Die Wertarbeit
der Maschine

Warum Terminatoren die besseren Väter sind. von jürgen kiontke

Anlässlich der Europapremiere des Films »Terminator 3« hat der Hauptdarsteller Arnold Schwarzenegger gesagt, jeder wäre mal gern so eine rücksichtslose Maschine, die sich weder um Gesetze, Familie noch um Gesellschaft zu scheren brauche. Womöglich hätte er gut daran getan, nicht nur in den Filmen mitzuspielen, sondern sie sich auch mal anzusehen. Denn wenn es in der »Terminator«-Reihe um eines geht, dann darum, wie in einer postmodernen Gesellschaft, in der alle sozialen Beziehungen längst aufgelöst sind, der perfekte Vater aussieht. Erzählte der erste Teil vom Bedrohungsszenario in der nachbürgerlichen Kleinfamilie, hatte der Terminator im zweiten Teil von der Bestie zur Bestimmung gefunden. Oder, wie die Mutter Sarah Connor (Linda Hamilton) im zweiten Teil sagte: Ihr sei jetzt klar geworden, dass der ideale Mann eine Maschine aus 130 Kilo Stahl sei, er habe immer Zeit, werde nie böse und im Umgang mit dem Kind werde ihm nie langweilig. Und erst recht nicht mit einer voll bekloppten, beziehungsgestörten allein erziehenden Mutter, deren Sprössling John von einem Revoluzzer aus der Zukunft stammt. »Als ich John mit der Maschine sah, war plötzlich alles ganz klar: Der Terminator würde niemals aufhören, er würde ihn niemals verlassen. Und er würde ihm niemals weh tun. Er würde immer für ihn da sein, und er würde sterben, um ihn zu beschützen. Von all den möglichen Vätern, die während der letzten Jahre gekommen und gegangen sind, war diese Maschine, dieses Ding, der Einzige, der diesen Ansprüchen gewachsen war. In einer wahnsinnig gewordenen Welt war er die vernünftigste Alternative.«

Nun, im dritten Teil, ist von der mythologischen Kämpferin nicht viel übrig geblieben; sie ist an einer banalen Krankheit gestorben. Ihr Sohn John (Nick Stahl) ist inzwischen Anfang 20 und benimmt sich exakt wie all die armen dislozierten Twens. Er fährt Motorrad, eine Wohnung hat er nicht, Rasieren können wir vergessen, und seine Hauptbeschäftigungen bestehen in der Erhaltung eines zutiefst depressiven Zustandes mittels exzessiven Biertrinkens und der anderen Tätigkeit, der man sich in diesem Alter ausgiebig hingibt – da es sich hier aber um großes Familienkino handelt, bleiben die Hände unter der Decke. Das Thema bleibt das gleiche: Bevor man weiß, wer man selbst ist oder sein könnte, soll man schon jemand anderes sein – in John Connors Fall natürlich Chef einer Befreiungsfront, die gegen die Weltherrschaft der Maschinen ankämpft. »Stell dir eine Welt vor, in der permanent Dunkelheit herrscht und die Maschinen das Schicksal der Menschheit kontrollieren. Stell dir vor, du bist der Einzige, der dies verhindern kann. Aber bevor du das kannst, muss etwas Schreckliches passieren«, philosophiert der junge Held.

Wie üblich in diesem Filmkosmos schicken ihm die intelligenten Apparate einen Killer auf den Hals, oder besser noch, dekorativ und verführerisch, eine Killerin, die Terminatrix (Kristanna Lokken). Die unmenschlichen Maschinendesigner haben dazugelernt, die Frauen sind das, womit man junge Typen kriegen kann. Nachdem sich die Terminatrix einen standesgemäßen Wagen organisiert hat und sie von den Bullen wegen zu schnellen Fahrens kontrolliert wird, bleibt sie vor einem riesengroßen Tittenwerbeplakat stehen, und noch bevor der Officer kommt, vergrößert sie ihren Brustumfang auf dekorative Körbchengröße.

