Offen aus

Das neue Hamburger Landesmediengesetz kippt den Offenen Kanal. Schill ahoi III. von guido sprügel

Hamburg hat es wieder einmal geschafft und liegt bundesweit ganz vorn in der Disziplin »Deregulierung«. Ende Juni diesen Jahres verabschiedete der Hamburger Senat »das modernste Mediengesetz Deutschlands«, so Burkhardt Müller-Sönksen von der FDP-Bürgerschaftsfraktion. Mit dem Gesetz einher geht die Abschaffung des Offenen Kanals (OK), der sein Programm pünktlich am 30. Juni 2003 einstellte. Aber auch viele andere Punkte des Mediengesetzes wurden geändert, im Sprachgebrauch der Parteien des Mitte-Rechts-Senats nennt man das »liberalisiert« und »dereguliert«.

Begonnen hatte alles im Juli 2002 mit einem Artikel in Bild. Dort forderte der Vorsitzende der Hamburger CDU-Fraktion, Michael Freytag, dass der OK aus der Trägerschaft der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (Ham) herausgelöst werden solle. Motto der populistischen Argumentation: »Zu viel Gewalt. Zu viel obskure Propaganda. Zu viel Quatsch.« Die Aufregung war seinerzeit sehr groß; von der GAL bis zu Verdi regte sich lautstarker Protest gegen die Äußerungen Freytags. Auch die Ham protestierte mit Presseerklärungen gegen die Pläne des Senats. Sie befürchtete neben einer starken kommerziellen Ausrichtung der Medienlandschaft auch die »Einschränkung von Bürgerbeteiligung«, sollte der OK abgeschafft werden. Die Ham als zuständige Landesrundfunkanstalt für das Land Hamburg war bislang die zentrale Instanz für die Lizenzierung neuer privater und kommerzieller Radios und auch Fernsehsender. Die Grundlage bildet das Landesmediengesetz. Die Ham war darüber hinaus jedoch auch für die Kontrolle der jeweiligen Programme zuständig.

Bislang war es nicht möglich, reinen »Dudelfunk« zu machen, d.h. die Sender mussten immer auch auf einen bestimmten Anteil gesprochenen Wortes achten. Reine kommerzielle Privatsender waren nach dem alten Hamburger Mediengesetz, übrigens wie auch in der gesamten restlichen BRD üblich, nicht vorgesehen. Die recht rigorosen Kontrollmaßnahmen sollen die Medienlandschaft nämlich eigentlich vor zu viel Kommerz und inhaltslosen Programmen schützen.

Doch genau diese Kontrolle wollte der Hamburger Senat abschaffen, um die »Entfaltung des freien Unternehmertums«, so Dietrich Rusche (CDU-Fraktion), durch Deregulierung und Abbau der Bürokratie zu fördern. Der Senat war nicht zu stoppen.

Das neue Landesmediengesetz wurde auf der Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft am 26. Juni beschlossen. Die wichtigste Änderung ist sicherlich das wirklich beschlossene Ende des OK. Dieser existierte in Hamburg über 15 Jahre und hat vor allem mit seinen nicht deutschsprachigen Sendungen zum Hamburger Kulturleben beigetragen. Die Nutznießerin seiner Schließung ist ein wichtiges Prestigeobjekt des Hamburger Senats – die geplante Hamburg Media School (HMS). Denn sie »erbt« die Frequenzen des OK ohne die eigentlich dafür notwendige Lizenz und obendrein noch das technische Know-How des Senders, soweit es für sie denn von Nutzen ist. Die HMS soll in Hamburg nach den hoch fliegenden Plänen des Senats eine Elitebildungseinrichtung für den Bereich Medien und Journalismus werden. Sie soll halb privat sein und junge Journalisten nach dem Studium ausbilden. Sie könnte aber ebenso auch zur Universitätsalternative werden. So genau weiß das noch niemand.

