Der Borussen-Crash

Der börsennotierte Fußballverein Borussia Dortmund häuft Verluste von etwa 50 Millionen Euro an. Hätte der Club ein paar fußballerische Erfolge, wären die Verluste nicht ganz so hoch. von elke wittich

So ändern sich die Zeiten: Früher, also ungefähr in den Achtzigern, waren, zumindest in Großbritannien, überproportional viele Herausgeber und Schreiber der ersten Punk-Fanzines Sportjournalisten geworden. Meist mit der Begründung, dass man sich einzig und allein im Sportressort so richtig austoben dürfe.

Mittlerweile aber drängen selbst in ausgewiesenen Boulevardblättern vermehrt Wirtschaftswissenschaftler auf die Sportseiten – für Journalisten, die lediglich Taktiken und Spielregeln beherrschen, bleibt zumindest in der Nach-Kirch-Krise des deutschen Fußballwesens immer weniger Platz.

Vor ein paar Tagen erst erwiesen sich die zuerst im kicker und in der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten Gerüchte um ein riesiges Finanzloch bei Borussia Dortmund als richtig. Präsident Gerd Niebaum und Manager Michael Meier veröffentlichten die Halbjahresbilanz des börsennotierten Vereins. Die Verluste belaufen sich demnach in der ersten Hälfte der Saison 2003/2004 auf 29,7 Millionen Euro, insgesamt werden sie am Ende der Spielzeit wohl rund 50 Millionen betragen.

16,6 Millionen seien durch das unerwartet frühe Ausscheiden im internationalen Wettbewerb entstanden, erklärte Niebaum, und fügte hinzu: »Das Halbjahresergebnis ist eine Momentaufnahme, entscheidend ist das Geschäftsjahr. Wir haben noch einen Gestaltungsspielraum bis zum 30. Juni, den wir nutzen werden.«

Zudem sprach er von einem »Kurswechsel in unserer Geschäftspolitik zum harten Kostenmanagement«, aber sich wie der in Japan gefeierte Nissan-Sanierer Carlos Ghosn auszudrücken, wird bei den Fußballmanagern nicht reichen.

Denn anders als bei einem Konzern, der in verschiedenen Geschäftssparten aktiv ist und etwa Ausgaben für Material und bei den Zulieferern einsparen könnte, hat ein Fußballverein kaum Möglichkeiten zur aktiven Kostenkontrolle.

Sich billigere Ball-Lieferanten zu suchen und ein paar Angestellte der Geschäftstelle zu feuern, genügt nicht. Und auch die Preise zu erhöhen, geht nicht, denn Fußballvereine leben am allerwenigsten von den Eintrittsgeldern der Fans, weit wichtiger ist neben Catering-Erlösen und dem Vermieten von Vip-Logen das Geld aus den Fernsehrechten und den Einnahmen, die durch Verkäufe von Lizenzen, zum Beispiel für mit dem Clublogo bedruckte T-Shirts, Bettwäsche, Kulis und Bierdosen, gemacht werden.

Bleiben diese Millionenbeträge allerdings durch sportliche Misserfolge aus – niemand, der sie noch alle beisammen hat, kauft sich Senderechte oder Devotionalien eines Loservereins –, dann haben die Verantwortlichen ein ernstes Problem.

Schon ist man wieder in Dortmund.

Von den 130 Millionen Euro, die der Club durch seinen Börsengang erhielt, ist nach Aussagen von Insidern nichts mehr übrig. Und so muss also gespart werden, vor allem an der Mannschaft.

4,5 Millionen Euro entfallen angeblich monatlich auf die Gehaltszahlungen für die Mannschaft. Darauf hoffend, dass die teuren Stars den Verein möglichst bis zum Titelgewinn im internationalen Wettbewerb halten würden, hatte Borussia Dortmund in den vergangenen Jahren im ganz großen Stil eingekauft.

Die teuren Versager nun zum Saisonende schnellstmöglich zu verkaufen, ist jedoch aus zweierlei Gründen schwierig. Zum einen braucht man für die nächste Saison so um die 25 Mann, die sich in der Champions League, so sie denn erreicht wird, nicht allzu dusselig anstellen.