Das gute Mädchen hingegen, Kate alias die etwas flachere Claire Danes, verkörpert die Hoffnung, die Seele, Stärke und heilende Kraft der Weiblichkeit – welch anderen Job könnte sie haben als den der Tierärztin, die auch bei Nacht und Nebel Hamster und Wellensittich beisteht. Der junge Mann steht also vor der Entscheidung zwischen der Heiligen und der Hure, Familiengründung oder Verführung, und niemand besser als diejenige, die John wirklich liebt, weiß, dass dies eine äußerst krisenhafte Lebensphase ist. So wird sie einen freundlichen Helfer und Ersatzvater aus der Zukunft in die Gegenwart schicken, den Terminator 800, also die Schwarzenegger-Figur.

Vorbildlich die Darstellung des konfliktreichen Prozesses zwischen Vater und Sohn. John: Hey, bist du nicht der Terminator aus dem letzten Film, das heißt, ich muss dir alles noch mal beibringen, gib Fünf und so weiter? Doch die Vater-Maschine weiß ihn zu beruhigen, alles abgespeichert, einen weiteren Unterricht kann man sich sparen.

Wie nötig John die Unterstützung braucht, zeigt die symbolische Ausgangslage dieses Beziehungsspektakels: Der junge Mann steht vor der Entscheidung seines Lebens, wird aber dabei keinesfalls in Ruhe gelassen. Noch am Abend, so wird allmählich klar, beginnt der »Judgement Day«, der Tag der Abrechnung, in dessen Verlauf die zu Bewusstsein gelangten Computer die Macht erringen. Der Atomkrieg, im zweiten Teil als Vision der Mutter angedeutet, kommt zwangsläufig, und er wird lange dauern – das jüngste Gericht kann eben etwas länger gehen. War »Terminator 2« der hoffnungslose Zentralfilm der neunziger Jahre, beginnt das neue Jahrtausend mit einer Epidemie schlechter Laune und übler Aussichten, deren apokalyptische Vorbotin aus Metall, Sex und Zynismus besteht. Das Prospekt, vor dem sie ihre Qualitäten ausspielt, ist allerdings ein reichlich humorvolles, mit einer hohen Zahl von Selbstzitaten und Zitaten. (Man ahnt Schlimmes, wenn man den Zustand der ersten zerstörten Stadt erblickt – hier wird eben mal Ground Zero reinszeniert. Im nächstbesten Dialog zeigt Regisseur Jonathan Mostow allerdings, was man von solch tränentriefenden Inszenierungen im Kino zu halten hat.)

So wendet sich »Terminator 3« vom großen, idealisierten Kampf ab und widmet sich den menschlichen Beziehungen angesichts der Bedrohung – schnell wird klar, dass nicht groß von außen gedroht werden muss, um innere Bedrohung zu schaffen: John Connor hätte es auch ganz ohne Maschinenterror zum passablen Drogenfreak gebracht. Es ist eben so: Ohne große Freunde und die Liebe anderer Menschen würde es den Mann sogleich ins Grab bringen. Und zur Maschinenwelt nur so viel: Er fährt mit der Harley Davidson zum Friedhof. Doch wer hat bloß diese ganze irre Welt geschaffen, wenn nicht bescheuerte männliche Maschinenliebhaber? Terminator und Terminatrix sind nicht real und fühlen nichts. An wem nun bleibt die ganze Verantwortung hängen? An der weisen und vorausschauenden Frau. Das ist die eigentlich pessimistische Grundnote des dritten Teils der »Terminator«-Reihe, die Frau muss sich jetzt ganz allein durchschlagen und kann nur auf ihre eigenen Talente vertrauen.

»Terminator 3« stellt hinsichtlich seiner Ikonografie keinen Quantensprung dar, wie das der zweite Teil tat, und ist im Denkansatz konservativ gesellschafts- und modernisierungskritisch, regierungsfeindlich, in gewissen Grenzen sozial engagiert, pessimistisch wie der erste Teil – back to the future, vorwärts in die Gegenwart, mit den üblichen kleinen und großen Unlogeleien.

Im Hollywood-Kino zu Beginn der 2000er Jahre ist »Terminator 3« aber vielleicht die noch am wenigsten schwachsinnige Thematisierung menschlichen Beziehungsleids, und, mal ehrlich gesagt: Um sich heutzutage elend zu fühlen, reicht allemal der Müllhaufen ikonografischen Materials aus dem Jahrzehnt zuvor, Knallen und Scheppern eingerechnet.

»Terminator 3 – Rebellion der Maschinen«. USA 2003. R: Jonathan Mostow.

Start: 31. Juli