Je schlimmer, desto besser

Selbstmordanschlag in Bagdad von carlos kunze

Sonntagmorgen, 8 Uhr, Bagdad: Vor dem US-Hauptquartier jagt sich ein Attentäter in einem Auto mit 500 Kilogramm Sprengstoff in die Luft. Mindestens 20 Tote, zwei davon US-Amerikaner, die übrigen Irakis, mehr als 60 Verletzte. Die Explosion erfolgte nach Angaben US-amerikanischer Behörden vor dem Eingangstor des schwer bewachten Headquarters; dort warteten überwiegend irakische Arbeiter auf Einlass. Es ist der schwerste Anschlag im Irak seit Jahresbeginn. Die Hintermänner werden gesucht, aber die Art der Ausführung weist in die Richtung islamistischer Attentäter.

Samstagabend, Tikrit: Nach Angaben des US-Militärs explodiert ein weißer Mercedes-Benz mit drei Männern. Zwei Tote, darunter ein Verwandter Saddam Husseins, einer überlebt schwer verletzt. Kein Selbstmordanschlag, sondern eine missglückte Attacke auf eine US-Patrouille; die selbst gebastelte Bombe aus Artilleriegranaten und Plastiksprengstoff, so das US-Militär, sei vorzeitig hochgegangen. Stimmen die Angaben, dürften die verhinderten Attentäter aus den Reihen der aufgelösten Ba’ath-Partei stammen.

Zwei Bombenexplosionen, zwei Komponenten des so genannten Widerstands im Irak. Der setzt sich überwiegend aus Ba’athisten, irakischen Islamisten unter anderem der Ansar al-Islam – die zunächst im kurdischen Nordirak operierte, mittlerweile in Bagdad vermutet wird –, ausländischen Jihadisten, aber auch Armen zusammen, die bereit sind, für 500 Dollar eine Granate auf einen Militärkonvoi abzufeuern.

Über das Verhältnis zwischen irakischen Ba’athisten und aus anderen arabischen Ländern importierten Islamisten wird seit längerem gerätselt. Neuen Stoff bekamen die Debatten in der vergangenen Woche. Bei der Gefangennahme Saddam Husseins am 13. Dezember, so berichtete die New York Times am Mittwoch unter Berufung auf ungenannte Offizielle aus der Bush-Administration, sei ein Dokument gefunden worden, in dem Saddam Hussein seine irakischen Unterstützer davor warnt, eine allzu enge Kooperation mit islamistischen Jihadisten und anderen ausländischen Arabern einzugehen. Auf taktischer Ebene, bei einzelnen Attacken, gebe es nach Angaben von Militär- und Geheimdienstoffiziellen eine Kooperation, auf strategischer Ebene hingegen kaum Anzeichen dafür.

Klar ist demzufolge zumindest, dass es diverse Kontakte zwischen Ba’athisten-Kreisen und ausländischen Islamisten gab und gibt. Dieselben Feinde haben sie sowieso. Die Autobomben verfolgen zwei strategische Ziele: einerseits die Entmutigung aller, die mit den US-Amerikanern kooperieren, indem sie Angst vor einer solchen Kooperation verbreiten. Und andererseits sollen sie einfach Chaos schaffen. Das Kalkül ist einfach: Wenn eine Okkupationsmacht unfähig erscheint, für Sicherheit zu sorgen, kann dies die Bevölkerung über kurz oder lang auf die Seite der Insurgenten ziehen. Mit ihren Anschlägen auf so genannte Kollaborateure und auf die zivile Infrastruktur des Landes haben aber auch andere Teile des »Widerstands« auf dieselbe Karte gesetzt. Das Motto für diese Art reaktionärer Insurrektion lautet: Je schlimmer, desto besser. Im übrigen scheint das auch der Leitgedanke von Islamisten und Ba’athisten gegenüber allen zu sein, die sich ihrer Herrschaft nicht vollständig unterwerfen wollen.