Ölquellen des Friedens

Die sudanesischen Bürgerkriegsparteien haben sich auf eine Aufteilung der Öleinnahmen des Landes geeinigt. Doch mit Frieden und Demokratie hat das nichts zu tun. von thomas schmidinger

Eineinhalb Jahre lang wurde zäh verhandelt, dabei ist die am Ende beschlossene Lösung doch denkbar einfach. Die beiden Kriegsparteien im Sudan, das islamistische Militärregime in Khartum und die Sudanesische Volksbefreiungsarmee (SPLA), erhalten jeweils die Hälfte der Öleinnahmen des Landes. Diese am 7. Januar unterzeichnete Vereinbarung gilt in dem nordostafrikanischen Land als entscheidender Schritt zur Beendigung des Bürgerkrieges.

»Der Friedensprozess im Sudan ist jetzt irreversibel«, behauptet der SPLA-Führer John Garang, der sudanesische Vizepräsident Ali Osman Mohammed Taha spricht von einem »historischen Tag«, und zur Vorsicht mahnt nur der Chefunterhändler Lazaro Sumbeiywo: »Je mehr Probleme gelöst werden, desto komplizierter wird es, weil die Optionen weniger werden.«

Umstritten sind unter anderem noch so wichtige Punkte wie die Machtverteilung in der Zentralregierung und der Status von drei Provinzen. Das Abkommen ist symptomatisch für den bisherigen Friedensprozess. Sowohl für die SPLA als auch für die seit dem islamistischen Militärputsch vom Juni 1989 herrschende Regierung Umar al-Bashirs ist die Aufteilung der Ressourcen des Landes, insbesondere des Erdöls, das mehr als 40 Prozent der Staatseinnahmen einbringt, prioritär.

Die Ölquellen, die zu großen Teilen im südsudanesischen Operationsgebiet der SPLA und im ebenfalls vom Bürgerkrieg heimgesuchten Südkordofan liegen, wurden erst vor einigen Jahren entdeckt. Um Förderanlagen und Pipelines vor Angriffen der Rebellen zu schützen, ging die Regierung Ende der neunziger Jahre dazu über, die Zivilbevölkerung, die sie als Risiko betrachtete, massenhaft zu vertreiben. Für westliche Ölkonzerne wie die österreichische OMV, die sich erst 2003 wieder aus dem Sudangeschäft zurückzog, spielten Einwände von Menschenrechtsorganisationen erst dann eine Rolle, als sie in Europa für schlechte Presse sorgten.

Die bewaffneten Konflikte im Sudan sind jedoch weit älter als die Erdölförderung. Bereits 1956, einige Wochen vor der Unabhängigkeit des Sudan, kam es im Süden zu Aufständen gegen die neue Regierung im nordsudanesischen Khartoum. Das ökonomische und politische Gefälle zwischen den arabischen Zentren um Khartoum und dem verarmten Südsudan, der lange Zeit von den britischen Kolonialherren isoliert wurde, führte zu einem Bürgerkrieg, der nur unter der Militärdiktatur von Gaafar Nimeiri für ein Jahrzehnt unterbrochen wurde.

Der Frieden scheiterte vor allem an Nimeiris Septembergesetzen, die die Sharia im ganzen Land einführten. Nach seinem Sturz im Jahr 1985 erwiesen sich auch die demokratischen Regierungen unfähig, den Krieg zu beenden. Als schließlich 1989 eine Friedenslösung in greifbarer Nähe schien und als Vorbedingung für einen Waffenstillstand die Septembergesetze abgeschafft werden sollten, putschten sich islamistische Militärs an die Macht.

Damit rückte ein Friedensvertrag wieder außer Reichweite. Insbesondere in den ersten Jahren der Militärdiktatur kam es auch im Norden zu einer Repressionswelle gegen säkulare Oppositionelle und VertreterInnen von Minderheiten. Das neue Regime unterstützte islamistische Gruppierungen in der ganzen Welt, Mitte der neunziger Jahre hielt sich auch Ussama bin Laden längere Zeit im Sudan auf.

