Die dagegen sind

Linke, Nationalisten und Islamisten aus der arabischen und westlichen Welt versammelten sich in Kairo zu einer Konferenz über Widerstand und Globalisierung. von udo wolter

Die Nachricht von Saddam Husseins Festnahme platzte mitten in die Vorbereitungen zur abschließenden Pressekonferenz der zweiten Kairoer Konferenz der »Internationalen Kampagne gegen US- und Zionistische Besatzung«. Laut Al Ahram Weekly wurden die letzten Stunden der Konferenz vom »Fall des früheren arabischen Präsidenten komplett gehijackt«.

Auf das drängende Verlangen zahlreicher Journalisten nach Statements zu Saddams Festnahme ergriff schließlich George Galloway, prominenter britischer Kriegsgegner und Labour-Abgeordneter mit äußerst umstrittenen Beziehungen zum gestürzten Ba’ath-Regime, das Mikrofon, um die Meldung zu bestätigen und gleich die mediale »Erniedrigung« des verhafteten Ex-Diktators zu beklagen. »Seine Feinde haben gut lachen, aber es wird nicht das letzte Lachen sein«, verkündete Galloway unter tosendem Beifall. Als der libanesische Journalist Kamil Dagher, entsetzt über die »Pro-Saddam-Gefühle«, in den Saal rief: »Habt ihr vergessen was dieser Mann getan hat? Er mordete und folterte!«, löste er einen wilden Wechsel von Worten wie »Verräter!« und »Agent Saddams!« aus.

Sicher nur eine Impression, aber wohl durchaus kennzeichnend für eine Konferenz, die mit eindeutig antiisraelischer und antiamerikanischer Absicht den Schulterschluss von arabischen Linken und Islamisten mit internationalen Kriegsgegnern und vor allem der »globalisierungskritischen« Bewegung suchte. Dass auch eine Woche nach Konferenzende noch keine Abschlusserklärung veröffentlicht wurde, ist möglicherweise auf die umstrittene Aufnahme eines Passus zur Ergreifung Saddam Husseins zurückzuführen. Der Entwurf, so war Al Ahram zu entnehmen, pries die »heroische Intifada« der Palästinenser und den »irakischen Widerstand«, der keineswegs auf Saddam zu reduzieren sei.

Die insgesamt gut 1 000 Teilnehmer kamen vornehmlich aus Ägypten und anderen arabischen Ländern, etwa 200 waren aus immerhin 30 Staaten in aller Welt angereist, unter ihnen Prominente wie der ehemalige britische Labour-Vorsitzende Tony Benn, der frühere US-Generalstaatsanwalt Ramsey Clark, der ehemalige UN-Koordinator für den Irak, Dennis Halliday, sowie Ahmed Ben Bella, der erste Präsident des unabhängigen Algerien. Auch Antikriegsgruppen wie die US-basierte internationale Organisation A.N.S.W.E.R., die britische Stop the War Coalition und Antiglobalisierungsgruppen aus zahlreichen europäischen und arabischen Ländern waren zugegen.

Während die Organisatoren der Konferenz und ihr Umfeld vor allem aus nasseristisch-linksnationalistischen und traditionell marxistischen Kreisen kommen, wurde die erstmalige Teilnahme islamistischer Organisationen und Vertreter begrüßt. Al-Ahram schrieb, die »Chemie zwischen dem linken Flügel der Konferenz und islamischen Strömungen« sei für viele »eine Offenbarung« gewesen. Ma’moun al-Hodeibi, Führer der ägyptischen Muslimbruderschaft, verdammte das »autoritäre imperialistische und agressiv kapitalistische System« und pries die Antiglobalisierungsbewegung, ein Hamas-Repräsentant wies jede »Normalisierung mit der zionistischen Entität« zurück.

