Im Dutzend billiger

Alle wollen Elite sein von stefan ripplinger

Wer etwas wissen oder können will, bringt es sich selbst bei. Wer aber mit dem, was er nicht weiß und nicht kann, zur Elite aufschließen will, geht auf eine Universität und macht hoffentlich Karriere. Das ist gut und gerecht, denn der erste zieht seinen Lohn aus dem, was er gelernt hat, der zweite daraus, dass er den ersten feuern darf.

Die SPD will, weil es zwar Gefeuerte genug, aber noch immer zu wenige gibt, die andere feuern wollen, Eliteuniversitäten einrichten. Dass die Aufzucht herkömmlicher Funktionseliten einer »Allianz für Innovationen« anvertraut wird, wundert dabei so wenig wie der Umstand, dass sich die Grünen dieser sogleich angeschlossen haben, wenn sich ihr Sprecher die Innovationen auch »flächendeckend« wünscht. Richtet der große Bruder eine Brutstätte für Karrieristen ein, will der kleine gleich das ganze Land in eine verwandeln; freut sich der eine seines Bretts vorm Kopf, will der andere gleich Wälder anpflanzen. An Ehrgeiz fehlt es also nicht, aber doch an Maß. Nicht jeder kann Sprecher der Grünen, manche wollen es nicht einmal werden. Das sollte bedacht sein, bevor riesige Flächen des Landes mit Filialen der Heinrich-Böll-Eliteuniversität für Innovationen verödet werden.

Außerdem wird die Frage, wer dafür aufkommen soll, immer noch zu selten gestellt. Die späteren Eliten außer mit Langeweile und Leere auch in Cash für ihre Ausbildung zahlen zu lassen, ist keine unbillige Forderung. Es befremdet an den Studentenprotesten, dass diejenigen, die nach oben streben, noch nicht einmal den Aufzugführer entlohnen wollen.

Noch befremdlicher ist der Aufschrei gehätschelter Humanisten, die ahnen, dass die SPD mit »Elite« sie gewiss nicht meint. Die taz befürchtet, dass »unsere Politiker« keineswegs versessen sind »auf junge Menschen, die stolz mit Kant-Jubiläumsausgaben herumfuchteln. Eher schwebt ihnen ein smarter Absolvent der Ingenieurswissenschaften vor, der mit einer tollen Erfindung den havarierten Industrietanker wieder flottkriegt.« Mit der Kantausgabe ginge das auch schlecht. Es ist wohl eine für den taz-Redakteur schwer bekömmliche Wahrheit, dass ihm die Bafög-Schuld auch dann nicht erlassen wird, wenn er bereit ist, den Industrietanker mit Blüten zu schmücken. Der Wissensproduzent Wolf Lepenies fuchtelt einmal mehr mit der Wilhelm-von-Humboldt-Jubiläumsausgabe herum, fordert den »Luxus, Wissen um seiner selbst willen zu produzieren«, und damit seinen eigenen Luxus, für Wissen bezahlt zu werden, von dem niemand etwas wissen will. Dass die SPD, wenn auch unabsichtlich, mit ihrem Vorstoß solche Mandarine demütigt, ist ihre erste edle Tat seit Jahren.

Mancher Humanist ist peinlich berührt, dass ausgerechnet Durchboxer und Putzfrauensöhne wie Scholz und Schröder von einer Elite zu sprechen sich erdreisten. Thomas Steinfeld in der Süddeutschen: »Eine ›Elite‹ ist eine heikle Angelegenheit. Denn solange es sie gibt, ist von ihr nicht die Rede. Sie leistet etwas und spricht wenig darüber.« Sie ist, meint Dr. Steinfeld wohl, so bescheiden und selten wie er selbst. Dabei scheint der Tag nicht fern, an dem die Nanotechnologie so weit ist, solche wie ihn im Dutzend zu erzeugen, und alle passen auf eine Nadelspitze.