Der Anti-Bush

Michael Moore tourt durch Europa und überzeugt auch den letzten von der Schlechtigkeit der USA. von guido sprügel

Die USA sind Scheiße! Sie sind es seit Menschengedenken, sie sind für das Böse in der Welt und für die Armut gleichermaßen verantwortlich. Der gemeine Amerikaner ist angriffslustig und offen imperialistisch. Noch was vergessen? Ja, er unterdrückt die Völker der Welt.

Unter deutschen Linken gehört es seit jeher zum guten Ton, Vorreiter in der Kritik der US-Politik zu sein. Dabei hat man sich nicht unbedingt an der realen Politik abgearbeitet, sondern das Böse per se zusammenphantasiert. »USA – internationale Völkermordzentrale«, wurde skandiert.

Am besten kommt die Kritik an den USA und ihrer Politik jedoch, wenn sie einer von ihnen, also ein waschechter US-Ami, vorbringt. Das wirkt einfach plausibler, wenn man sagen kann, ey, der kritisiert das doch auch. Michael Moore ist so eine Figur; er ist US-Amerikaner, er versteht sich als Linker und, was am besten ist, er haut in Sachen USA mal so richtig auf den Putz. Bequem, wenn man seine eigenen Ressentiments durch eine echte Autorität noch dazu auf so amüsante Art und Weise bestätigt findet.

Auf seiner Tournee, mit der er zurzeit durch Europa tingelt und eigentlich aus seinem neuen Bestseller »Volle Deckung, Mr. Bush« vorlesen möchte, sprengt er bislang das Fassungsvermögen aller Hallen. So auch bei seinem Auftritt in Hamburg. Doppelt so viele Karten hätten verkauft werden können.

In die Veranstaltungshalle des Kongresszentrums gekommen ist ebenso das kritische Bildungsbürgertum, das den »Scheibenwischer« immer geliebt hat, wie die systemkritische Linke. Man will den Mann sehen, der zu einfachen Wahrheiten neigt und mit seinem Buch »Stupid White Men« und dem Oscar-gekrönten Dokumentarfilm »Bowling for Columbine« weltberühmt geworden ist.

Michael Moore, dicklich, schlabberige Klamotten, obligatorische Basecap, betritt das Podium. Frenetischer Applaus! Bush wird in der Show sein Fett abkriegen, so viel ist sicher.

Der kometenhafte Aufstieg des Michael Moore begann so richtig im letzten Jahr. Es passte gut, als während des Irakkriegs sein »Stupid White Men« erschien, in dem Moore Bush für seine Kriegspolitik scharf kritisierte. Das Buch führte sowohl in den USA als auch in Deutschland wochenlang die Bestsellerlisten an. Sein neues Buch »Volle Deckung, Mr. Bush« ist kurz nach seinem Erscheinen auf den ersten Platz der US-amerikanischen Bestsellerliste geklettert. Mehr als eine Million Exemplare wurden verkauft. Der Mann ist die Inkarnation des »kleinen Mannes«. Und er sagt endlich mal was gegen den Wahnsinn in der Welt.

Knapp dreieinhalb Minuten nach Beginn der Veranstaltung sagt Moore etwas, das wie »Fuck you, Mr. Bush« klingt. Ist auch egal, was er genau sagt, der Saal tobt! Es folgt eine Ausführung zum Sport. Die friedensliebenden Europäer und auch speziell die Deutschen spielen Fußball. Moore sagt öffentlichkeitswirksam Fuaßboll; die US-Amerikaner aber lieben Football. Bei dem einen Spiel fallen wenig Tore und für ein Foul sieht man gelb. Nicht so im kriegslüsternen Amerika. Dort haut man sich und es fallen viele Tore. Der Beweis für die Gigantomanie und die Aggression. Alles in den USA muss viel, besser und höher sein. Michael Moore gibt den Clown, karikiert den dummen Ami, geht breitbeinig und grinsend über die Bühne. Auch das hört und sieht man gern. So stellt man sich den Imperialisten vor. Durch einfache Thesen und zum Teil schlecht recherchierte und belegte Beispiele hangelt sich Moore von Lacher zu Lacher. Dabei referiert er frei, ohne aus seinem Buch zu lesen. Doch in »Volle Deckung, Mr. Bush« würden sich eh keine besseren Belege für seine Behauptungen finden lassen. Was in seinen Dokufilmen noch lustig und originell erscheint, nämlich Moores Selbstinszenierung und der ungenaue Umgang mit Daten, gerät in seinen Büchern zur Nervtöterei. Die Informationen stammen nämlich hauptsächlich aus Zeitungen oder Internetseiten und werden von Moore zu einfachen Thesen zusammengekocht.

Die Stimmung im Saal ist unterdessen grandios. Moore plaudert frei von der Leber weg. Und das kann er. Ihm gelingt es problemlos, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, und er spielt diese wirklich gut. Nur sollte er sich mal entscheiden, ob er reinen Klamauk machen will oder aber eine politische Rede halten möchte. In seiner Mischung kommt die fundierte Analyse zu kurz, und der Witz seiner Rede verleitet dazu, den Mann sympathisch zu finden und ihm einige Ungereimtheiten zu verzeihen. Doch wo bleibt der nächste Begeisterungsapplaus? »Und wer hat ein Interesse am Krieg gegen den Irak gehabt? Die amerikanischen Ölfirmen!« Na endlich, jetzt steht vor allem die linke Fraktion im Saal Kopf. So einfach funktioniert Kapitalismus – schade, dass darauf nicht schon eher jemand gekommen ist! Aber da war doch mal was: »Kein Blut für Öl« – einst These der Linken, jetzt der NPD. Moore kommt an. Und schlägt munter weiter um sich. Die amerikanische Regierung sei zwar mächtig, aber u.a. aufgrund ihrer dummen Bevölkerung. Bush, dieser Schurke, hält sein Volk in Unwissen! Da schau einer an. Schade nur, dass Moore keinen Beweis für die Existenz eines Gehirnwäscheprogramms liefert. Er beschreibt nur, dass 85 Prozent der Amis nicht wissen, wo der Irak auf der Landkarte liegt. »Müsste das nicht Bedingung sein, um ein Land zu bombardieren?« fragt Moore die Menge. Und die antwortet? Mit langem Applaus.

Der Bildungsnotstand der USA ist eine bekannte Tatsache und liegt auch in der Politik der Regierung begründet – sie jedoch einzig und allein Mr. Bush anzukreiden führt zu dem bereits monierten dichotomischen Weltbild. Die Weltpolitik erklärt man mit solch einfachen Beweisführungen nicht. Und das will Moore auch gar nicht. Er möchte das enfant terrible sein, das Bush auf den Nerv geht. Kann er ja auch gerne sein. Nur wenn sich die Wut auf Bush an verkürzten und zu Verschwörungstheorien neigenden Argumenten bedient, wird das Tor zur irrationalen Angst aufgestoßen – nach dem Motto: Die da oben sind nicht zu kontrollieren und beeinflussen uns.

Genau diese Instrumentalisierung der Angst wirft Moore auch Bush vor – die Katze beißt sich in den Schwanz. Den Linken im Saal ist das egal – auch bei der vierten Wiederholung von »Bush muss weg!« klatschen sie begeistert. Am Ende kriegt unser Robin Hood dann Standing Ovations.

Die Pressekonferenz im Anschluss sagt er ab – ein Michael Moore braucht nichts mehr zu erklären.

Michael Moore: Volle Deckung, Mr. Bush – Dude, where is my country? Piper, München 2003,314 S.,12,90 Euro