Hier spricht die Polizei

Mit einer Hausdurchsuchung beim linken Radio FSK in Hamburg verschaffte sich die Staatsanwaltschaft Einblicke in die Arbeit des Senders. von volker weiß

Ein Hauch von Polizeistaat wehte durch die Räume des Hamburger Radios, als sich während der laufenden Sendung am Nachmittag des 25.November eine Kriminalbeamtin am Moderationspult postierte. Die Warnung an das FSK (Freies Sender Kombinat) war deutlich: Auf keinen Fall solle man wagen, die überfallartige Durchsuchung der Räume des Hamburger Radios per Mikrophon der Außenwelt mitzuteilen. Die Razzia sollte möglichst ungestört über die Bühne gehen. Die Polizei war auf der Suche nach einem vier Wochen alten Interview mit ihrem eigenen Pressesprecher. Er war nach zwei Festnahmen gefragt worden, die sich am Rande einer Demo am 18.Oktober 2003 gegen die Räumung des Bauwagenplatzes Bambule ereigneten.

Dem Pressesprecher sei während des Gesprächs nicht klar gewesen, dass das Interview auch gesendet werden würde. Die Staatsanwaltschaft sah die »Vertraulichkeit des Wortes« verletzt. Die folgende Anzeige nahm der Staatsschutz zum Anlass, sich per Durchsuchungsbeschluss und mit robustem Geleit in den Räumen des FSK umzusehen und die Arbeit des nicht kommerziellen Senders massiv zu behindern. Als die Beamten nach drei Stunden abzogen, hatten sie allerdings vor allem an Ordnern mit Namenslisten und Telefonnummern Interesse gezeigt.

Aus der Privatwohnung eines Redakteurs wurden dessen Computer und Unterlagen abtransportiert. Die Menschenmenge, die sich mittlerweile vor dem Gebäude des Radios zum Protestmarsch zur Lerchenwache formiert hatte, bekam den üblichen Hamburger Wanderkessel zur Begleitung.

Das FSK bezweifelt, dass es tatsächlich um das Telefongespräch mit der Pressestelle der Polizei ging. Torsten Michaelsen vom FSK weist darauf hin, dass die inkriminierte Sendung bereits am 24. Oktober ausgestrahlt wurde. »Dass jetzt, einen Monat später, eine Hausdurchsuchung durchgeführt wird, zeigt, dass es überhaupt nicht um ein aufgezeichnetes Gespräch geht, sondern um Einblicke in die Strukturen des FSK.« Für Eva Schleifenbaum von der Deutschen Journalisten-Union (DJU) setzt die Polizei mit dieser Aktion »kuriose Prioritäten«. Dass eine Polizeibeamtin hinter der Moderation steht und dafür sorgt, dass bestimmte Informationen nicht übers Mikrophon kommen, habe sie »noch nie erlebt«.

Verwundert darüber sei sie aber nicht, da die Presse in Hamburg mittlerweile recht unsanft behandelt werde. Bereits seit einiger Zeit werden kritische Medien durch den Senat »blockiert«, so kämen Kollegen nicht mehr in die JVA, die früher regelmäßig über die Hamburger Gefängnisse berichtet hätten. Der Schlag gegen den kleinen Sender passe jedenfalls ins politische Konzept des Rechtssenats. »Medienpolitisch soll alles, was nicht privatwirtschaftlich organisiert ist, weggeschossen werden«, meint die Geschäftsführerin der DJU.

Der krisengeschüttelte Senat aus CDU, FDP und Schill-Partei scheint gewillt zu sein, angesichts der Gefahr von Neuwahlen auch medienpolitisch so viel verbrannte Erde wie möglich zu hinterlassen. Hamburgs Offener Kanal wurde geschlossen und die Landesmedienanstalt (HAM), deren Vorstand dem freien Radio gegenüber aufgeschlossen war, umstrukturiert. Wie der Zufall will, fand die Razzia am Tag vor den Wahlen des neuen HAM-Vorstands statt. Das Ende einer nicht rein kommerziellen Medienpolitik scheint beschlossen.

Michael Reichmann, noch stellvertretender Direktor der HAM, sieht die Abwicklungstendenzen in Hamburgs Medienlandschaft, im Fall der Durchsuchung des Senders hält er sich aber bedeckt. »Der Vorfall bedarf einer genauen medienrechtlichen Prüfung«, betont er und will beide Seiten – das FSK und die Staatsanwaltschaft – anhören. Schließlich gehe es um »bestimmte Grundsätze der Medienarbeit«. Irritiert war er aber schon, von dem Vorgang erst aus der Zeitung erfahren zu haben, schließlich stünde der Sender unter Aufsicht seiner Dienststelle. Die Polizei sei zwar keineswegs verpflichtet, betont er, sich zunächst an die Medienanstalt zu wenden, doch sei der Behördenweg eigentlich gängig. Tatsächlich war bisher im Zweifelsfall die schriftliche Anforderung eines Sendemittschnitts über die HAM üblich. So ließen sich in der Vergangenheit auch Verstimmungen über einen Song der Gruppe Fischmob mit dem Titel »Polizei Osterei«, in dem die Polizeiführung einen Aufruf zur Gewalt sah, klären. Zum Eingriff in die Sendetätigkeit durch eine Beamte am Moderationspult fiel ihm aus seiner Berufspraxis auch kein vergleichbarer Fall ein.

Für das FSK war dies nicht die erste Unannehmlichkeit. Der Sender hat sich eine mitunter heftige Kritik der Verhältnisse zur Aufgabe gemacht, die auch vor der Linken nicht Halt macht. Neben stundenlangen Theoriesendungen über Marx, Adorno, Butler und Postone hat das FSK ein Sendekonzept zur Begleitung von Demonstrationen entwickelt, das der Polizei stets missfiel. Vor allem im Rahmen der Auseinandersetzungen um den Bauwagenplatz Bambule im Winter letzten Jahres wurden immer wieder gezielt Reporter des Radios am Rande von Demonstrationen festgenommen, selbst wenn sie sich mit Presseausweis legitimieren konnten.

Gleichzeitig mit der Heimsuchung des FSK wurde dem Bauwagenplatz Henriette die Kündigung überreicht. Anfang des Monats versuchte der Staatsschutz, ohne Durchsuchungsbeschluss in die Räume des Asta der Hochschule für Wirtschaft und Politik einzudringen. Hier suchte sie den Mitschnitt einer Podiumsdiskussion, in deren Verlauf ein Redner den hochschulpolitischen Sprecher der Schill-Partei, Christian Brandes, wegen seiner Zugehörigkeit zur rechtsextremen Burschenschaft Germania als »Faschisten« bezeichnet hatte. Auch die Hafenstraße dient wieder als public enemy und wurde mit einer Drogenrazzia bedacht.

Seit Ronald Schill gestürzt ist, wackelt in Hamburg der »Bürgerblock«. Der brüchig gewordenen Koalition bieten sich Polizeieinsätze gegen das verhasste linke Milieu an, um darüber hinwegzutäuschen, dass der Regierungswechsel nirgends zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen geführt hat. Der Senat versucht so, das Bedürfnis seiner autoritären Klientel nach Aufsicht und harter Hand zu befriedigen. Das Klima in Hamburg ist deutlich repressiver geworden.