Auf dem
langen Marsch

Die Zukunft von Attac von anton landgraf

Liegt es an dem verheißungsvollen Namen, der für Elan und Entschlossenheit steht? Oder an dem Programm, das so vieles offen lässt und gerade deshalb die Stimmung unter den Unzufriedenen besonders prima trifft? Wie keine andere linke Organisation verzeichnet Attac einen kontinuierlichen Mitgliederzuwachs.

Darin liegt auch die große Attraktivität, die sowohl etablierte Gewerkschaften und Parteien als auch linksradikale Splittergruppen anzieht. Attac steht spätestens seit den Auseinandersetzungen bei den Gipfeltreffen in Göteborg und Genua für Popularität und Massenwirksamkeit – also für genau die Eigenschaften, nach denen die anderen politischen Organisationen verzweifelt suchen.

Attac profitiert dabei von einem Gefühl, das mittlerweile bis weit in die bürgerlichen und konservativen Schichten hinein verbreitet ist. Die rasante kapitalistische Modernisierung trifft die Lebensbedingungen bis in die Kapillaren der Gesellschaft. Die Arbeitsformen verändern sich unter den Bedingungen des globalisierten Kapitalismus ebenso rasant wie der soziale Status oder die privaten Beziehungen. Veränderungen, die mit den großen Umwälzungen am Ende des 19. Jahrhunderts vergleichbar sind.

Die Probleme, die sich daraus ergeben, sind mittlerweile auch Konservativen und Sozialdemokraten bekannt. Sie stehen vor dem Dilemma, dass die von ihnen propagierten Reformen gerade die gesellschaftlichen Strukturen zerstören, als deren traditionelle Bewahrer sie sich verstehen. Gleichzeitig sind sie dem vermeintlichen Sachzwang auf eine Weise verpflichtet, die keine positiven Utopien mehr ermöglicht.

Da kommt eine Bewegung wie Attac gerade recht. Sie kann die großen Fragen der Zeit ohne Rücksicht auf institutionelle Zwänge stellen und trifft gerade deshalb auf das Verständnis des Establishments. »Unsere Welt gerät aus den Fugen. Man braucht schon eine gehörige Portion Optimismus oder Blindheit, um zu glauben, dass die heutige Globalisierung etwas zur Lösung unserer Probleme beiträgt«, erklärte nicht etwa ein linker Aktivist, sondern der konservative frühere französische Ministerpräsident Alain Juppé.

Ein ähnliches Phänomen ist zumindest in Deutschland aus den siebziger Jahren bekannt. Auch damals gelang es einer außerparlamentarischen Bewegung, als erste auf ein fundamentales Problem des fortgeschrittenen Kapitalismus zu reagieren, das die Institutionen noch nicht begriffen hatten. Auch damals verhielt sich ein Teil der neuen Umweltbewegung militant und sorgte mit Straßenschlachten für die mediale Aufmerksamkeit.

Andere nutzten diese Präsenz, um ihre Kritik mit der Zeit selbst zu institutionalisieren. Heute ist die Adaption geglückt. Es gibt kein Parteiprogramm, in dem das Thema Umwelt nicht vorkommt. Die ursprünglich radikalen Forderungen kennt hingegen kaum jemand mehr.

Auch Attac wird sich dieser Vereinahmung kaum entziehen können. Gerade ihre Popularität macht die Organisation dafür anfällig, fundamentale Kritik in realpolitische Angebote zu transformieren: Ein anderes Europa ist möglich.

Gut möglich ist aber auch, dass der große Aufbruch von Attac bei vergleichbaren Themen endet, die heute die ökologische Debatte beherrschen: bei Diskussionen um das Dosenpfand. Nur wie die Minister heißen, weiß man noch nicht.