Das Konzept floatet nicht

Die Pleite des privaten Arbeitsvermittlers Maatwerk zeigt: Ob Job-Floater, Jump oder Personal-Service-Agenturen, die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung sind allesamt Flops. von georg fülberth

Im Wahlkampf 1998 versprach Gerhard Schröder, die Zahl der Arbeitslosen unter 3,5 Millionen zu senken. Das war bescheiden. Helmut Kohl hatte noch ehrgeizigere Ziele. Angesichts einer Erwerbslosenrate von zehn bis elf Prozent, stellte er eine Halbierung in Aussicht. Es gelang ihm nicht, die Zahl blieb deutlich über vier Millionen.

Kohl und Schröder versprachen eine Arbeitslosenrate von etwa 5,5 Prozent, Kohl eine etwas niedrigere, Schröder eine etwas höhere. Nach Auffassung neoliberaler Ökonomen ist das schon die Vollbeschäftigung. Denn diese kennzeichnet nicht eine Arbeitslosenrate von null Prozent, sondern die Non Inflationing Rate of Unemployment (NAIRU), also eine inflationsneutrale Arbeitslosenquote. Und die liege eben bei ca. 5,5 Prozent. Werde diese Marke überschritten, sei das zwar auch nicht schlimm, aber unnötig. 5,5 Prozent genügen. Sind es weniger Arbeitslose, entstehe Inflation, und das sei schlecht für die Geldvermögensbesitzer. Diese entscheiden, was Vollbeschäftigung ist.

Schröder hatte also seinen Klassenauftrag, wollte aber zeigen, dass er nicht nur der Genosse der Bosse ist, sondern auch der Sohn einer Putzfrau. Also: runter mit der Arbeitslosenrate! Hierfür wurde tatsächlich etwas getan. Kaum war die rot-grüne Regierung im Amt, legte sie das Jump-Programm (Jugend mit Perspektiven) auf. Die Bediensteten der Arbeitsämter waren angehalten, Heranwachsenden ihre Chancen auf Ausbildung und Beschäftigung nachgerade hinterherzutragen. Das erinnerte an das beklagenswerte Los von Arbeiterkindern in sozialdemokratisch regierten Bundesländern in den fünfziger Jahren. Kaum wagten die Kinder sich vor die Haustür zum Fußballspielen, da kamen schon zwei Sozialdemokraten um die Ecke, packten sie am Ohr und verschleppten sie ins nächste Gymnasium. Später war es die Gesamtschule, und jetzt soll es heißen: ab in die Lehre oder an die Uni!

Mit den Hartz-Reformen ging es dann richtig los. Das Hauptziel war das Outsourcing der Arbeitslosenkartei. Bekanntlich schämen sich Erwerbslose oft ihres Zustandes, gehen früh morgens im Blaumann oder mit Aktentasche aus dem Haus ins nächste Stehkaffee und kommen abends müde zurück – angeblich aus der Werkstatt oder dem Büro. Das können sie nun auch offiziell haben: als Ich-AG.

Job-Floating macht sich ebenfalls gut. Ein Ich-AGler etwa kann gleich noch einen zweiten Arbeitslosen einstellen und der Kreditanstalt für Wiederaufbau melden. Dafür gibt es ein zinsgünstiges Darlehen. Am meisten versprach die Idee von den Personal-Service-Agenturen. An sie konnten große Massen von Arbeitslosen abgetreten werden.

Schon vorher wurden der Bundesanstalt für Arbeit Beine gemacht. Jeden Monat hatten deren frühere christdemokratische Präsidenten, Josef Stingl und Bernhard Jagoda, Spießruten laufen müssen, wenn sie die miesen Arbeitsmarktdaten bekanntgaben. Schließlich warf man der Behörde vor, sie habe nur Scheinvermittlungen zuwege gebracht. Unter dem Sozialdemokraten Florian Gerster wurde die Anstalt zur Bundesagentur für Arbeit. Sie sollte jetzt nicht in erster Linie auszahlen und Trübsal blasen, sondern die Erwerbslosen aktivieren. Doch wenn man jetzt Bilanz zieht, fällt diese nicht so gut aus.

Beim Jump-Programm ist nicht viel herausgekommen. Deshalb spielt die Regierung jetzt mit dem Gedanken der Erhebung einer Ausbildungsplatzabgabe. Das gehörte schon zur Strategie in den Jahren 1998 bis 2002: zunächst ein Vierteljahr lang Streicheleinheiten an die Gewerkschaften verteilen, dann achtzehn Monate Neoliberalismus praktizieren und nach der Halbzeit der Legislaturperiode mit Warmherzigem um die entlaufene sozialdemokratische Klientel werben.

