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Renner rennt

Pop. Universal Music, dessen deutsche Zentrale 2002 von Hamburg nach Berlin zog, um von den Büros an der Oberbaumbrücke aus die lebendige Popszene der Hauptstadt besser in den Blick zu kriegen, hat seinen Deutschlandchef Tim Renner verloren. Renner ging es zuletzt nämlich nicht mehr deutsch genug zu bei Universal. Er könne die »internationalen Sparmaßnahmen von Universal zwar nachvollziehen«, verlautbarte aus dessen Büro, aber zugleich bestünden »unterschiedliche Auffassungen« in Bezug auf hier arbeitende Künstler.

Der Förderer deutscher Künstler wie Die Ärzte, Absolute Beginner, Rammstein, Rosenstolz und Element of Crime wirft das Handtuch, wird zum Globalisierungskritiker und gibt ein Statement gegen die Geiz-ist-geil-Politik des Weltmarktführers im Musikgeschäft.

Oder so: Der 39jährige Aufsteiger mit der Szene-Credibility und dem Start-up-Charme der Neunziger scheitert mit seinen großdeutschen Pop-Plänen in einem internationalen Unternehmen, weil Bro’Sis gegen Björk einfach nicht punkten können und Jeanette Biedermann gegen Eminem eben nur ein ganz kleines Sternchen ist.

Aus Sicht der Konzernspitze sind deutsche Künstler eben nur begrenzt interessant, da sie außerhalb des nationalen Marktes nicht verkauft werden können. Renner meint dagegen: »Ich glaube fest daran, dass der Markt auch ein Repertoire aus Szenen und Nischen braucht, um authentische Inhalte zu entwickeln«. So konnte er den Marktanteil für nationale Produktionen an den Album Charts von 23 auf 29 Prozent steigern. Da der Gesamtumsatz allerdings rückläufig ist, ist insgesamt weniger Geld zu verteilen.

Mit Jras un ohne Droge

Karneval. Einerseits ist der Kölner Karneval weder ohne Bier noch ohne die Musikgruppe Höhner so recht vorstellbar. Schließlich macht Bier betrunken, und so lässt sich zu den Höhner-Hits »Echte Fründe stonn zosamme«, »Kumm, loss mer fiere, nit lamentiere« oder »Die Karawane zieht weiter« auch ganz gut schunkeln.

Andererseits sind sowohl die Drogen als auch die Höhner von Zensur bedroht, nämlich durch das Festkomitee Kölner Karneval. Das neue Lied der Höhner heißt »Kutt erop« und handelt vom Haschischrauchen: »Kutt erop, kutt erop! Dä Palm, da hätt en Pief jestopp. En Pief so jroß wie en Bloomevaas – mit Jras.« Die Band rechtfertigt sich damit, ihr Lied sei ein »Sittengemälde«, aber der Präsident des Festkomitees, Hans-Horst Engels, will prüfen, ob es sich nicht doch eher »um Drogenverherrlichung handelt«, mit der der Kölner Karneval so wenig zu tun haben möchte wie mit schlechter Musik.

Mit Kopf und ohne Tuch

Islam-Debatte. Vergleichsweise differenziert wurde in Deutschland bisher in der Kontroverse um das Kopftuch argumentiert. Das Pro und Contra passte gut in die Feuilletons und die Sabine-Christiansen-Welt aus Politikern, Experten und Promis. Kopftuch? Ja bitte, nein danke, guten Abend. Lediglich Alice Schwarzer wurde lauter. Anders als in Frankreich, wo der Kopftuch-Streit seit einer breiten öffentlichen Debatte 1997 regelmäßig Freundeskreise und Politmilieus spaltet, wurde der Ball hier eher flach gehalten. Mit dem Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Angelegenheit kürzlich zur Ländersache erklärt hatte, verschärft sich der Ton, denn jetzt stehen wichtige Entscheidungen an, und es gibt die ersten Manifeste.

Ein beinhartes Nein zum Kopftuch posten unter www.members.partisan.net/sds/sds06203.html das feministisch-linke Trio Halina Bendkowski, Frauenrechtlerin, Günter Langer, Gewerkschafter, und die Regisseurin Helke Sander. Unter dem Titel »Stichwort: Becklash« brettern sie gegen die Integrationsbeauftragte Marieluise Beck und deren sympathisch-differenzierte Erklärung für eine kulturelle und religiöse Vielfalt und Selbstbestimmung der Frauen (www.integrationsbeauftragte.de/download/aufrufunterzeichnerinnen.pdf). Die Beck-Erklärung wird u.a. von Barbara John, Birgit Rommelspacher und Katja Riemann unterstützt. Dass die darin vorgeschlagene Strategie, Emanzipation durch Integration zu fördern, gerade deshalb nicht funktionieren kann, weil fundamentalistische Positionen den Ausschluss und die Ghettoisierung von Frauen und Mädchen systematisch betrieben, argumentieren die Autorinnen des »Becklash«-Manifests: »Mädchen dürfen – veranlasst durch deren Eltern und Verwandte – sich auf der Straße nicht frei bewegen, in den Schulen nicht am Sportunterricht teilnehmen, nicht am Sexualkundeunterricht, nicht an Klassenfahrten. Sie dürfen keine Freizeitangebote wahrnehmen oder als Erwachsene nicht die zur Verfügung gestellten Integrationsangebote annehmen, z.B. Sprachkurse belegen.«

Damit das in Zukunft anders wird, machen sie »jetzt folgenden, leicht umzusetzenden und billigen Vorschlag«, nämlich das Aufenthaltsrecht für Personen, die aus Ländern kommen, in denen die Egalität nicht rechtlich verankert ist, von deren Anerkennung des Gleichheitsgebots abhängig zu machen. Frauenunterdrücker, raus aus Deutschland. Der Vorschlag wird u.a. unterstützt von Sabine Kebir, Viola Roggenkamp, Frigga Haug und Christina Schenk. Das Gute daran: Der Rausschmiss deutschstämmiger Patriarchen ist im »Becklash«-Service gleich inbegriffen.

Neue Ekel-Formate

Endemol. Mit der Sendung »Ich bin ein Star – Holt mich hier raus« ist schon mal der Anfang gemacht, die Ekelschwellen des Publikums konnten abgesenkt werden, und weitere Extrem-Shows sollen folgen. RTL will nach Informationen des Focus im Frühjahr nachlegen. Dann soll die Endemol-Show »Fear Factor« starten. In der Sendung müssen die Kandidaten mit sportlichen Herausforderungen und ekligen Aufgaben kämpfen und möglichst Todesängste durchstehen. In den international bereits laufenden Ausgaben von »Fear Factor« – in den USA bei NBC – werden regelmäßig Dinge wie Kuhherzen, Schafsaugen, Kakerlaken und Würmer zu sich genommen.