Und zum anderen ist es dummerweise im Fußball wie im richtigen Leben: Wer derart dringend Geld braucht, dass er unbedingt etwas loswerden muss, wird wenig Chancen haben, den erhofften Preis zu erzielen – jedenfalls dann, wenn alle potenziellen Käufer von seiner Notlage erfahren haben.

Dass Uli Hoeneß unlängst andeutete, der FC Bayern München habe gleich drei Borussen-Spieler, unter anderem Dede, angeboten bekommen, aber man wisse noch nicht, ob man sie auch tatsächlich haben wolle, verheißt für die Dortmunder nichts wirklich Gutes.

Aber selbst wenn es irgendwo auf der Welt einen Verein geben sollte, der furchtbar viel Mitleid mit der gebeutelten Borussia hat, besteht nicht richtig die Aussicht, das investierte Geld wieder hereinzubekommen. Überall wird weit weniger Geld für Senderechte gezahlt als noch vor einem Jahr, entsprechend könnte sich kaum ein Fußballunternehmen die immensen Lohnkosten für die Stars leisten. »Wir haben überall dort mit Zitronen gehandelt, so dass für Borussia Dortmund der ›worst case‹, ein Super-GAU, eintrat«, klagte Meier jetzt.

Aber nicht nur die fußballerische Krise und die Kirchpleite sind Schuld an der Misere. Es sieht so aus, als habe der Verein kaum je daran gedacht, in finanziell erfolgreicheren Zeiten Rücklagen zu bilden. Selbst die WGZ-Bank, die für den Börsengang der Borussia mitverantwortlich war, soll sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vor einiger Zeit negativ über das Geschäftsgebaren der Vereinsführung geäußert haben. Die Dortmunder finanzierten ihre »Gegenwart mit erwarteten Einnahmen aus der Zukunft«, wird ein WGZ-Analyst zitiert. Und so etwas klingt gar nicht gut. Denn wenn Bankmenschen eins nicht leiden können, dann sind das ungedeckte Ausgaben, die mit vagen Angaben wie »Doch, bestimmt wird alles bald viel besser« gerechtfertigt werden. Von dort ist es in ihren Augen nämlich nicht mehr weit bis zum so gefürchteten »Schüttelscheck« – so lautet die interne Bezeichnung für Schecks, die mit einem bedauernden Kopfschütteln nicht eingelöst werden, sprich ungedeckt sind.

Überhaupt scheint die Finanzwelt Fußballaktien mittlerweile für eine ähnlich blöde Idee wie IT-Anteile zu halten. Die Londoner Handelsbank Singer & Friedländer etwa schloss 2002 sang- und klanglos ihren fünf Jahre zuvor aufgelegten Fußballaktien-Fonds. Große Gewinne sind schließlich von den kickenden Aktiengesellschaften nicht zu erwarten: Der Bloomberg Football-Index Eurokick, in dem alle bösennotierten europäischen Fußballclubs erfasst werden, sank zum Beispiel von März 2000 bis Mai 2002 um 70 Prozent. Im ersten Quartal 2003 stieg der Index zwar gegen den allgemeinen Trend um 1,6 Prozent, damals hatten aber Übernahmegerüchte um Manchester United einen Run auf die Anteile des Clubs ausgelöst.

Selbst Titelgewinne wirken auf Analysten nur wenig beeindruckend: Durchschnittlich stiegen die Aktien der Landesmeister und Pokalsieger nach dem Schlusspfiff in den letzten Jahren nur um knapp ein paar Prozentpunkte, um gleich darauf, wenn wirklich alle stolzen Anhänger sich mit Sieger-Anteilen versorgt hatten, gleich wieder zu sinken. Aus einem einfachen Grund. Die Experten wissen schließlich genau, dass die Extra-Einnahmen in aller Regel sofort wieder ausgegeben würden, da die Clubmanager zum Beispiel den Fans nun besonders teure Stars präsentieren wollten.

Als der AS Rom etwa 2001 Meister wurde, sank die Aktie innerhalb eines Monats um rund 40 Prozent. Die Investoren, so berichtete die FAZ, hätten sich vor allem vor den Folgekosten, also höheren Gehältern und Bonuszahlungen, gefürchtet.

Mahnende Stimmen vor einer drohenden Meisterschaft des lokalen Teams waren früher in den Sportteilen der Zeitungen eher selten zu lesen.