Vielleicht sollte man aber nicht nörglerisch auf die Einzelheiten sehen, sondern auf die Gesamtentwicklung. Da gibt es angeblich eine gute Nachricht: Seit Anfang des Jahres liegen die Arbeitslosenzahlen erstmals unter denen des jeweiligen Vorjahrsmonats. Die neuen Maßnahmen scheinen tatsächlich zu greifen. Allerdings muss bei dem stolz vorgezeigten Ergebnis eine Bereinigung der Statistik berücksichtigt werden, die vorgenommen wurde. Außerdem befinden wir uns am Beginn eines Aufschwungs. Da gibt es fast immer ein paar neue Jobs, jedenfalls mehr als in der Flaute. Vergleicht man die gegenwärtige Zunahme mit derjenigen am Beginn des vorigen Zyklus, dann ist sie nicht ermutigend.

Hiergegen gibt es wieder ein Argument: Früher ging man davon aus, dass erst ab einer Wachstumsrate von zwei Prozent neue Arbeitsplätze entstünden. Jetzt stelle sich dieser Effekt immerhin schon bei geringerem Aufschwung ein. Vielleicht liegt das aber nicht am Zuckerbrot, sondern an der Peitsche. Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe, die Verkürzung der Bezugsdauer für Arbeitslosengeld und die Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln sind zwar noch nicht in Kraft, aber für Anfang 2005 fest beschlossen. So etwas wirkt schon vorher einschüchternd. Einige haben offenbar, bevor es zu spät war, schlechtere Jobs schneller angenommen als früher. In auffälliger Weise entspricht diese Entwicklung dem Rückgang der Krankmeldungen.

Manche werden das als eine heilsame Pädagogik begrüßen. Allerdings wirkt sie erfahrungsgemäß nur kurz. Beim nächsten konjunkturbedingten Einbruch ist auch dieses Plus wieder verloren gegangen. Es verhält sich wie mit dem Kindergeld: Wird es erhöht, gibt es ein paar Geburten mehr, bis sich die Leute daran gewöhnt haben.

Die Personal-Service-Agenturen konnten die Arbeitsplätze nicht finden, die es eben nicht gibt. So wiederholt sich die Farce mit den privaten Arbeitsvermittlern, die in den neunziger Jahren zugelassen wurden. Man hat von ihnen seitdem nichts mehr gehört. Ganz so still wollte sich die Personal-Service-Agentur Maatwerk, die größte aller solcher Agenturen, nicht verabschieden. Sie meldete sich stattdessen mit einer Pleite ab und beantragte beim Hamburger Amtsgericht die Insolvenz. Offenbar sei die Weitervermittlung der ehemaligen Arbeitslosen aufwändiger gewesen als erwartet, sagte der Sprecher der Bundesagentur, Paul Moser.

Warum funktioniert die staatlich forcierte Arbeitsplatz-Kreation nicht? Das Problem liegt darin, dass die Öffentliche Hand nur eine Teilaktivierung vorgenommen hat. Arbeitsplätze entstehen in den Unternehmen. Die ließen sich aber nicht mobilisieren und verbitten sich dies sogar. Das Einzige, was sie vom Staat wollen, ist, dass er sie in Ruhe lässt und ihnen Steuern und Lohnnebenkosten vom Hals hält. Das hat er getan. Durch die Steuerausfälle gibt er Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Selbsttätigkeit aus der Hand, und die Unternehmen lassen sich nicht dazu bewegen, das Geschenk zu investieren.

Wirtschafts- und Finanzminister wollten möglichst viel Geld in privaten Händen lassen. Vielleicht hätten sie sich vorher etwas genauer ansehen sollen, wem sie da etwas zuschustern. Die Teilprivatisierung der Renten- und Krankenversicherung sollte die Lohnnebenkosten senken. Sie hatte aber noch einen zweiten Effekt: Finanzmakler erhielten einen neuen Markt durch die Zusatzversicherungen.

Arbeitsplätze wurden aber nicht geschaffen, im Gegenteil. Banken und Versicherungen haben zwar größere Einnahmen, zugleich aber bauen sie Personal ab. Das Marktsegment, das durch die Riester-Rente besonders gefördert wurde, ist nicht arbeitsintensiv. Unter dem Gesichtspunkt der Beschäftigungspolitik muss man von einer Fehlallokation sprechen, einer falschen Zuweisung.

Ein Staat, der nur sich selbst und die Arbeitslosen auf Trab bringt, kann nicht viel bewegen. Mehr als eine hektische Beschäftigungstherapie kommt bei Schröders Arbeitsmarktpolitik nicht heraus.