Bleibt subversiv!

Der letzte linke Student XXVIII von jörg sundermeier

Der letzte linke Student steht in einer Studentenvollversammlung. Er ist angerührt. Zugleich aber ist er auch skeptisch. Angerührt ist der letzte linke Student: weil so viele Studenten den Aufstand wagen. Und: demonstrieren. Und sogar: besetzen. Skeptisch ist der letzte linke Student aber auch. Denn: diese Studenten, die demonstrieren, sind nicht alle links. Einige möchten vielmehr: den Kapitalismus erneuern. Das aber ist: nicht links. Das ist, genauer gesagt, sozialdemokratisch. Und zwar: sozialdemokratisch wie Bernstein, der Verräter.

Dennoch denkt der letzte linke Student: Diese Demonstrationen sind ein Anfang. Denn hier sammeln sich die Massen. Weil sie: unzufrieden sind. Nun muss man eben: die Leute dort abholen, wo sie stehen. Und dann: auf seine Seite ziehen. Man muss nur agitieren. Dieser Gedanke gefällt dem letzten linken Studenten. Seine Skepsis weicht neuer Hoffnung. Ein roter Morgen: winkt am Horizont.

Doch da: sagt ihm die neue schönste Studentin, dass sie das alles hier sehr undemokratisch finde. Nämlich: hier demonstrieren zwar ein paar tausend Studenten. Aber: ein paar zehntausend Studenten demonstrieren zugleich nicht. Was einfach: nicht fair ist. Jetzt merkt der letzte linke Student: Da ist etwas faul an der Sache. Denn: diesen Demonstrationen fehlt die Basis.

So ist also: seine Skepsis vollauf berechtigt gewesen! Der letzte linke Student überlegt. Und er: wägt ab. Die, die jetzt demonstrieren, bilden eine Avantgarde. Doch die historische Situation ist anders als 1917. Diese heutige Avantgarde ist keine der Bauern und Arbeiter. Diese ist eine der Studenten. Studenten aber: können sich bereits selbst artikulieren. Ihnen hat die Bildung eine Stimme gegeben. Sie brauchen demzufolge: niemanden, der ihnen ihre Wünsche erklärt. Und dann: erkämpft.

Insofern: benutzen diese Studenten linkes Kampfgut. Und wenden es: nach rechts. Weil die Mitte rechts ist. Und weil sie sich nicht um die Basis kümmern. Ohne Basis aber: keine Verbrüderung mit den Bauern und Arbeitern. Daher nun auch: ist zu erklären, warum dieser studentische Protest keinen Rückhalt in der Bevölkerung findet. Anders etwa als: 1968 in Paris.

So weit die Analyse des letzten linken Studenten. Doch nach der Analyse verlangt es: nach der Tat. Das war schon: bei Freud und Trotzki so. Die revolutionäre Frage lautet: Wie ist dieser Protest basisnah zu machen? Schnell zieht der letzte linke Student sein goldenes Notizbuch aus der Hosentasche. In diesen Tagen: hat er es immer dabei. Weil: schrecklich viel passiert.

Der letzte linke Student schreibt: »Damit sich Basis und Avantgarde des stud. Protestes zusammenraufen, muss der Druck erhöht werden. Die Demos jetzt können nur eine Vorform des Kommenden sein, eine Übung. Man muss sich aus einer radik. Perspekt. aber wünschen, dass diese Proteste scheitern. Denn dann kommen die Studiengebühren und der Druck wird für alle unerträglich. Erst dann ist eine wirkl. rev. Haltung unter den StudentInnen möglich.«

Schnell liest er noch mal durch, was er geschrieben hat. Es klingt sehr subversiv. Der letzte linke Student ist sehr stolz. Wie beiläufig lehnt er sich nun gegen den Arm der schönsten Studentin. Liebe ist ein Vorschein der Revolution. Und auch wir sollten beieinander stehen und uns härter machen gegen die Zeit.