Derweil machten europäische und arabische Firmen insbesondere seit Beginn der Ölförderung gute Geschäfte mit dem Sudan. Während die Mehrheit der sudanesischen Bevölkerung weiter verarmte, führte der »islamische Neoliberalismus« der Regierung zu makroökonomischen Erfolgen. Auch der IWF honorierte diese Politik und hob 1995 den Status des Sudan als »unkooperativ« wieder auf.

Allerdings behinderte der Bürgerkrieg bislang die Erdölförderung in Südkordofan und Upper Nile. Dies ist ein zentraler Grund für die Regierung, gegenüber der SPLA Kompromissbereitschaft zu zeigen. Zudem sind die islamistischen Generäle daran interessiert, sich vom Image eines den Terror unterstützenden »Schurkenstaates« zu lösen, und sie wollen die US-Regierung bewegen, die gegen den Sudan verhängten Sanktionen aufzuheben.

US-Außenminister Colin Powell bemühte sich im Oktober 2003 sogar persönlich zu den Friedensverhandlungen, um auf eine Einigung zu drängen. Der Druck von außen und die inneren Widersprüche des Regimes machten nun ein Abkommen möglich. Primär konzentrierten sich die Verhandlungen zwischen Militärregierung und SPLA auf die Aufteilung von Ressourcen und Einflusssphären.

In den letzten Jahren ist zwar der Spielraum für nordsudanesische Oppositionelle etwas größer geworden, Verhaftungen unliebsamer Kritiker der Regimes sind jedoch weiterhin an der Tagesordnung. Nur zwei Wochen nachdem Anfang Dezember ein Rahmenabkommen zur Unterstützung des Friedensprozesses zwischen der Regierung und der Dachorganisation National Democratic Alliance (NDA), die auch die Parteien des Nordsudan, Gewerkschaften und Guerillaorganisationen umfasst, abgeschlossen wurde, verhaftete der Sicherheitsdienst wieder einmal neun Gewerkschafter.

Die zweite sudanesische Guerillabewegung, die seit Anfang 2003 in Darfur im Westen des Landes aktiv ist, wird von der Regierung weiterhin ignoriert. Trotz Aufsehen erregender militärischer Erfolge werden ihre Kämpfer vom Regime lediglich als kriminelle Unruhestifter bezeichnet. Dementsprechend wenig ist von der neuen Entspannungspolitik zu sehen, mehr als 75000 Menschen sind aus Darfur in den benachbarten Tschad geflohen. Die Flüchtlinge berichten von anhaltenden »ethnischen Säuberungen« durch regierungsnahe arabische Milizen gegen Fur, Masalit oder andere Angehörige nicht arabischer Bevölkerungsgruppen.

In den Friedensverhandlungen wurden die Herrschaftspraktiken nicht in Frage gestellt. Über die Demokratisierung des Landes gibt es nur vage Absichtserklärungen, und nur der überwiegend nichtislamische Süden wird von der Sharia ausgenommen.

Der Sudan ist damit noch immer weit von einem wirklichen Frieden entfernt. Allerdings wissen sowohl die SPLA als auch die Regierung Umar al-Bashirs, dass ein Frieden ohne die Einbeziehung aller relevanten politischen Kräfte des Sudan nicht dauerhaft halten kann. Dabei wird der Regierung eine wirkliche Demokratisierung keineswegs leicht fallen, fehlt ihr doch sogar im Nordsudan die Unterstützung der Bevölkerung.

Ebenso brisant ist das bereits 2002 vereinbarte Referendum über die Unabhängigkeit des Südsudan, das sechs Jahre nach einem endgültigen Vertragsabschluss stattfinden soll. Das »Problemgebiet« abzustoßen, mag für die Militärregierung verlockend sein, doch sowohl für arabisch-nationalistische als auch für islamistische Ideologen wäre die Sezession ein Sakrileg, und mit dem Südsudan gingen auch die meisten Ölquellen verloren.

Es dürften diese für das Regime unerfreulichen Alternativen gewesen sein, die den Chefunterhändler Sumbeiywo zu seiner Warnung veranlassten. Denn je näher ein umfassender Friedensvertrag rückt, desto schwieriger wird es für die islamistischen Generäle, sich vor den notwendigen politischen Entscheidungen zu drücken.