Fest steht nur, dass deswegen der OK geopfert wurde und sie das frei werdende Geld aus den Rundfunkgebühreneinnahmen in Höhe von zirka 900 000 Euro jährlich komplett für sich allein erhält. Und auch die Frequenzen und das Equipment des OK werden demnächst die jungen Studenten der HMS nutzen. Zwar sollen sie auch den »Bürgerfunk« betreuen, doch dieser wird fortan von der HMS ausgewählt. Das Prinzip des OK, nämlich dass jeder Bürger (mitunter auf sehr schlechtem technischen Niveau) senden darf, wird also in Hamburg abgeschafft, obwohl der Geschäftsführer der HMS, Jan Henne de Dijn, noch im April in einem Interview mit der taz betonte, er sehe im Bereich Rundfunk »wenig Bedarf einzugreifen«. Knapp vier Monate später ist von diesen Tönen nichts mehr zu hören. Sowohl der Rundfunk als auch das Fernsehprogramm des Bürgerkanals existieren nicht mehr, 15 Angestellten des Senders muss nun von der Ham gekündigt werden. Teile des gerade neu angeschafften technischen Equipments für die Fernsehproduktion im Wert von knapp 200 000 Euro müssen wohl auch verkauft werden. Die HMS kann es so nicht verwenden, da sie die Räumlichkeiten des Kanals nicht weiter nutzt.

»Den Offenen Kanal abwickeln zu müssen, ist für alle daran Beteiligten einschließlich der Mitarbeiter eine bittere Situation«, so Lothar Jene, Direktor der Ham in einer Presseerklärung. Auch der Vorsitzende des Ham-Vorstands, Dietrich Sattler, bedauerte das Ende und beklagte die geringe Wertschätzung der politisch Verantwortlichen für die langjährige Arbeit. Ab sofort bestimmt die HMS über die Zukunft der Frequenzen und wird sie in erster Linie für die Ausbildung nutzen.

Aber auch die weiteren Änderungen im Gesetz lassen aufhorchen und eine Kettenreaktion erahnen. Denn das neue Mediengesetz beseitigt die letzten Widerstände gegen Kommerzialisierung. Als erstes Bundesland hat Hamburg wesentliche inhaltliche Auflagen für die privaten Radiosender aufgehoben. Es gibt fortan keinen Informationsauftrag für die Sender mehr, und auch die Aufgaben und Kontrollfunktionen der Ham werden drastisch beschnitten. Auf den ersten Blick erscheint der Wegfall von Kontrollen, gerade auch in Anbetracht des linksalternativen Freien Sender Kombinats (FSK) zwar wünschenswert, aber die Ausrichtung stellt erkennbar keinen Zugewinn an Informationsfreiheit dar; durchgesetzt hat sich eher »das Primat der Ökonomie bei der Vergabe der Lizenzen«, so Erhard Wohlgemuth, Geschäftsführer des FSK. Bei jeder neuen Lizenzvergabe werden wahrscheinlich werbefreundliche Kommerzsender vor jedem politisch angehauchten Sender das Rennen machen. Der SPD-Medienexperte Werner Dobritz warnte in der taz denn auch vor einem »Rückfall in die medienpolitische Steinzeit«. Der »Dudelfunk« findet nun ideale Bedingungen. Hans Kleinsteuber, Politik- und Medienwissenschaftler der Uni Hamburg, befürchtet einen zentralen Einkauf der Informationsbeiträge, die somit überall gleich sein könnten.

Die personelle Zusammensetzung der Ham selbst ist schließlich der letzte gewichtige Änderungspunkt des neuen Gesetzes. Bislang bestand der Vorstand aus 13 Mitgliedern, die zur einen Hälfte vom Hamburger Senat gewählt, zur anderen Hälfte von gesellschaftlichen Gruppen wie Gewerkschaften, Kirchen, Frauenverbänden etc. entsandt wurden. Nach dem neuen Gesetz wird der Vorstand auf 7 Mitglieder verkleinert und komplett vom Senat gewählt. Lothar Jene, Direktor der Ham, brachte die Intention bereits im Februar in einem internen Papier unverblümt auf den Punkt: Es gehe »offenbar darum, die Ham stärker als bisher aus ihrer politischen Neutralität zu entlassen«. Und was das bei einem rechtspopulistischen Senat bedeutet, kann man sich leicht denken.