Hundt fordert

Zur Bedeutung des BDA von thomas blum

Gott ist schon lange tot. Das macht aber nichts. Denn wir haben in Deutschland eine sakrosankte Institution, die seine Stelle eingenommen hat. Diese Institution heißt Dieter Hundt und ist im Nebenberuf Präsident des Bundesverbands der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Wie jede Gottheit lebt er für gewöhnlich im Verborgenen und tritt nur in schweren Zeiten wie diesen ab und zu in Erscheinung, wenn es ihm darum zu tun ist, das Volk von Not und Mühsal zu erlösen.

Dann steigt er herab und erklärt den deutschen Zeitungen, was er zu fordern gedenkt, und die Zeitungen drucken es auch wortgleich ab: Hundt fordert die Ausrichtung der Schulausbildung an den Erfordernissen der Wirtschaft. Hundt fordert die Einschränkung des Streikrechts. Hundt fordert, dass sich zwei Lehrlinge ihren Lohn teilen. Hundt fordert die Verlängerung der Wochenarbeitszeit bzw. eben dann auch gleich die Verlängerung der Lebensarbeitszeit, wo er schon mal dabei ist. Hundt fordert dieses, Hundt fordert jenes.

In letzter Zeit konnte man beinahe täglich erleben, dass er sich uns mahnend zuwendete und aus den Medien zu uns sprach, denn nicht bloß das Volk, sondern insbesondere die deutschen Unternehmer darben und leiden bittere Not. Hundt aber steht ihnen und uns bei in unserer Bedrängnis. Und stets tut er das auf seine Art. Er tut es, indem er fordert. Das Fordern liegt tief in seinem Wesen begründet, es ist etwas, das er beherrscht wie kein Zweiter. Derzeit »fordert er drastische Kürzungen beim Arbeitslosengeld« (Financial Times Deutschland) und eine Kürzung der »überlangen Bezugszeiten«. Er, der Unantastbare, dessen Reich komme und dessen Wille geschehe, schlägt nicht etwa vor oder erteilt Rat oder stellt zur Diskussion oder empfiehlt. Unermüdlich fordert Hundt.

Denn er ist ein strenger Gott, der keine Nachsicht übt mit den niederen Chargen der schwerfälligen Bundesregierung. Ihr nämlich kommt das, was Hundt fordert, immer erst einen Tag nach ihm in den Sinn, und zum Verdruss aller braucht sie dann auch immer mehrere Tage dazu, um seinen Wünschen nachzukommen. Die Gewerkschaften sind ebenfalls unentwegt mit allem einverstanden, denn sie können sich nicht mehr erinnern, wozu sie da sind. Und wenn doch, wird ihren Forderungen schnurstracks eine Absage erteilt. Das ist aber auch egal. Am Ende wird gemacht, was Hundt fordert, denn das ist gut für die Volkswirtschaft.

Derweil wird Hundt jedoch nicht müde, sondern fordert rastlos und virtuos weiter. Für gewöhnlich fordert er Einschnitte, Nullrunden, Kürzungen, niedrige Lohnabschlüsse und Lohnsenkungen, und manchmal forderte er das sofortige Ende von Streiks. Als es noch Streiks gab. Und geht es so weiter wie bisher, fordert er vermutlich bald die Abschaffung bezahlter Arbeit und die öffentliche Züchtigung arbeitsscheuer Kleinkinder. Auch das wäre zweifelsohne gut für die Volkswirtschaft, denn »Fakt ist: Die Deutschen arbeiten zu wenig«. Insbesondere Langzeitarbeitslose sollten nicht »vor Arbeit geschützt« werden, forderte Hundt letztes Jahr.

Die zahlreichen Nichtsnutze und Faulenzer sollten sich ein Beispiel an ihm nehmen. Denn Hundt begibt sich schon in aller Frühe auf seinen beschwerlichen Weg durch die Medienanstalten, um sein umfangreiches Tagespensum an Forderungen zu stellen und derart praktisch unverdrossen und ohne Murren die ihm aufgetragene Pflicht abzuleisten. Bis spät in den Abend fordert er, bis ihm der Schweiß aus allen Poren rinnt. Und nachts denkt er sich neue Forderungen aus.