Gerade mit Blick auf die gemeinsame Teilnahme von Linken und Islamisten wurde die Antikriegs- und »No Global«-Bewegung von Konferenzteilnehmern wie Galloway als »Brücke zwischen Ost und West« gepriesen. Das klingt schön und passt zum Schlagwort der »Globalisierung von unten«, aber auf dieser Brücke wurden offenbar vor allem antizionistisch-antisemitische und antiamerikanische Ressentiments ausgetauscht. Nermeen Al-Mufti, Vizedirektor des Occupation Watch Centers Iraq (OWCI), offenbarte in einem Konferenzpapier: »Mit oder ohne Saddam, der Irak musste zerstört werden, um in die zionistische Agenda zu passen.« Wenige Wochen zuvor saß ein anderer Vertreter des OWCI beim Europäischen Sozialforum in Paris zusammen mit Galloway in einem Forum zum Thema »Neoliberale Globalisierung, Besatzung und der neue Kolonialismus«.

Bezeichnend für die gesamte Ausrichtung der Kairoer Konferenz ist vor allem das Papier des eingangs erwähnten Libanesen Kamil Dagher, der seine aufrichtige Verachtung für Saddam Hussein und scharfe Kritik am antidemokratischen Charakter der übrigen arabischen Regimes mit einem geradezu steinzeitlich kruden Antiimperialismus und Antizionsmus verbindet. Neben den üblichen Boykottforderungen verlangt er gleich noch die Rückführung aller arabischen Juden in ihre Herkunftsländer. Wie viele andere Konferenzteilnehmer verdammt er die Beteiligung der irakischen KP am Regierungsrat und fordert sie zum Sturz der gegenwärtigen Führung auf, damit die KP dann ihren gebührenden Platz in »den Frontlinien des Widerstands gegen die Besatzung« einnehmen kann. Auch die Arbeiterkommunistische Partei des Irak (AKPI) wird aufgefordert, ihre bisherige Weigerung aufzugeben, sich dem »militärischen Widerstand« anzuschließen (Jungle World, 51/03). Die linken und rechten Antiimperialisten Europas mit ihrer Kampagne »Zehn Euro für den irakischen Widerstand« werden solche Signale aus Kairo gern vernehmen.

In der Agenda für die Arbeitskreise der Konferenz wurden zwar kritische Fragen an die Adresse arabischer Regimes und politischer Parteien formuliert, etwa nach Verbündeten und Feinden der arabischen Bevölkerung im Kampf um Demokratisierung und gegen die durch kapitalistische Globalisierung induzierten Verarmungsprozesse. Aber sie wurden auch in den theoretisch elaboriertesten Konferenzpapieren durchgängig unter die Prämisse eines nationalistischen und klassisch antiimperialistischen Weltbildes gestellt.

In der arabischen Welt scheint sich ein wirkliches Umdenken, das mit den antizionistischen Tabus der nationalistischen Linken bricht und auf klare Distanz zu Islamisten aller Couleur geht, außerhalb des Irak auch im Libanon offen zu äußern. Dort entwickelt sich eine Oppositionsbewegung aus jungen Linken und Kriegsgegnern, die auch gesellschaftliche Unterdrückungsverhältnisse kritisiert.

Auf der Kairoer Konferenz dagegen scheint der Hass auf Amerika und Israel die Klammer zwischen arabisch-nationalistischen Linken, Islamisten und europäischen Kriegs- und Globalisierungsgegnern gebildet zu haben, der mit einer politischen Kritik an deren Regierungsmaßnahmen als einem Ausdruck der Herrschaftsverhältnisse im globalen Kapitalismus und mit emanzipatorischen Forderungen nichts zu tun hat.

Linke auf der Suche nach Ansatzpunkten für einen emanzipatorischen »neuen Internationalismus« sollten diese Kairoer »Brücke« nicht betreten. Tatsächlich aber werden emanzipatorische Bestrebungen vom linken Mainstream ignoriert oder unter den Generalverdacht prowestlicher Kollaboration gestellt. Die protestierenden Studenten im Iran und linke Exiloppositionelle werden bei ihren Bemühungen um breitere Unterstützung des erstarkenden Widerstandes gegen das islamistische Regime genauso allein gelassen wie der Jugendaufstand in der algerischen Kabylei. Das pragmatische Verhältnis der kommunistischen Parteien des Irak zur Besatzungsmacht stößt auf paternalistische Ablehnung.