kabila konnte die Angreifer mit der militärischen Unterstützung von Angola und Zimbabwe zurückschlagen. Seitdem ist der Kongo zwischen der Regierung in Kinshasa und den von Uganda und Ruanda unterstützten Rebellen geteilt. Laurent Kabila selbst kam 2001 bei einem Anschlag ums Leben, seitdem führt sein Sohn Joseph die Amtsgeschäfte.

Durch den Konflikt machen beinahe alle an ihm Beteiligten Geschäfte – außer der kongolesischen Bevölkerung. Nach den ersten Kriegsmonaten kam es kaum noch zu Kampfhandlungen zwischen den verfeindeten Armeen. Stattdessen konzentrierten sich alle auf die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes. Die Familie Kabila verpfändete dabei viele ertragreiche Minen an die zimbabwische Armee, sodass Zimbabwes Hauptstadt Harare heute ein Hauptumschlagplatz für Edelsteine ist.

Aus der ruandisch-ugandischen Kongohälfte wurde vor allem der Coltan-Handel bekannt, der die Rebellengruppen und auch die ausländischen Armeen finanzierte. Coltan befindet sich in jedem Mobiltelefon, und die durch den Handyboom steigenden Preise für dieses Halbmetall waren einer der Hauptgründe für die Fortführung des Kriegs. Unter anderem wurden die Bayer AG und ihre Tochterfirma H.C. Starck in Berichten der Uno als Hauptabnehmer des kongolesischen Coltans genannt.

Mit der Entwicklung von mafiösen Netzwerken kam es auch zu immer neuen Abspaltungen bewaffneter Gruppen, zur Bildung einer Vielzahl von Kleinstmilizen, die ursprünglich die Verteidigung einzelner Dörfer zur Aufgabe hatten, sowie zu sich ständig neu formierenden Allianzen, die jede ethnisierende Deutung des Konflikts in Frage stellen. Auch das Zerwürfnis zwischen den Armeen Ugandas und Ruandas, das im letzten Jahr beinahe zu einem offenen Krieg geführt hat, ist eine Folge des Kongohandels. Ursprünglich stritten sich die beiden Armeen um die Kontrolle der kongolesischen Diamantenstadt Kisangani, doch gilt auch der Konflikt in der Ituri-Provinz als ein Stellvertreterkrieg der beiden Kontrahenten. Inzwischen sind offiziell alle ausländischen Armeen aus dem Kongo abgezogen – zuletzt die Ugander, was ein Machtvakuum hinterlassen und zum Ausbruch der Gewalt in Bunia geführt hat.

Die internationalen Firmen rüsten sich nun bereits für die Nachkriegszeit. Die Aktien der kanadischen Goldfirma Banro stiegen etwa letzte Woche um 75 Prozent, nachdem Präsident Kabila bestehende Konzessionen der Firma im Ostkongo bestätigt hat. Auch der südafrikanische Handelsminister Alec Erwin wird demnächst in Kinshasa erwartet. Südafrika konkurriert momentan vor allem mit französischen und chinesischen Firmen um die besten Aufträge für den auf zwei Milliarden US-Dollar veranschlagten Wiederaufbau des Landes.

Unterdessen werden Kämpfe zwischen verschiedenen Milizen allerdings nicht nur aus Ituri sondern auch aus den Provinzen Katanga und Nord Kivu gemeldet. »Wie können sich Leute gleichzeitig auf die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit vorbereiten und zur selben Zeit Krieg im Kivu führen?« fragte Jean-Marie Guehenno, UN-Untergeneralsekretär für Friedensmissionen vergangene Woche in einem Irin-Interview. »Die internationale Gemeinschaft wird sich das sehr genau ansehen.«

Dies wäre zumindest eine Neuigkeit. Bislang hat sich für den Krieg, in dem Schätzungen zufolge 3,5 Millionen Menschen vor allem an Hunger und Krankheiten gestorben sind, eigentlich niemand richtig interessiert.