Nutzt die Mode!

Der letzte linke Student XXVI

Der letzte linke Student ist nicht erschüttert. Er ist auch nicht wankelmütig. Ja: nicht einmal seine Stirn wird gerunzelt. Denn: heute ist der letzte linke Student entschlossen. Er ist: entschlossen, Einfluss zu nehmen. Und zwar: auf die Modewelt.

Weil alles eine Geschichte hat: weil es Geschichte ist: hat auch das hier eine Geschichte. Und zwar: eine Vor-. Der letzte linke Student hat sich nämlich in der Mitte der Mitte der Großen Stadt umgeschaut. Also: dort, wo man nicht hingeht. Jedenfalls wenn: man ein letzter linker Student ist. Der letzte linke Student hat dabei ganz viele junge Menschen gesehen, die Punks sind. Das ist schön gewesen. Weil: Punks sind links. Und: Punk ist 25! Und das zeigt: Geschichte ist gut.

Doch: nur auf den ersten Blick. Denn: der letzte linke Student hat erkennen müssen. Erkennen müssen hat er, dass diese Punks gar nicht No Future sind. Vielmehr: arbeiten diese Punks an einer Zukunft. Allerdings: der des Kapitalismus. Weil: diese Punks arbeiten in Banken, Werbebüros und Kosmetikläden. Schnell ist klar geworden: Das ist keine Unterwanderung. Sondern das ist: Mode.

Mode hinwieder: ist die Kapitalisierung aller Lebensverhältnisse. Nämlich: sie lenkt vom Naturbegehren ab. Und schafft Konsum oder Kaufrausch oder beides. Insofern: hat der letzte linke Student diesen Punks, die keine Punks sind, etwas zurufen mögen. Rufen hat er mögen: »Ihr seid doch keine Punks. Euch ist der Punk nur Maske und kein Wert. Ihr habt den Punk verraten!«

Doch: der letzte linke Student hat gar nichts gerufen. Denn: er hat eine Erkenntnis gehabt. Diese Erkenntnis lautet: Der Punk selbst war nicht gut. Also: schon irgendwie. Und: der hilft beim Abbau von Aggressionen. Die kommen vom: Kapitalismus. Der Punk aber eben auch: kommt selbst vom Kapitalismus. Denn: die Punks von damals sind heute reich. Oder: tot. Reich allerdings: mehr. Zudem: wollten die Punks nichts verändern. Stattdessen: alles beenden. Das aber ist: destruktiv. Weil es nichts hervorbringt. Und weil es: irgendwie so Nietzsche ist. Oder Ludwig Klages. Oder Heidegger. Die drei aber waren alle: Nazis. Punk folglich: ist verdächtig.

Allerdings: wenn die Punks, die keine Punks sind, aus Modegründen Punks sind, dann: machen die vielleicht auch noch was ganz anderes mit. Dieses Andere: lässt der letzte linke Student bald vom Stapel. Indem er: eine neue Modewelle anschiebt. Im goldenen Notizbuch steht jetzt: »Wenn Punk destruktiv ist, und Mode wird, kann auch das Positive Mode werden. Aber retro sollte es sein, retro ist gerade ›in‹. Öko ist ein gutes Beispiel. Da ist viel drin, für die Umwelt. Und für den Umgang miteinander. Naturbegehren ist auch drin. Wenn Öko Mode wird, fließt das Positive mit. Und bringt ein Stück von der Befreiung, nach der wir uns so lange sehnen mussten.«

Jetzt geht der letzte linke Student shoppen. Er geht entschlossen. Er kauft: einen zweiten Wollpulli. So setzt er Zeichen. Zeichen werden Trends. Trends werden Mode. Das weiche Wasser: undsofort. Das: lässt den letzten linken Studenten entschlossen auftreten. Es macht: stark. Weil man: Avantgarde ist. Und auch wir, wir sollten endlich unsere Vorurteile ablegen und mal mit der Zeit gehen.

jörg sundermeier